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VwGH vom 28.02.2012, 2010/04/0065

VwGH vom 28.02.2012, 2010/04/0065

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Dr. Greisberger, über die Beschwerde des X in Y, vertreten durch Mag. Dagmar Schmidt, Rechtsanwältin in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zlen. VwSen-530911/2/Wim/Bu, VwSen- 530912/2/Wim/Bu, VwSen-530913/2/Wim/Bu, betreffend gewerbliche Betriebsanlage (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend; mitbeteiligte Partei: A GmbH in B), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der mitbeteiligten Partei im Instanzenzug - ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung - gemäß § 81 iVm § 356b Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) und § 112 Abs. 1 Wasserrechtsgesetz (WRG 1959) die Genehmigung für die Änderung ihrer Betriebsanlage durch die Ableitung von Oberflächenwässern aus dem Sägewerksbetrieb in die Vöckla sowie zur Errichtung und zum Betrieb der hiezu erforderlichen Anlagen (u.a. ein Absetzbecken in der Größe von 300 m2 und ein Sickerbecken im Umfang von 571 m2) erteilt.

2. Begründend stützte sich die belangte Behörde im Wesentlichen auf die im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten eines wasserbautechnischen und eines hydrogeologischen Sachverständigen.

Zu den Einwendungen (u.a.) des Beschwerdeführers im Hinblick auf befürchtete Lärmbelästigungen durch Reinigungsarbeiten mittels Bagger führte die belangte Behörde aus, schon aus der allgemeinen Lebenserfahrung seien diese im Vergleich zu den Sägewerksgeräuschen und dem Verkehrslärm als verschwindend bzw. nicht maßgeblich einzustufen. Überdies würden solche Wartungen nur selten stattfinden müssen.

Zur eingewendeten Geruchsbelästigung (durch in das Absetzbecken gelangende Feinanteile verschiedener im Sägewerksgelände anfallender Stoffe) führte die belangte Behörde aus, laut Projekt gelange das Wasser zuerst durch ein Einlaufgitter mit Stababstand von 6 cm in einen zweiteiligen Vorschacht. Im ersten Teil des Vorschachtes erfolge die Absetzung der Schwerstoffe und durch eine Trennwand, die als Tauchwand fungiere, die Rückhaltung schwimmender Stoffe. Erst danach werde das Niederschlagswasser zum Absetzbecken gepumpt. Dadurch werde der Großteil der festen Inhaltsstoffe gar nicht in das Becken gepumpt. Für den verschwindend geringen Teil werde es bei einer ordnungsgemäßen Wartung zu keinerlei Fäulnisbildung kommen. Weiters werde das Becken nicht ständig wasserführend sein, sondern grundsätzlich nach Versickerung durch die Bodenschicht in die Vöckla entleert werden. Diese längeren Trockenphasen würden eine Fäulnis grundsätzlich verhindern.

Zur eingewendeten Staubbelastung (durch in das Absetzbecken gelangende Feinanteile verschiedener im Sägewerksgelände anfallender Stoffe) führte die belangte Behörde aus, die relativ geringfügigen Mengen an Sägerückständen, die ins Becken eingebracht würden, könnten zwar bei Trocknung durchaus wieder eine staubmäßige Konsistenz haben, das Becken sei jedoch ganzjährig begrünt zu halten und zwei Mal im Jahr zu mähen. Diese ständige Grasnarbe werde den Staub binden, sodass es im Regelfall zu keinen Verwehungen kommen werde, zumindest nicht zu solchen, die z.B. bei sturmartigen Windböen im Verhältnis zur natürlichen Staubaufwirbelung zusätzlich ins Gewicht fallen würden.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bringt im Wesentlichen vor, die belangte Behörde stütze sich im Zusammenhang mit den drohenden Lärmimmissionen sowie der Geruchs- und Staubbelästigung lediglich auf die allgemeine Lebenserfahrung. Sie habe keinerlei konkrete Messungen oder Untersuchungen vorgenommen, es gehe nicht hervor, auf welche Basis die Behörde ihre Annahmen stütze. Das örtlich zumutbare Maß werde durch die Errichtung der Anlage jedenfalls überschritten.

