VwGH vom 25.09.2012, 2010/04/0020

VwGH vom 25.09.2012, 2010/04/0020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des X in Y, vertreten durch Dr. Friedrich Miller, Rechtsanwalt in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend vom , Zl. BMWFJ-332.948/0005-I/9/2009, betreffend Anerkennung gemäß § 373c GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom stellte der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Niederlande, den Antrag auf Anerkennung gemäß § 373c GewO 1994 für das reglementierte Gewerbe "Gastgewerbe" gemäß § 94 Z. 26 GewO 1994.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieser Antrag gemäß § 373c Abs. 1 und § 373f Abs. 1 GewO 1994 abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei mehrmals aufgefordert worden, unter anderem seine Berufsqualifikation durch Vorlage der hiefür vorgesehenen Bescheinigung gemäß Anhang VII der Richtlinie 2005/36/EG, ausgestellt von der zuständigen Behörde des Heimat- bzw. Herkunftsstaates, unter Beweis zu stellen.

Der Beschwerdeführer habe zwar in weiterer Folge verschiedene Kopien von Privatzeugnissen, Zeitungsausschnitten u.a. vorgelegt, nicht jedoch wie aufgetragen eine Bescheinigung gemäß Anhang VII der Richtlinie 2005/36/EG, ausgestellt von der zuständigen Behörde des Heimat- bzw. Herkunftsstaates.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde nach Zitierung des § 373c Abs. 1 und § 373f Abs. 1 GewO 1994 sowie unter Hinweis auf Art. 50 Abs. 1 iVm Anhang VII Z. 1 lit. c der Richtlinie 2005/36/EG aus, es sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen, weil der Beschwerdeführer trotz wiederholter Aufforderungen seiner Verpflichtung, die behauptete Berufsqualifikation durch Vorlage der hiefür vorgeschriebenen Bescheinigung der zuständigen Behörde oder Einrichtung des Heimat- bzw. Herkunftsstaates unter Beweis zu stellen, weder innerhalb der eingeräumten Frist noch bis dato nachgekommen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde in welcher der Beschwerdeführer im Wesentlichen vorbringt, nach Anhang VII lit. b der Richtlinie 2005/36/EG könne der Antragsteller aufgefordert werden, Informationen zu seiner Ausbildung vorzulegen. Sei er dazu nicht in der Lage, müssten sich die Behörden des Aufnahmestaates an die Kontaktstelle des Herkunftsmitgliedstaates wenden. Der Beschwerdeführer habe alle Unterlagen vorgelegt, die zum Nachweis seiner Berufsqualifikation notwendig seien und die den Belegen entsprechen, die in der Gastgewerbeverordnung in § 1 lit. 1 als Zugangsvoraussetzungen angeführt seien. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, von Amts wegen im Herkunftsmitgliedstaat entsprechende Nachforschungen anzustellen. Die belangte Behörde habe § 373f Abs. 1 GewO 1994 und den Anhang VII der Richtlinie 2005/036/EG nicht beachtet.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194 in der Fassung BGBl. I Nr. 42/2008 (GewO 1994), lauten:

" VI. Hauptstück

EWR-Anpassungsbestimmungen

Niederlassungsfreiheit

Regelungen für die Anerkennung von Ausbildungsnachweisen

§ 373c. (1) Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat auf Antrag eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der EU oder eines Vertragsstaates des EWR die tatsächliche Ausübung von Tätigkeiten in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des EWR als ausreichenden Nachweis der Befähigung mit Bescheid anzuerkennen, wenn

1. die Tätigkeiten allenfalls in Verbindung mit einer einschlägigen Ausbildung nach Art und Dauer den Voraussetzungen der Verordnung gemäß Abs. 2 entsprechen und

2. keine Ausschlussgründe gemäß § 13 vorliegen.

(2) Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat unter Berücksichtigung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung der Berufsqualifikationen, sowie der Richtlinie 74/556/EWG über die Einzelheiten der Übergangsmassnahmen auf dem Gebiet der Tätigkeiten des Handels mit und der Verteilung von Giftstoffen und der Tätigkeiten, die die berufliche Verwendung dieser Stoffe umfassen, einschliesslich der Vermittlertätigkeiten, durch Verordnung Art und Dauer der Tätigkeiten festzulegen, deren Nachweis Voraussetzung für eine Anerkennung ist.

(3) Das Vorliegen der Anerkennungsvoraussetzungen ist nach Maßgabe der Anerkennungsregeln der im Abs. 2 genannten Richtlinien durch Bescheinigungen (§ 373f) folgender Art nachzuweisen:


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1.
Bescheinigung über eine einschlägige selbständige Tätigkeit,
2.
Bescheinigung über eine einschlägige Tätigkeit in leitender Stellung oder als Betriebsleiter,
3.
Bescheinigung über einschlägige unselbständige Tätigkeit anderer Art,
4.
Bescheinigung über eine einschlägige Ausbildung.

