VwGH vom 11.12.2013, 2012/08/0313
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des R S in Wien, vertreten durch Dr. Fritz Arlamovsky, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 6-8/47, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2012-0566-9-002975, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (AMS) aus, dass der Beschwerdeführer gemäß § 38 iVm § 10 AlVG im Zeitraum bis den Anspruch auf Notstandshilfe verloren habe, weil er die Teilnahme an einer Wiedereingliederungsmaßnahme bei T. verweigert habe. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen lägen nicht vor bzw. könnten nicht berücksichtigt werden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und brachte vor, dass ihm die Zuweisung zu der Maßnahme nachweislich am von der Post hinterlegt worden sei. Am um 14:30 habe er den Brief von der Post abgeholt. Erst zu diesem Zeitpunkt habe er erfahren, dass er um 13:00 Uhr bei T. hätte sein sollen. Unverzüglich habe er sich an das AMS gewandt, und es sei ihm zugesichert worden, dass aus diesem Grund keine Sperre verhängt werde. Hätte er die Zuweisung rechtzeitig erhalten, so hätte er sicherlich an der Maßnahme teilgenommen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
Sie führte aus, dass der Beschwerdeführer mit wenigen Unterbrechungen (insbesondere durch ein Beschäftigungsverhältnis im Jahr 1993) seit Oktober 1987 im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung stehe. In dem zu seiner Person geführten Papierakt sei eine Stellungnahme des AMS vom ersichtlich, wonach er anlässlich seiner Vorsprache an diesem Tag mit der Teilnahme an einem Infotag bei T. am mündlich und schriftlich beauftragt worden sei. Er habe an diesem Tag persönlich beim AMS vorgesprochen, um die Gründe für die Versäumung eines für den vorgeschriebenen Kontrolltermins zu klären. Dieser Termin am hätte unter anderem dazu dienen sollen, mit ihm die Gründe für eine vom AMS ins Auge gefasste Teilnahme an einer Vorbereitungsmaßnahme für die Aufnahme als Transitarbeitskraft beim Sozialökonomischen Betrieb T. zu erörtern. Diese Erörterung sei nun am erfolgt. Die Maßnahme sei mit der langen Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers und seiner offenkundigen Ferne zum ersten Arbeitsmarkt begründet worden, weiters damit, dass sein Bewerbungsverhalten nicht den realen Erfordernissen des Arbeitsmarktes angepasst und seine Einschätzung des eigenen Arbeitsmarktpotentials fraglich und überprüfungswürdig sei. Inhaltlich hätte die Maßnahme der Beseitigung von Vermittlungshindernissen bezüglich der weiteren beruflichen Laufbahn und falschem Bewerbungsverhalten gedient, Ziel der Maßnahme wäre gewesen, den Beschwerdeführer durch die intensive Betreuung in ein Transitdienstverhältnis oder sofort in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Im Zuge der Niederschrift sei der Beschwerdeführer auch nachweislich und ausdrücklich darüber informiert worden, dass die Nichtteilnahme an der Maßnahme ohne triftigen Grund den Verlust des Leistungsanspruchs für zumindest sechs Wochen nach sich ziehe. Der Beschwerdeführer habe die mit ihm aufgenommene Niederschrift nicht unterfertigen wollen, diese zerrissen und in hohem Grade verärgert die Räumlichkeiten des AMS verlassen. Von Seiten des AMS seien ihm das Einladungsschreiben für den sowie die Maßnahmenbelehrung per AMS-Konto und zusätzlich noch per Rsb-Schreiben zugesandt worden.
Die Kursteilnahme sei jedoch nicht zustande gekommen. Am sei der Beschwerdeführer niederschriftlich befragt worden, warum er zur Teilnahme an der Wiedereingliederungsmaßnahme nicht bereit gewesen sei. Er habe dabei auf seine schriftliche Stellungnahme vom verwiesen, wonach die Rechtsstandpunkte strittig seien und die Terminisierung nicht nach Vorschrift rechtzeitig übermittelt worden sei.
Dem Berufungsvorbringen betreffend die Zustellung der Zuweisung hielt die belangte Behörde entgegen, dass dem Beschwerdeführer die Zuweisung bereits am anlässlich seiner persönlichen Vorsprache zur Kenntnis gebracht worden sei. Dabei seien ihm sowohl die Gründe dafür ausführlich erläutert worden als auch eine Rechtsbelehrung für den Fall des ungerechtfertigten Nichtbesuchs erteilt worden.