2. Gemäß § 356b Abs. 1 GewO 1994 entfallen bei nach diesem Bundesgesetz genehmigungspflichtigen Betriebsanlagen, zu deren Errichtung, Betrieb oder Änderung auch nach anderen Verwaltungsvorschriften des Bundes eine Genehmigung (Bewilligung) zum Schutz vor Auswirkungen der Anlage oder zum Schutz des Erscheinungsbildes der Anlage erforderlich ist, soweit in den folgenden Absätzen nicht anderes bestimmt wird, gesonderte Genehmigungen (Bewilligungen) nach diesen anderen Verwaltungsvorschriften, es sind aber deren materiellrechtliche Genehmigungs-(Bewilligungs )Regelungen bei Erteilung der Genehmigung anzuwenden. Dem Verfahren sind Sachverständige für die von den anderen Verwaltungsvorschriften erfassten Gebiete beizuziehen. Die Betriebsanlagengenehmigung bzw. Betriebsanlagenänderungsgenehmigung gilt auch als entsprechende Genehmigung (Bewilligung) nach den anderen Verwaltungsvorschriften des Bundes.

Die Mitanwendung der Bestimmungen des WRG 1959 bezieht sich nach § 356b Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 auf mit Errichtung, Betrieb oder Änderung der Betriebsanlage verbundene Abwassereinleitungen in Gewässer (§ 32 Abs. 2 lit. a, b und e WRG 1959), ausgenommen Abwassereinleitungen aus Anlagen zur Behandlung der in einer öffentlichen Kanalisation gesammelten Abwässer.

3. Im Beschwerdefall handelt es sich - wie auch der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides erkennen lässt - um ein Verfahren zur Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage gemäß § 81 GewO 1994.

Gemäß § 356b Abs. 1 GewO 1994 entfällt eine gesonderte wasserrechtliche Bewilligung, wenn es sich um eine Maßnahme im Sinne der Z. 1 bis 5 dieser Bestimmung handelt, in diesem Fall hat die Gewerbebehörde im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens die entsprechenden Bestimmungen des WRG 1959 mitanzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 2010/04/0116 und 0127). "Mit anzuwenden" bedeutet, dass weiterhin die entsprechenden Bestimmungen der GewO 1994 für die Genehmigung der Betriebsanlage zu beachten sind. Die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 81 GewO 1994 sind keine anderen als jene, an die das Gesetz im § 77 GewO 1994 die Errichtung und den Betrieb einer Anlage knüpft (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/04/0185, mwN).

Die Feststellung, ob die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 77 GewO 1994 vorliegen, sind Gegenstand des Beweises durch Sachverständige auf dem Gebiet der gewerblichen Technik und auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Den Sachverständigen obliegt es, aufgrund ihres Fachwissens ein Urteil (Gutachten) über diese Fragen abzugeben. Der gewerbetechnische Sachverständige hat sich darüber zu äußern, welcher Art die von einer Betriebsanlage nach dem Projekt des Genehmigungswerbers zu erwartenden Einflüsse auf die Nachbarschaft sind, welche Einrichtungen der Betriebsanlage als Quellen solcher Immissionen in Betracht kommen, ob und durch welche Vorkehrungen zu erwartende Immissionen verhütet oder verringert werden und welcher Art und Intensität die verringerten Immissionen noch sein werden. Dem ärztlichen Sachverständigen fällt - fußend auf dem Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen - die Aufgabe zu, darzulegen, welche Einwirkungen die zu erwartenden unvermeidlichen Immissionen nach Art und Dauer auf den menschlichen Organismus entsprechend der in diesem Zusammenhang in § 77 Abs. 2 GewO 1994 enthaltenen Tatbestandsmerkmale auszuüben vermögen. Die Auswirkungen der zu genehmigenden Betriebsanlage bzw. der zu genehmigenden Änderung einer genehmigten Betriebsanlage sind dabei unter Zugrundelegung jener Situation zu beurteilen, in der die Immissionen für die Nachbarn am ungünstigsten, d.h. am belastendsten sind (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/04/0292, mwN).

4. Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde - wie sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt - hinsichtlich der eingewendeten Lärm-, Geruchs- und Staubbelästigungen aus Eigenem Fachfragen beurteilt, jedoch nicht dargetan, warum sie entsprechende sachverständige Kenntnisse und Erfahrungen für die selbständige fachliche Beurteilung dieser Fragen hat (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/04/0046, mwN).

Wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift einwendet, die Befürchtungen des Beschwerdeführers seien nach den Ergebnissen eines umfassenden Ermittlungsverfahrens einschließlich dreier mündlicher Verhandlungen von den beigezogenen Amtssachverständigen nicht geteilt worden, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Aktenlage dem Verfahren zwar ein wasserbautechnischer und ein hydrogeologischer Amtssachverständiger beigezogen wurde, nicht jedoch ein gewerbetechnischer und ärztlicher Sachverständiger.

5. Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand ein Kostenersatz für Beilagen nicht zusteht.

Wien, am