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VwGH vom 14.03.2013, 2012/08/0311

VwGH vom 14.03.2013, 2012/08/0311

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des D F in S, vertreten durch Mag. Christian Schweinzer, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Wiener Straße 3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom , Zl. LGS NÖ/RAG/05661/2012, betreffend Einstellung der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Am beantragte der 1995 geborene Beschwerdeführer Notstandshilfe.

Die regionale Geschäftsstelle ordnete zur Prüfung seiner Arbeitsfähigkeit gemäß § 8 Abs. 2 AlVG eine ärztliche Untersuchung an, die am bei der Pensionsversicherungsanstalt durch einen Facharzt für Psychiatrie und einen Arzt für Allgemein- und Arbeitsmedizin stattfand. Von Letzterem wurde ein "Ärztliches Gesamtgutachten" erstellt, das die Diagnose "leichte Intelligenzminderung mit Verhaltensstörung" enthielt. Unter der Überschrift "Ärztliche Gesamtbeurteilung der Leistungsfähigkeit mit zusätzlicher Stellungnahme im Falle einer vorliegenden Leidenspotenzierung" wurde im Gutachten Folgendes ausgeführt:

"Allgemeinmed. ergeben sich keine wesentlichen körperlichen Einschränkungen. Es bestehen ausgeglichene Herz/Kreislaufverhältnisse.

Psych.: Klinisch/psychiatrisch zeigt sich bei der heutigen Untersuchung ein in der Stimmung euthymer und im Antrieb ausgeglichener, adäquat affizierbarer, leicht affektlabiler PW, dessen Denken völlig unauffällig ist und dessen übrigen noopsychischen Leistungen bis auf leichtgradige Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen, eine konkretistische Auffassung sowie eine leichtgradige Intelligenzminderung intakt sind. Es finden sich keine Hinweise auf pathologischen Erlebnisvollzug. Biorhythmusstörungen bestehen keine. Die Persönlichkeit ist einfach strukturiert. Die auswärtige Diagnose eines Asperger Syndroms ist aus der heutigen Exploration und Außenanamneseerhebung sowie aus der Verhaltensbeobachtung nicht nachvollziehbar. Aufgrund der Verhaltensstörung (agitiert distanzloses Zustandsbild) ist keine Einordenbarkeit gegeben."

Die angeschlossene Stellungnahme des chefärztlichen Dienstes lautete wie folgt:

"Auf Grund des festgestellten Leidenszustandes des Versicherten reicht das Gesamtleistungskalkül für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht aus. Der Versicherte ist jedoch nicht invalid gemäß § 255 (3)."

Laut Aktenlage sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer ohne besonderes Entgegenkommen des Arbeitgebers nie am allgemeinen Arbeitsmarkt arbeitsfähig gewesen sei.

Dieses Ergebnis brachte die regionale Geschäftsstelle dem Beschwerdeführer am zur Kenntnis und erklärte, dass "mit dem heutigen Datum eine Abmeldung vom Arbeitsmarktservice" erfolge. Mit Bescheid vom 21. September stellte sie die Notstandshilfe mit mangels Arbeitsfähigkeit ein, weil der Beschwerdeführer laut "Untersuchung der Gesundheitsstraße" nicht arbeitsfähig sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er wies darauf hin, dass er laut Stellungnahme des chefärztlichen Dienstes der Pensionsversicherungsanstalt nicht invalid gemäß § 255 Abs. 3 ASVG sei. Schon daraus ergebe sich, dass er Anspruch auf eine Leistung der Arbeitslosenversicherung habe. Ein Studium des ärztlichen Gesamtgutachtens ergebe auch keine besonderen Auffälligkeiten. Bemerkenswert erscheine nur, dass der begutachtende Arzt entgegen einer bereits jahrelangen konstanten Einschätzung das Vorliegen eines Asperger Syndroms nicht als gegeben ansehe. Der beigezogene Sachverständige vermeine lediglich, eine Intelligenzminderung und eine Verhaltensstörung wahrzunehmen. Aus dem angeführten "agitiert distanzlosen Zustandsbild" könne die Einordnung in die Kategorie F70.1 (leichte Intelligenzminderung mit Verhaltensstörung) nicht nachvollzogen werden. Es werde auch überhaupt nicht angeführt, worin diese Verhaltensstörung konkret bestehen sollte und welche Konsequenz das angeblich "agitiert distanzlose Zustandsbild" haben könnte. Nichts, was im Gutachten angeführt werde, deute auf eine deutliche Verhaltensstörung hin. Eine derart kurze Befundaufnahme mit dem Beschwerdeführer, wie sie im gegenständlichen Fall durchgeführt worden sei, sei wohl kaum ausreichend, um den psychischen Status zu erheben. Der Sachverständige habe nicht einmal den seit Jahren wiederholt und mit mehrfachen Überprüfungen als belegt anzusehenden Asperger Autismus wahrgenommen. In der Stellungnahme des chefärztlichen Dienstes werde überhaupt keine Begründung dafür geliefert, warum die dort angenommene leichte Intelligenzminderung und Verhaltensstörung dazu führe, dass keine Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeführt werden könnten. Dies stehe auch im Widerspruch zur Aussage, dass keine Invalidität vorliege. Außerdem würden die Vorkommnisse während der Befragungen durch die Ärzte unvollständig wiedergegeben. Es werde daher die mündliche Erörterung der abgegebenen Stellungnahmen bzw. Gutachten beantragt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge.