§ 373f. (1) Der Antragsteller hat zum Nachweis seiner im Herkunfts- oder Heimatstaat erworbenen Berufsqualifikation, hinsichtlich des Nichtvorliegens von Gewerbeausschlussgründen (§ 13), hinsichtlich seiner für die Ausübung des Gewerbes erforderlichen Sprachkenntnisse und im Falle einer etwa erforderlichen Prüfung der Zuverlässigkeit die Nachweise vorzulegen, wie sie entsprechend dem Gewerbe oder der bestimmten Tätigkeit eines Gewerbes, dessen Ausübung angestrebt wird, in Art. 50 und Anhang VII der Richtlinie 2005/36/EG angeführt sind. Davon ausgenommen sind die Bestimmungen über die vorübergehende grenzüberschreitende Dienstleistung im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit gemäß § 373a. Die zuständige Behörde hat dem Antragsteller den Empfang der vorgelegten Nachweise binnen eines Monats zu bestätigen und diesem gegebenenfalls mitzuteilen, welche Unterlagen fehlen."

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. L 363 vom , S. 141 (im Folgenden: Richtlinie 2005/36/EG) lauten:

" Artikel I

Gegenstand

Diese Richtlinie legt die Vorschriften fest, nach denen ein Mitgliedstaat, der den Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung in seinem Hoheitsgebiet an den Besitz bestimmter Berufsqualifikationen knüpft (im Folgenden 'Aufnahmemitgliedstaat' genannt), für den Zugang zu diesem Beruf und dessen Ausübung die in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten (im Folgenden 'Herkunftsmitgliedstaat' genannt) erworbenen Berufsqualifikationen anerkennt, die ihren Inhaber berechtigen, dort denselben Beruf auszuüben.

KAPITEL II

Anerkennung der Berufserfahrung

Artikel 16

Erfordernisse in Bezug auf die Berufserfahrung Wird in einem Mitgliedstaat die Aufnahme einer der in Anhang IV genannten Tätigkeiten oder ihre Ausübung vom Besitz allgemeiner, kaufmännischer oder fachlicher Kenntnisse und Fertigkeiten abhängig gemacht, so erkennt der betreffende Mitgliedstaat als ausreichenden Nachweis für die Kenntnisse und Fertigkeiten die vorherige Ausübung der betreffenden Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat an. Die Tätigkeit muss gemäß den Artikeln 17, 18 und 19 ausgeübt worden sein.

KAPITEL IV

Gemeinsame Bestimmungen für die Niederlassung

Artikel 50

Unterlagen und Formalitäten

(1) Wenn die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaates in Anwendung der Bestimmungen dieses Titels über einen Antrag auf Zulassung zu einem reglementierten Beruf befinden, können sie die in Anhang VII aufgeführten Unterlagen und Bescheinigungen verlangen.

(2) Die in Anhang VII Nummer 1 Buchstaben d, e und f genannten Bescheinigungen dürfen bei ihrer Vorlage nicht älter als drei Monate sei.

Die Mitgliedstaaten, Stellen und sonstigen juristischen Personen sorgen für die Vertraulichkeit der übermittelten Angaben.

(2) Hat der Aufnahmemitgliedstaat berechtigte Zweifel, so kann er von den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaates eine Bestätigung der Authentizität der in jenem Mitgliedstaat ausgestellten Bescheinigungen und Ausbildungsnachweise sowie gegebenenfalls eine Bestätigung darüber verlangen, dass der Antragsteller für die in Kapitel III genannten Berufe die Mindestanforderungen der Ausbildung erfüllt, die in den Artikeln 24, 25, 28, 31, 34, 35, 38, 40, 44 und 46 verlangt werden.

ANHANG IV

Tätigkeiten in Verbindung mit den in den Artikeln 17, 18

und 19 genannten Kategorien der Berufserfahrung

3

Richtlinie 68/368/EWG

(Liberalisierungsrichtlinie: 68/367/EWG)