Der Beschwerdeführer habe es versäumt, zu diesem Termin zu erscheinen, und somit den Erfolg der Maßnahme vereitelt. Damit habe er den Tatbestand des § 10 AlVG erfüllt. Nachsichtsgründe seien nicht vorgelegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 9 Abs. 1, 7 und 8 AlVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 104/2007 lautet:
"(1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle oder einen vom Arbeitsmarktservice beauftragten, die Arbeitsvermittlung im Einklang mit den Vorschriften der §§ 2 bis 7 des Arbeitsmarktförderungsgesetzes (AMFG), BGBl. Nr. 31/1969, durchführenden Dienstleister vermittelte zumutbare Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis als Dienstnehmer im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.
(…)
(7) Als Beschäftigung gilt, unbeschadet der erforderlichen Beurteilung der Zumutbarkeit im Einzelfall, auch ein der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienendes Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Sozialökonomischen Betriebes (SÖB) oder eines Gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes (GBP), soweit dieses den arbeitsrechtlichen Vorschriften und den in den Richtlinien des Verwaltungsrates geregelten Qualitätsstandards entspricht. Im Rahmen dieser Qualitätsstandards ist jedenfalls die gegebenenfalls erforderliche sozialpädagogische Betreuung, die Zielsetzung der mit dem Arbeitsverhältnis verbundenen theoretischen und praktischen Ausbildung sowie im Falle der Arbeitskräfteüberlassung das zulässige Ausmaß überlassungsfreier Zeiten und die Verwendung überlassungsfreier Zeiten zu Ausbildungs- und Betreuungszwecken festzulegen.
(8) Wenn im Zuge von Maßnahmen des Arbeitsmarktservice Arbeitserprobungen stattfinden, so haben diese Arbeitserprobungen den in den Richtlinien des Verwaltungsrates geregelten Qualitätsstandards zu entsprechen. Arbeitserprobungen dürfen nur zur Überprüfung vorhandener oder im Rahmen der Maßnahme erworbener Kenntnisse und Fertigkeiten sowie der Einsatzmöglichkeiten in einem Betrieb eingesetzt werden und eine diesen Zielen angemessene Dauer nicht überschreiten. Bei Maßnahmen zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt hat das Arbeitsmarktservice der arbeitslosen Person die Gründe anzugeben, die eine Teilnahme an einer derartigen Maßnahme als zur Verbesserung der Wiederbeschäftigungschancen notwendig oder nützlich erscheinen lassen, so weit diese nicht auf Grund der vorliegenden Umstände wie insbesondere einer längeren Arbeitslosigkeit in Verbindung mit bestimmten bereits zB im Betreuungsplan (§ 38c AMSG) erörterten Problemlagen, die einer erfolgreichen Arbeitsaufnahme entgegen stehen, als bekannt angenommen werden können. Eine Maßnahme zur Wiedereingliederung kann auch auf die persönliche Unterstützung bei der Arbeitssuche abzielen."
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AlVG verliert eine arbeitslose Person, wenn sie ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Diese Bestimmungen sind auf die Notstandshilfe gemäß § 38 AlVG sinngemäß anwendbar.
Die Bestimmungen des § 9 Abs. 1 und § 10 Abs. 1 AlVG sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszwecks, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, nicht nur eine zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sondern - erforderlichenfalls - auch an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen. Um sich durch die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Teilnahme ausgerichteten aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, den Erfolg der Maßnahme zu vereiteln.
Es steht nicht im freien Belieben des Arbeitsmarktservice, Arbeitslosen (Langzeitarbeitslosen) entweder eine Arbeitsstelle zu vermitteln oder sie zu einer Nach- oder Umschulung oder zu einer Wiedereingliederungsmaßnahme zuzuweisen. Für die Zuweisung zu einer solchen Maßnahme ist vielmehr Voraussetzung, dass die Kenntnisse des Arbeitslosen für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nicht ausreichend sind. Eine Wiedereingliederungsmaßnahme ist nur dann erforderlich und zumutbar iSd § 9 AlVG, wenn sie allein oder gemeinsam mit anderen Maßnahmen im Hinblick auf eine tatsächliche Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt Erfolg versprechend erscheint (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/08/0031, mwN).