Nach Darstellung des Verfahrensgangs und der Rechtslage führte sie aus, dass das im Rahmen der "Gesundheitsstraße" von der Pensionsversicherungsanstalt erstellte ärztliche Gesamtgutachten gemäß § 8 Abs. 3 AlVG für das Arbeitsmarktservice zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers bindend sei. Die ärztliche Gesamtbeurteilung seiner Leistungsfähigkeit habe ergeben, dass auf Grund der Verhaltensstörung bei Intelligenzminderung keine Einordenbarkeit gegeben sei und dem Beschwerdeführer geregelte Tätigkeiten nicht zuzumuten seien. Laut Stellungnahme des chefärztlichen Dienstes der Pensionsversicherungsanstalt reiche das Gesamtleistungskalkül des Beschwerdeführers für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht aus, und er sei als erwerbsunfähig zu betrachten, wobei festgehalten worden sei, dass er ohne besonderes Entgegenkommen des Arbeitgebers nie am allgemeinen Arbeitsmarkt arbeitsfähig gewesen sei.

Die belangte Behörde sei daher zur Überzeugung gelangt, dass der Beschwerdeführer, der 1995 geboren sei und dem daher auf Grund seines Alters Beitragsmonate fehlten, den Gutachten folgend weder gemäß § 255 Abs. 7 ASVG noch gemäß § 255 Abs. 3 ASVG als invalid gelte, dies jedoch nicht ausschließe, dass er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als nicht arbeitsfähig im Sinn des § 8 Abs. 1 AlVG anzusehen sei. Eine wesentliche Verbesserung des Gesundheitszustandes sei vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden, sondern er habe lediglich ausgeführt, dass die (Privat )Gutachten ein Asperger-Syndrom festgestellt hätten, und einen Widerspruch in der chefärztlichen Stellungnahme behauptet. Für das Arbeitsmarktservice sei jedoch das Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt bindend, weshalb die erstinstanzliche Entscheidung zu Recht erfolgt sei. Eine mündliche Erörterung der abgegebenen Gutachten sei nicht erforderlich, eine andere Entscheidung könnte dadurch nicht herbeigeführt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, sie mangels Vorliegens eines Bescheides zurückzuweisen, in eventu den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bringt - wie schon in seiner Berufung - vor, bei der Erledigung der regionalen Geschäftsstelle vom handle es sich um keinen Bescheid, weil er weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung und auch keine Amtssignatur aufweise. Auch sei die bescheiderlassende Behörde nicht zu erkennen. Nach § 47 Abs. 1 letzter Satz AlVG bedürften zwar Ausfertigungen, die im Wege der automationsunterstützten Datenverarbeitung erstellt worden seien, weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung. Die Erledigung vom enthalte aber keinen Hinweis auf den Einsatz automationsunterstützter Datenverarbeitung.

Dem ist zu entgegnen, dass sich dem Bescheid zum einen die bescheiderlassende Behörde (noch) mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lässt, weil die regionale Geschäftsstelle S in der Kopfleiste genannt wird und der Bescheid "für den Leiter" gefertigt wurde. Zum anderen besteht im Hinblick auf die Angabe einer DVR-Nummer in Verbindung mit der Art und Form des Ausdrucks kein Zweifel daran, dass der Bescheid im Weg der automationsunterstützten Datenverarbeitung erstellt wurde, sodass die Formerleichterung des § 47 Abs. 1 letzter Satz AlVG anwendbar war (vgl. zur Erledigungserstellung mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung im Sinn des - eine ebensolche Erleichterung enthaltenden - § 18 Abs. 4 AVG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 10/2004 etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 98/03/0273, und vom , Zl. 2002/10/0232, jeweils mwN).

