VwGH vom 25.06.2013, 2012/09/0023
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des BR in H, vertreten durch Dr. Thomas Praxmarer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 19/I, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom , Zl. 94,95/17-DOK/11, betreffend Disziplinarstrafe gemäß § 115 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (weitere Parteien: Bundeskanzler, Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Polizeibeamter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist bzw. war im verfahrensrelevanten Zeitraum Personalvertreter und Vorsitzender des Dienststellenausschusses.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe eine Kopie einer seiner damaligen Dienststelle amtlich zugewiesenen Urkunde mit der Aufschrift "Fahrzeug des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß § 26a StVO", welche zur ausschließlichen Verwendung an Dienstfahrzeugen bestimmt gewesen sei, in der Zeit zwischen Mai 2004 und Oktober 2006 mehrfach - zuletzt am - für sein Privatfahrzeug in Kurzparkzonen von K missbräuchlich verwendet. Der Beschwerdeführer habe dadurch seine Dienstpflichten nach § 43 Abs. 2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) verletzt und über ihn wurde gemäß § 115 BDG 1979 ein Schuldspruch unter Absehen einer Disziplinarstrafe verhängt. Wegen eines weiteren Vorwurfes wurde der Beschwerdeführer gemäß § 118 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 freigesprochen.
Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, es liege entgegen § 28 des Bundes-Personalvertretungsgesetzes (PVG) keine Zustimmung des Dienststellenausschusses zur disziplinarrechtlichen Verfolgung des Beschwerdeführers vor, führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides Folgendes aus:
"Was das Vorbringen des Beschuldigten betrifft, das Disziplinarverfahren sei deshalb nichtig, weil bei der Sitzung des Dienststellenausschusses am keine Zustimmung zur Verfolgung des Beschuldigten erteilt worden sei, ist dem entgegenzuhalten, dass in dieser Sitzung einstimmig beschlossen wurde, ' dass das angebliche Fehlverhalten des DA-Vorsitzenden
... nicht im direkten Zusammenhang mit der Ausübung seiner
Funktion als Personalvertreter gesetzt wurde (§ 28 Abs. 2 PVG) '. Gemäß der zitierten Norm hat aber der Ausschuss, dem der Beschuldigte angehört, die Zustimmung zu erteilen, wenn er zu dem Ergebnis kommt, dass die Äußerungen oder Handlungen nicht in Ausübung dieser Funktion erfolgt sind. Exakt zu diesem Ergebnis ist der Dienststellenausschuss in seiner Sitzung am gekommen, weshalb seine diesbezügliche Äußerung bei verständiger Interpretation nur dahingehend verstanden werden kann, dass der Dienststellenausschuss damit seine Zustimmung zur dienstrechtlichen Verantwortlichkeit des Beschuldigten und seiner disziplinarrechtlichen Verfolgung erteilt hat. Ein anderslautender Inhalt - insbesondere ein gegenteiliger Inhalt - lässt sich diesen Ausführungen des Dienststellenausschusses entgegen dem Berufungsvorbringen nicht entnehmen, weshalb das Disziplinarverfahren nicht aus dem Grunde eines Verstoßes gegen § 28 PVG nichtig ist (gemäß dem Wortlaut des § 28 Abs. 1, Abs. 2 PVG wäre im Übrigen eine Vorgehensweise dergestalt, dass zuerst das Ergebnis erzielt wird, dass die Äußerung(en)/Handlung(en) nicht in Ausübung der Funktion erfolgt ist(sind) und dann die Zustimmung zur disziplinarrechtlichen Verfolgung nicht erteilt wird, klar rechtswidrig). Die Erstinstanz hat dem bezughabenden Beweisantrag des Beschuldigten daher zu Recht nicht stattgegeben. Auch der erkennende Senat der DOK gibt diesem Beweisantrag aus den genannten Gründen nicht statt."
(Hervorhebungen im Original)
Der angefochtene Bescheid enthält noch eine weitere Begründung hinsichtlich Schuld und hinsichtlich den gegen den Beschwerdeführer erfolgten Strafausspruch.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid u.a. deswegen für rechtswidrig, weil die gemäß § 28 Abs. 1 PVG erforderliche Zustimmung des Dienststellenausschusses zu seiner disziplinarrechtlichen Verfolgung gefehlt habe.
In dieser Hinsicht zeigt der Beschwerdeführer die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die Parteien des Verfahrens gehen übereinstimmend davon aus, dass der Beschwerdeführer im maßgeblichen Zeitraum Mitglied des Dienststellenausschusses gewesen ist. Gemäß § 28 Abs. 1 PVG dürfen "(d)ie Personalvertreterinnen oder Personalvertreter und die Mitglieder der Wahlausschüsse … wegen Äußerungen oder Handlungen nur mit Zustimmung des Ausschusses, dem sie angehören, dienstrechtlich zur Verantwortung gezogen werden". Im vorliegenden Fall war die Zustimmung des Dienststellenausschusses daher Voraussetzung für die disziplinäre Verfolgung des Beschwerdeführers. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Zl. 99/09/0089, dargelegt, dass die bloße Erklärung des Dienststellenausschusses, die Handlungen eines Beschuldigten im Disziplinarverfahren seien nicht in der Funktion eines Personalvertreters erfolgt, nicht ausreicht, um die in § 28 PVG geforderte Zustimmung zu ersetzen. Vielmehr ist dazu die ausdrückliche Zustimmungserklärung erforderlich. Der Verwaltungsgerichtshof sieht keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Wenn die belangte Behörde sich daher im vorliegenden Fall mit der bloßen Feststellung des Dienststellenausschusses, dass das angebliche Fehlverhalten des Beschwerdeführers "nicht im direkten Zusammenhang mit der Ausübung seiner Funktion als Personalvertreter gesetzt wurde (§ 28 Abs. 2 PVG)" begnügte, so durfte sie allein dadurch nicht das Erfordernis der Zustimmung des Dienststellenausschusses als erfüllt erachten.
Dies hat die belangte Behörde verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Hingewiesen wird darauf, dass das Fehlen einer gemäß § 28 PVG erforderlichen Zustimmung nach erfolgter rechtskräftiger Einleitung des Disziplinarverfahrens und nach Erlassung eines Verhandlungsbeschlusses nicht bewirkt, dass die Disziplinarbehörden zur Erlassung eines Disziplinarerkenntnisses unzuständig wären; nach Erlassung des Verhandlungsbeschlusses haben die Disziplinarbehörden vielmehr das Disziplinarverfahren durch ein Disziplinarerkenntnis abzuschließen, wobei - wenn eine Zustimmungserklärung gemäß § 28 PVG nicht vorliegt - ein Freispruch des beschuldigten Beamten in Frage kommt (vgl. auch dazu das bereits angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom ).
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
PAAAE-71971