ISIC-Systematik

aus ISIC-Hauptgruppe 85


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1.
Restaurations- und Schankgewerbe (ISIC-Gruppe 852)
2.
Beherbergungsgewerbe und Zeltplatzbetriebe (ISIC-Gruppe 853)
ANHANG VII
Unterlagen und Bescheinigungen, die gemäß Artikel 50
Absatz 1 verlangt werden können
1.
Unterlagen
a)
Staatsangehörigkeitsnachweis der betreffenden Person.
b)
Kopie der Befähigungsnachweise oder des Ausbildungsnachweises, der zur Aufnahme des entsprechenden Berufes berechtigt, sowie gegebenenfalls eine Bescheinigung über die von der betreffenden Person erworbene Berufserfahrung.
Ferner können die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaates des Antragstellers auffordern, Informationen zu seiner Ausbildung vorzulegen, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob diese möglicherweise von der im betreffenden Staat geforderten Ausbildung gemäß Art. 14 erheblich abweicht. Ist der Antragsteller nicht in der Lage, diese Informationen vorzulegen, so wenden sich die zuständigen Behörden des Aufnahmestaats an die Kontaktstelle, die zuständige Behörde oder an eine andere einschlägige Stelle des Herkunftsmitgliedstaates.
c)
In den in Artikel 16 genannten Fällen eine Bescheinigung über die Art und die Dauer der Tätigkeit, die von der zuständigen Behörde oder Einrichtung des Herkunftsmitgliedstaates oder des Mitgliedstaates aus dem die Person mit der fremden Staatsangehörigkeit kommt, ausgestellt wird.
…"
Die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. L 376 vom , S. 36-68, ist im Beschwerdefall nicht maßgeblich, da ihrem Art. 3 Abs. 1 lit. d zufolge die Richtlinie 2005/36/EG Vorrang hat und auf die betreffenden Berufe Anwendung findet.
Wie die Begründung des angefochtenen Bescheides (noch) erkennen lässt, geht die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer die im Anhang VII Z. 1 lit. c der Richtlinie 2005/36/EG angeführte Bescheinigung (im Verwaltungsverfahren durch die belangte Behörde immer wieder als "EU-Bescheinigung" bezeichnet) nicht vorgelegt hat. Im Aufforderungsschreiben vom forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer letztmalig unter anderem auf, eine "Bescheinigung gemäß Anhang VII der Richtlinie 2005/36/EG ('EU-Bescheinigung'), ausgestellt von Ministerien van Onderwijs, Cultuur en Wetenschap, Rijnstraat 50, Postbus 16375, 2500 BJ Den Haag" binnen vierwöchiger Frist nachzureichen, bei ungenütztem Verstreichen dieser Frist werde sein Antrag ohne weitere Anhörung abgewiesen. Die Beschwerde bringt nicht vor, diese Aufforderung sei nicht ausreichend klar gewesen, sondern stellt sich auf den Standpunkt, die belangte Behörde hätte die maßgeblichen Befähigungen von Amts wegen ermitteln müssen.
Bei der im Anhang VII Z. 1 lit. c der Richtlinie 2005/36/EG angeführten Bescheinigung handelt es sich um eine Bescheinigung über die Art und die Dauer der Tätigkeit, welche von der zuständigen Behörde oder Einrichtung des Herkunftsmitgliedstaates oder des Mitgliedstaates, aus dem die Person mit der fremden Staatsangehörigkeit kommt, ausgestellt wird.
Daher ist im Beschwerdefall die vom Beschwerdeführer für seinen Standpunkt ins Treffen geführte Bestimmung des Anhang VII Z. 1 lit. b der Richtlinie 2005/36/EG nicht einschlägig, betrifft diese Bestimmung doch die Ausbildung des Antragstellers und nicht die von Art 16 und Anhang VII Z. 1 lit. c der Richtlinie 2005/36/EG erfasste Berufserfahrung.
Nach Art. 16 der Richtlinie 2005/36/EG erkennt der betreffende Mitgliedstaat als ausreichenden Nachweis für die in dieser Bestimmung genannten Kenntnisse und Fertigkeiten die vorherige Ausübung der betreffenden Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat an. Die Bescheinigung nach Anhang VII Z. 1 lit. c dient dem Nachweis der Art und Dauer dieser Tätigkeit.
Eine Bescheinigung nach Anhang VII Z. 1 lit. c der Richtlinie 2005/36/EG kann in den in Art. 16 der Richtlinie 2005/36/EG genannten Fällen gemäß Art. 50 Abs. 1 der Richtlinie 2005/36/EG verlangt werden. Die Richtlinie 2005/36/EG legt damit dem Antragsteller (Beschwerdeführer) die Verpflichtung auf, entsprechende Nachweise über Verlangen der Behörde beizubringen. Eine Pflicht der belangten Behörde, mangels Vorlage einer Bescheinigung nach Anhang VII Z. 1 lit. c der Richtlinie durch den Beschwerdeführer amtswegige Ermittlungen im Herkunftsmitgliedstaat durchzuführen, sieht die Richtlinie 2005/36/EG entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde nicht vor.
Eine derartige Bescheinigung ausgestellt von der zuständigen Behörde oder Einrichtung des Herkunftsmitgliedstaates des Beschwerdeführers (Niederlande) bzw. des Mitgliedstaates, aus dem der Beschwerdeführer kommt bzw. in dem er die betreffende Tätigkeit vorherig ausgeübt hat (Bundesrepublik Deutschland) hat der Beschwerdeführer nach Feststellung der belangten Behörde nicht vorgelegt, was von der Beschwerde nicht konkret bestritten wird.
Da die belangte Behörde daher zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer eine Bescheinigung nach Anhang VII Z. 1 lit. c der Richtlinie 2005/36/EG nicht vorgelegt hat, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am