VwGH vom 28.05.2008, 2007/21/0162
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2007/21/0172 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-FR-07-1017, in der Fassung des Ergänzungsbescheides vom , Zl. Senat-FR- 07-1017/1, sowie des Berichtigungsbescheides vom , Zl. Senat-FR-07-1017/2, betreffend Schubhaft (mitbeteiligte Partei: I, vertreten durch Dr. Peter Zawodsky, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 71/10), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Die Mitbeteiligte, eine aus dem Kosovo stammende serbische Staatsangehörige, reiste am gemeinsam mit ihrem Sohn S. in das Bundesgebiet ein und beantragte am selben Tag die Gewährung von internationalem Schutz. Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom wies der unabhängige Bundesasylsenat diesen Antrag gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab, erkannte ihr gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 weder den Status einer Asylberechtigten noch einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Serbien, Provinz Kosovo, zu und wies sie gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Serbien, Provinz Kosovo, aus.
Mit - am selben Tag in Vollzug gesetztem - Bescheid vom ordnete daraufhin die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen gemäß § 76 Abs. 1 und 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG die Anhaltung der Mitbeteiligten in Schubhaft an, um ihre Abschiebung zu sichern.
Begründend führte sie aus, die Mitbeteiligte sei nicht willens bzw. nicht in der Lage, das Bundsgebiet aus eigenem Entschluss und auf legalem Weg zu verlassen. Sie könne keine regelmäßige Beschäftigung ausüben, weil sie nicht im Besitz einer arbeitsmarkt- oder aufenthaltsrechtlichen Bewilligung sei. Es müssten daher für ihren weiteren Aufenthalt öffentliche Mittel aufgewendet werden bzw. sei der Schluss zulässig, dass sie versuche, durch Begehung strafbarer Handlungen ihren Unterhalt zu fristen. Es sei daher die Annahme gerechtfertigt, dass ihr Aufenthalt in Österreich die öffentliche Ordnung, insbesondere im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen und einen geordneten Arbeitsmarkt, sowie das wirtschaftliche Wohl des Landes gefährde. Die Anwendung gelinderer Mittel sei auszuschließen, weil auf Grund des bisherigen Verhaltens der Mitbeteiligten die Annahme gerechtfertigt sei, dass sie sich dem behördlichen Zugriff entziehen werde, um die Vollstreckung der fremdenpolizeilichen Maßnahme zu verhindern oder zumindest erheblich zu erschweren. Der Zweck der Schubhaft könnte hiedurch somit nicht erreicht werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde einer dagegen erhobenen Schubhaftbeschwerde insoweit statt, als sie gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG feststellte, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht mehr vorlägen.
Begründend führte sie aus, die Mitbeteiligte, die die Rechtmäßigkeit des Schubhaftbescheides selbst nicht in Zweifel gezogen habe, habe nunmehr eine rechtsgültige Verpflichtungserklärung des M. vorgelegt und glaubhaft gemacht, dass dieser bei der Firma X. aufrecht beschäftigt sei und dass er im Februar 2007 einen Nettoarbeitslohn von EUR 1.192,90 bezogen habe. Da die Mitbeteiligte, darauf gestützt, nunmehr nicht als mittellos anzusehen sei, bestehe keine Notwendigkeit, sie weiterhin in Schubhaft anzuhalten.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Amtsbeschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die Mitbeteiligte erwogen:
Zunächst ist festzuhalten, dass der angefochtene Bescheid den - im Ergebnis unterstellten - Wegfall eines Sicherungsbedarfs betreffend die Abschiebung der Mitbeteiligten nur mit dem angenommenen Wegfall der Mittellosigkeit begründet. Für die Bejahung eines Sicherungsbedarfs kommen im Anwendungsbereich des § 76 Abs. 1 FPG aber insbesondere auch das - im Beschwerdefall nach der Aktenlage vorliegende - Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2004/21/0236, vom , Zl. 2006/21/0087, und vom , Zl. 2007/21/0078, mwN).
Zu diesen Themen hat die belangte Behörde, was die Amtsbeschwerde zu Recht rügt, weder Feststellungen getroffen, noch sich mit dem - auch aus den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmenden - Verhältnis der Mitbeteiligten zu M., der eine Verpflichtungserklärung zu ihren Gunsten abgegeben hat, auseinander gesetzt - und es ist auch die Tragfähigkeit dieser Verpflichtungserklärung ungeprüft geblieben, was - entgegen der Beschwerdeansicht - allerdings nicht am Maßstab des § 11 Abs. 5 NAG zu erfolgen hat. Maßgeblich wäre vielmehr, ob durch die Zuwendungen von dritter Seite die aus der Mittellosigkeit (in Verbindung mit den weiteren einen Sicherungsbedarf begründenden Umständen) resultierende Gefahr des "Untertauchens in die Illegalität" als nicht (mehr) gegeben anzusehen werden konnte.
Da die belangte Behörde nach dem Gesagten notwendige Ermittlungen und hierauf gegründete Feststellungen unterlassen hat, ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Wien, am
Fundstelle(n):
RAAAE-71898