Mit BGBl. I Nr. 104/2007 wurde - mit Wirksamkeit vom (§ 79 Abs. 91 AlVG) - die Bestimmung des § 9 Abs. 8 AlVG eingefügt. In den Gesetzesmaterialien (298 BlgNR 23. GP, 9) wird hiezu ausgeführt, Abs. 8 enthalte nähere Regelungen für Maßnahmen zur Wiedereingliederung. In Fällen, in denen die Erforderlichkeit einer Maßnahme zur Wiedereingliederung offenkundig sei, solle die an sich für das Arbeitsmarktservice bestehende Begründungspflicht unmittelbar vor der Zuweisung entfallen können. Daraus ist abzuleiten, dass bei Vorliegen näher geregelter Voraussetzungen eine (ausführlichere) Begründung der Maßnahme vor Zuweisung entfallen und sohin die Begründung der Notwendigkeit oder auch Nützlichkeit der Maßnahme noch im Verwaltungsverfahren nachgeholt werden kann. Ein Ausschluss vom Bezug der Geldleistung setzt aber jedenfalls voraus, dass entsprechende Gründe für die Zuweisung zu einer Maßnahme vorliegen (vgl. zuM Ganzen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/08/0273, mwN).
2. Der Beschwerdeführer rügt, dass sich die belangte Behörde mit seinem im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringen, wonach er das Schriftstück betreffend die Zuweisung zur Maßnahme erst am Tag des Vorstellungstermins beheben habe können und ihn daher kein Verschulden an der Versäumung treffe, nicht auseinandergesetzt habe.
Dies trifft aber nicht zu: Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid festgehalten, dass dem Beschwerdeführer die Zuweisung bereits am anlässlich einer persönlichen Vorsprache zur Kenntnis gebracht worden sei. Dabei seien ihm niederschriftlich zum einen die Gründe dafür ausführlich erläutert worden, zum anderen sei er über die Rechtsfolgen im Fall des ungerechtfertigten Nichtbesuchs belehrt worden. Der Beschwerdeführer habe die Niederschrift nicht unterfertigen wollen, sondern (die ihm ausgefolgte Kopie) zerrissen.
Die genannte, in den vorgelegten Verwaltungsakten liegende Niederschrift bildet - da sie vom Beschwerdeführer nicht unterfertigt wurde und entgegen § 14 Abs. 5 AVG auch ein Hinweis der Verhandlungsleiterin auf die dafür maßgeblichen Gründe unterblieben ist - nicht den vollen Beweis über den Verlauf der Amtshandlung. In freier Beweiswürdigung durfte die belangte Behörde aber davon ausgehen, dass dem Beschwerdeführer, wie in der Niederschrift festgehalten, bereits am die Teilnahme an der Maßnahme am um 13 Uhr aufgetragen wurde und er - insbesondere unter Hinweis auf seine Arbeitslosigkeit seit 1993 und die bisherige Erfolglosigkeit der Qualifizierungsmaßnahmen im vom Beschwerdeführer gewünschten Bereich - über die Gründe dafür sowie über die Rechtsfolgen der Nichtteilnahme informiert wurde. Auch die Beschwerde bestreitet nicht konkret den im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Verlauf des Gesprächs.
Ausgehend davon war der Beschwerdeführer jedenfalls nicht deswegen an der Teilnahme an der Maßnahme gehindert, weil ihm die schriftliche Einladung erst zu spät zugegangen ist.
3. Vor dem unstrittigen Hintergrund, dass trotz jahrelanger Betreuung durch das AMS die Wiedereingliederung des Beschwerdeführers in den ersten Arbeitsmarkt nicht erreicht werden konnte, und angesichts der Inhalte der gegenständlichen Maßnahme bestehen auch keinerlei Bedenken hinsichtlich deren Notwendigkeit, zumal es notorisch ist und keiner näheren Begründung bedarf, dass eine langjährige Absenz vom Arbeitsmarkt den arbeitsplatzbezogenen Einordnungs- und Kommunikationsfähigkeiten eines potentiellen Mitarbeiters in der Regel nicht förderlich ist, was wiederum in den Augen von Arbeitgebern einen Bewerbungsnachteil zur Erlangung eines regulären Dienstverhältnisses am ersten Arbeitsmarkt bei sonst durchaus gleicher Qualifikation darstellen kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0245, mwN).
4. Das Beschwerdevorbringen, wonach eine Sanktion nach § 10 AlVG für ein Verhalten bei einem Termin ausscheide, der (auch) als Kontrolltermin im Sinn des § 49 AlVG vorgeschrieben worden sei, geht ins Leere, weil im Beschwerdefall kein Verhalten bei einem Kontrolltermin, sondern die Vereitelung einer Maßnahme durch Versäumung des Vorstellungstermins zu beurteilen war.
5. Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am