VwGH vom 18.10.2005, 2005/03/0163
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
2005/03/0164
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerden des FL in P, vertreten durch Dr. Rudolf Bazil, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schellinggasse 3, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl VwSen-600032/10/Kl/Pe (protokolliert zur Zl 2005/03/0164), und Zl VwSen-600033/8/Kl/Pe (protokolliert zur Zl 2005/03/0163), jeweils betreffend Abweisung eines Devolutionsantrages betreffend Konzessionserteilung nach dem Kraftfahrliniengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von je EUR 1.171,20, insgesamt EUR 2.342,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte am einen Antrag an den Landeshauptmann von Oberösterreich auf Erteilung der Konzession zum Betrieb der Kraftfahrlinie Oberkappel - Hofkirchen - Lembach - Rohrbach sowie am den Antrag auf Erteilung einer Konzession zum Betrieb der Kraftfahrlinie Helfenberg - St. Peter - Haslach - Rohrbach. Beide Anträge umfassten jeweils nur die Hinfahrt. Mit Schreiben vom , bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangt am (hinsichtlich der Kraftfahrlinie Helfenberg - Rohrbach) bzw am (hinsichtlich der Kraftfahrlinie Oberkappel - Rohrbach) änderte der Beschwerdeführer seine Anträge dahingehend, dass die Konzessionen auch für die Rückfahrt beantragt wurden.
Am brachte der Beschwerdeführer hinsichtlich beider Anträge beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich einen Devolutionsantrag ein.
Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden hat die belangte Behörde die Devolutionsanträge des Beschwerdeführers abgewiesen. In den im Wesentlichen gleich lautenden Bescheiden führte die belangte Behörde aus, dass gemäß § 73 Abs 2 AVG ein Devolutionsantrag abzuweisen sei, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen sei. Die belangte Behörde habe in den gegenständlichen Verfahren umfangreiche Ermittlungen hinsichtlich eines die wirtschaftliche Betriebsführung in Frage stellenden Einnahmenausfalles (gemeint:
von Verkehrsunternehmen, in deren Verkehrsbereich die beantragten Linien ganz oder teilweise fallen) geltend gemacht. Gemäß § 7 Abs 1 Z 4 lit b iVm § 14 Kraftfahrliniengesetz (KFlG) dürfe eine Konzession dann nicht erteilt werden, wenn ein Ausschlussgrund vorliege, wie zB dass der beantragte Kraftfahrlinienverkehr die Erfüllung der Verkehrsaufgaben durch die Verkehrsunternehmen, in deren Verkehrsbereich die beantragte Linie ganz oder teilweise falle, zu gefährden geeignet sei. Eine Gefährdung der Erfüllung der Verkehrsaufgaben liege dann vor, wenn ein Verkehrsunternehmen in der Führung seines öffentlichen Verkehrs einschneidend beeinträchtigt werde; dies sei dann der Fall, wenn es hinsichtlich der gefährdeten Linien einen die wirtschaftliche Betriebsführung sichtlich in Frage stellenden Einnahmenausfall erleide. Zur Begründung eines die wirtschaftliche Betriebsführung sichtlich in Frage stellenden Einnahmenausfalles seien daher Ermittlungen und Feststellungen über den Fahrgastausfall, der im Bereich einer konzessionierten Linie durch die Erteilung einer neuen Kraftfahrlinienkonzession zu erwarten sei, anzustellen. Dabei seien konkrete Zahlen zu benennen, wie viele Fahrgäste von dem Vorhaben betroffen seien und wie viele Fahrgäste durch die beantragte Konzessionserteilung verloren gingen. Es seien daher Angaben über die Höhe der Gesamteinnahmen bzw den befürchteten Einnahmenausfall auf die von den vorliegenden Anträgen berührte Anzahl von Fahrgästen rückführbar darzustellen und die Umstände aufzuzeigen, auf die sich die Annahme des genannten Prozentsatzes betreffend den Einnahmenentfall stütze. Aus den von der erstinstanzlichen Behörde vorgelegten Akten sei ersichtlich, dass diese auch nach Einbringung des modifizierten Antrages vom sämtliche im Verfahren Beteiligte eingebunden habe und auch die jeweiligen noch ausständigen Stellungnahmen urgiert habe. Darüber hinaus habe sie "im Grunde der zitierten Judikatur des Oö. Verwaltungssenates und einer Stellungnahme des Antragstellers vom entsprechende Verfahrensschritte" gesetzt und es seien "auch noch laufend Erhebungsergebnisse eingelangt". Die belangte Behörde sei daher zur Überzeugung gelangt, dass kein überwiegendes Verschulden der Behörde im Sinne des § 73 Abs 2 AVG vorliege. Es seien von ihr nämlich notwendige, die Verwaltungssache betreffende Verfahrenshandlungen gesetzt worden, die für die Entscheidung erforderlich seien. Die gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen für den Übergang der Entscheidungspflicht hätten daher nicht festgestellt werden können.
Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom , B 270/05 und B 271/05, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:
1. § 73 Abs 1 und 2 AVG in der Fassung BGBl I Nr 65/2002 lauten:
"§ 73. (1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Sofern sich in verbundenen Verfahren (§ 39 Abs. 2a) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich.
(2) Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist."
2. Das Kraftfahrliniengesetz sieht für die Entscheidung über Konzessionsanträge keine besondere Entscheidungsfrist vor.
Die geänderten Anträge des Beschwerdeführers sind am 16. Februar bzw am bei der Erstbehörde eingelangt, sodass die Entscheidungsfrist gemäß § 73 Abs 1 AVG zum Zeitpunkt der Einbringung der Devolutionsanträge am bereits abgelaufen war.
3. Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, dass die am 16. bzw am bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangten geänderten Anträge des Beschwerdeführers am bzw am den gemäß § 5 KFlG zu hörenden Stellen übermittelt wurden; dabei hat die erstinstanzliche Behörde ausgeführt, dass - sollte binnen 30 Tagen ab Zustellung dieses Schreibens keine Stellungnahme einlangen - die Zustimmung der jeweiligen Stelle angenommen bzw ihre in diesem Verfahren (zu den ursprünglichen, nur die Hinfahrt betreffenden Konzessionsanträgen) bereits abgegebene Stellungnahme als weiterhin gültig angesehen werde.
In der Folge langten Stellungnahmen ua von Verkehrsunternehmen, in deren Verkehrsbereich die beantragten Linien ganz oder teilweise fallen, ein, welche von der erstinstanzlichen Behörde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom (betreffend die Linie Helfenberg - Rohrbach) bzw persönlich am (betreffend die Linie Oberkappel - Rohrbach) mit der Einladung zur Stellungnahme binnen vier Wochen übermittelt wurden. Der Beschwerdeführer hat daraufhin jeweils eine schriftliche, als "vorläufige Stellungnahme" bezeichnete Äußerung abgegeben, welche am (betreffend die Kraftfahrlinie Helfenberg - Rohrbach) bzw am (betreffend die Kraftfahrlinie Oberkappel - Rohrbach) bei der belangten Behörde eingelangt ist. Die Bezeichnung "vorläufige Stellungnahme" bezieht sich offenkundig darauf, dass der Beschwerdeführer in dieser Stellungnahme geltend machte, es seien ihm nicht sämtliche Beweismittel zur Einsicht übermittelt worden.
Die belangte Behörde hat diese Stellungnahmen des Beschwerdeführers in der Folge drei Verkehrsunternehmen zur Kenntnis gebracht, die in ihrer Stellungnahme einen Einnahmenausfall im Sinn des § 14 Abs 3 KFlG behauptet hatten und diese zu einer neuerlichen Stellungnahme innerhalb von 30 Tagen ab Zustellung eingeladen.
Weitere Ermittlungsschritte sind den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen.
4. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff des (überwiegenden) "Verschuldens der Behörde" nicht im Sinne eines Verschuldens der Organwalter der Behörde zu verstehen, sondern insofern "objektiv", als ein solches anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2004/10/0218).
Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausführt, dass die Behörde erster Instanz "umfangreiche Ermittlungen hinsichtlich eines die wirtschaftliche Betriebsführung in Frage stellenden Einnahmenausfalles" geltend gemacht habe, so ist dem zunächst zu entgegnen, dass eine besondere Komplexität dieser Ermittlungen nicht erkennbar ist und zudem auch allein der Umstand, dass es sich allenfalls um eine komplexe Materie handelt, nicht ausreichen kann, um vom Vorliegen eines unüberwindlichen, einer im Sinne des § 73 Abs 1 AVG fristgerechten Entscheidung über die Konzessionsanträge entgegenstehenden Hindernisses auszugehen (vgl dazu das hg Erkenntnis vom , Zl 91/07/0113). Zudem lassen sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten derartige umfassende Ermittlungsschritte auch nicht nachvollziehen. So hat die erstinstanzliche Behörde den betroffenen Verkehrsunternehmen schon anlässlich der ursprünglichen - nur auf eine Fahrtrichtung gerichteten, aber die selbe Streckenführung betreffenden - Anträge des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und dabei auch die Vorlage von Daten im Sinn des § 14 Abs 3 KFlG verlangt. Nach dem Einlangen der - den Fristenlauf im Sinne des § 73 Abs 1 AVG auslösenden - Anträge (16. bzw ) hat sich die Ermittlungstätigkeit der Behörde darauf beschränkt, den Beteiligten die geänderten Anträge mit der Einladung zur Stellungnahme zu übermitteln.
Soweit die belangte Behörde darauf hinweist, dass umfassende Erhebungen erforderlich gewesen wären, um das Vorliegen eines Ausschlussgrundes gemäß § 7 Abs 1 Z 4 lit b KFlG zu beurteilen, ist zunächst festzuhalten, dass die erstinstanzliche Behörde nach den vorgelegten Verwaltungsakten derartige Erhebungen lediglich durch die Zustellung des Antrags sowie schließlich die Zustellung der Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den vorgebrachten Einwendungen durchgeführt hat, sodass weder von "umfassenden Erhebungen" noch von einer zielgerichteten Ermittlungstätigkeit der Behörde die Rede sein kann. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass für das Ermittlungsverfahren hinsichtlich des Vorliegens eines Ausschlussgrundes gemäß § 7 Abs 1 Z 4 lit b KFlG in § 5 und § 14 KFlG besondere Verfahrensbestimmungen festgelegt sind, nach denen den betroffenen Verkehrsunternehmen im Konzessionsverfahren eine Frist von mindestens 30 und höchstens 60 Tagen zur Abgabe ihrer Äußerung einzuräumen ist und das betroffene Verkehrsunternehmen - sofern es behauptet, durch die Erteilung einer neuen Konzession einen die wirtschaftliche Betriebsführung sichtlich in Frage stellenden Einnahmeausfall zu erleiden - der Behörde jene zum Teil nur ihm bekannten Daten zu liefern hat, anhand derer die Behörde in die Lage versetzt wird, zu beurteilen, wie sich der Einnahmenausfall auf die wirtschaftliche Betriebsführung seiner Linie auswirken wird.
Gerade vor dem Hintergrund der besonderen Mitwirkungspflicht der einen Ausschlussgrund behauptenden Verkehrsunternehmen kann nicht erkannt werden, dass dem Abschluss des Verfahrens innerhalb der Frist im Sinne des § 73 Abs 1 AVG ein unüberwindliches Hindernis entgegenstand.
Ein (überwiegendes) Verschulden des Beschwerdeführers an der Verzögerung wurde von der belangten Behörde nicht behauptet und auch in den vorgelegten Verwaltungsakten finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer die Verzögerung der Entscheidung mitverursacht hätte.
Da somit die Voraussetzungen für die Abweisung der Devolutionsanträge durch die belangte Behörde nicht vorlagen, waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 333.
Wien, am