2. Weiter rügt die Beschwerde zum einen, dass auch dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden könne, welche Behörde ihn erlassen habe, und zum anderen, dass auf Grund der Fertigung "für den Landesgeschäftsführer" eine unzuständige Behörde entschieden habe.

Der Spruch des angefochtenen Bescheides lautet (auszugsweise): "Das Arbeitsmarktservice Niederösterreich, Landesgeschäftsstelle, hat in seinem Ausschuss für Leistungsangelegenheiten der rechtzeitig eingebrachten Berufung … keine Folge gegeben". Der Bescheid ist "Für den Landesgeschäftsführer" von einer Abteilungsleiterin gefertigt.

Der angefochtene Bescheid enthält den gebotenen Hinweis darauf, dass er auf einem Beschluss des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten (§ 56 Abs. 4 AlVG) beruht. Die Fertigung des auf einem Beschluss des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten beruhenden Berufungsbescheides durch den Landesgeschäftsführer (oder einen von ihm dazu Ermächtigten) entspricht der Rechtslage (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0013, mwN).

Da der angefochtene Bescheid somit einerseits die Zurechnung der Entscheidung zu dem Kollegium (dessen Willensbildung ihr zu Grunde liegt) und andererseits die Zurechnung zur Landesgeschäftsstelle (als deren Leiter dem Landesgeschäftsführer die Genehmigung der Urschrift zunächst obliegt) erlaubt, bestehen gegen den angefochtenen Bescheid weder im Hinblick auf die Erkennbarkeit der bescheiderlassenden Behörde noch unter dem Gesichtspunkt der Zuständigkeit der belangten Behörde Bedenken (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/08/0536, mwN).

3. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer (u.a.) der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Gemäß § 7 Abs. 2 AlVG steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf und arbeitsfähig, arbeitswillig und arbeitslos ist.

Gemäß § 8 Abs. 1 AlVG ist arbeitsfähig, wer nicht invalid bzw. nicht berufsunfähig im Sinne der für ihn in Betracht kommenden Vorschriften der §§ 255, 273 bzw. 280 ASVG ist.

Als invalid gilt der Versicherte gemäß dem - auf ungelernte Arbeiter wie den Beschwerdeführer anwendbaren - § 255 Abs. 3 ASVG, wenn er infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes nicht mehr imstande ist, durch eine Tätigkeit, die auf dem Arbeitsmarkt noch bewertet wird und die ihm unter billiger Berücksichtigung der von ihm ausgeübten Tätigkeiten zugemutet werden kann, wenigstens die Hälfte des Entgeltes zu erwerben, das ein körperlich und geistig gesunder Versicherter regelmäßig durch eine solche Tätigkeit zu erzielen pflegt. Gemäß § 255 Abs. 7 ASVG gilt der Versicherte auch dann als invalid im Sinne der Abs. 1 bis 4, wenn er bereits vor der erstmaligen Aufnahme einer die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigung infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte außer Stande war, einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen, dennoch aber mindestens 120 Beitragsmonate der Pflichtversicherung nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz erworben hat.

Nach § 8 Abs. 2 AlVG ist der Arbeitslose, wenn sich Zweifel über die Arbeitsfähigkeit ergeben, verpflichtet, sich auf Anordnung der regionalen Geschäftsstelle ärztlich untersuchen zu lassen.

Gemäß § 8 Abs. 3 AlVG (idF BGBl. I Nr. 62/2010) sind ärztliche Gutachten von Personen zur Beurteilung ihrer Arbeitsfähigkeit, die im Wege der Pensionsversicherungsanstalt nach § 351b ASVG erstellt werden, vom Arbeitsmarktservice anzuerkennen und dessen weiterer Tätigkeit zu Grunde zu legen.

Gemäß § 24 AlVG ist das Arbeitslosengeld einzustellen, wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegfällt.

Nach § 38 AlVG sind diese Bestimmungen auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

4. Aufgabe der ärztlichen Begutachtung nach § 8 Abs. 2 AlVG ist es, den Befund und die Diagnose zu erstellen, um zu beurteilen, welche Verrichtungen der körperlichen und geistigen Verfassung des Arbeitslosen entsprechen. Die Wertung dieses Sachverständigenbeweises ist - innerhalb der Grenzen der freien Beweiswürdigung - der Behörde anheimgestellt. Die Beurteilung, ob - ausgehend vom Gutachten des Sachverständigen - Arbeitsfähigkeit gegeben ist, obliegt der Behörde (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0265, mit Hinweisen auf Pfeil, Arbeitslosenversicherungsrecht3 § 8 Anm. 4.2, und Sonntag in Sonntag , ASVG3 § 255 Rz 16 ff).

Im Beschwerdefall wurde im ärztlichen Sachverständigengutachten eine "leichte Intelligenzminderung mit Verhaltensstörung" diagnostiziert. Weder daraus noch aus dem Hinweis auf ein "agitiert distanzloses Zustandsbild" folgt schon eine solche "mangelnde Einordenbarkeit", dass der Beschwerdeführer keine auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch bewerteten Tätigkeiten erbringen kann. Die von der belangten Behörde übernommene Einschätzung des chefärztlichen Dienstes der Pensionsversicherungsanstalt, wonach das Gesamtleistungskalkül des Beschwerdeführers für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht ausreiche, ist somit nicht schlüssig aus dem ärztlichen Gesamtgutachten, das überhaupt kein "Leistungskalkül" enthält, ableitbar. Für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers wäre es erforderlich gewesen, zum einen die Verhaltensstörung näher zu beschreiben und zum anderen darzulegen, inwieweit sie jegliche auf dem Arbeitsmarkt angebotene und dem Beschwerdeführer zumutbare Tätigkeit hindert oder solche Tätigkeiten - wenn auch mit Einschränkungen - noch zulässt. Die belangte Behörde hätte entsprechende Ergänzungen des ärztlichen Gutachtens einholen müssen und sodann - allenfalls nach Befassung eines berufskundlichen Sachverständigen - die Rechtsfrage des Vorliegens von Arbeitsfähigkeit im Sinn des § 8 Abs. 1 AlVG iVm § 255 Abs. 3 ASVG zu klären gehabt.

Daran vermag auch die Anordnung des § 8 Abs. 3 AlVG, wonach ein gemäß § 351b ASVG im Wege der Pensionsversicherungsanstalt erstelltes ärztliches Gutachten vom Arbeitsmarktservice "anzuerkennen" und dessen weiterer Tätigkeit zu Grunde zu legen ist, nichts zu ändern. Diese Bestimmung enthebt die Behörde nicht von ihrer Verpflichtung, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und die maßgeblichen Rechtsfragen selbst zu beurteilen. Dass die Gutachten der Ärzte der Pensionsversicherungsanstalt für das Arbeitsmarktservice "bindend" sind, wie die belangte Behörde meint, lässt sich - ungeachtet eines entsprechenden Hinweises in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (785 BlgNR 24. GP, 8) - dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen und kann schon wegen der fehlenden Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Gutachten auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht angenommen werden. Aus § 8 Abs. 3 AlVG ergibt sich nur, dass die ärztliche Begutachtung im Hinblick auf das Vorliegen von Invalidität bzw. Berufsunfähigkeit - das für den Pensionsanspruch positive und für den Arbeitslosengeld- bzw. Notstandshilfeanspruch negative Voraussetzung ist - grundsätzlich nur bei einer Stelle - nämlich der Pensionsversicherungsanstalt - erfolgen soll, das Arbeitsmarktservice also jedenfalls dann, wenn ein aktuelles Gutachten von Ärzten der Pensionsversicherungsanstalt bereits vorliegt, zunächst dieses heranzuziehen und kein neues Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben hat. Sollte das Gutachten aber - wie im Beschwerdefall - Unschlüssigkeiten oder Unvollständigkeiten aufweisen, so hat das Arbeitsmarktservice zur Schaffung einer einwandfreien Entscheidungsgrundlage Ergänzungen einzuholen oder weitere Sachverständige zu befassen.

5. Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage die - der Sache nach bereits in der Berufung aufgezeigten - Mängel des ärztlichen Gutachtens nicht aufgegriffen und die erforderliche Beurteilung nicht vorgenommen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren betreffend die Kosten der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung war abzuweisen, weil ein Ersatz derartiger Aufwendungen in den genannten Rechtsvorschriften nicht vorgesehen ist.

Wien, am