Suchen Hilfe
VwGH vom 21.12.2012, 2010/03/0198

VwGH vom 21.12.2012, 2010/03/0198

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des M O in W, vertreten durch Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion (nunmehr: Landespolizeidirektion) Wien vom , Zl E1/364.976/2010, betreffend Abweisung eines Antrags auf Ausstellung eines Waffenpasses, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Hinsichtlich der Vorgeschichte des Beschwerdefalls wird auf das hg Erkenntnis vom , 2007/03/0088, 0089, verwiesen. Mit diesem hat der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Bescheide der belangten Behörde vom , mit denen ihm wegen eines Vorfalls vom (iW: Abhandenkommen der in der Trafik verwahrten Schusswaffe) der Waffenpass bzw die Waffenbesitzkarte entzogen worden waren, als unbegründet abgewiesen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nun angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom auf Ausstellung eines Waffenpasses gemäß § 21 Abs 2 iVm § 8 Abs 1 WaffG ab.

Nach einer Wiedergabe des bisherigen Verfahrensgangs führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dem Beschwerdeführer fehle - nach wie vor - die für die Erlangung eines Waffenpasses erforderliche Verlässlichkeit, weil seit dem die Grundlage für die seinerzeitige Entziehung bildenden Vorfall aus dem Jahr 2006 erst ein Zeitraum von etwas mehr als vier Jahren und fünf Monaten verstrichen sei. Zwar habe der Beschwerdeführer der Aktenlage nach seit dem seinerzeitigen Vorfall kein waffenrechtlich relevantes Fehlverhalten gesetzt bzw zu verantworten, trotzdem sei der seit dem Vorfallszeitpunkt verstrichene Zeitraum noch nicht ausreichend, um eine günstige Prognose im Sinne des § 8 Abs 1 WaffG erstellen zu können. Die belangte Behörde führte dazu Folgendes aus:

"(Der Beschwerdeführer) hatte nämlich durch den Vorfall im Jahr 2006 augenscheinlich dargelegt, dass er - selbst unter der neuerlichen Annahme, dass es sich bei der von ihm behaupteten Darstellung des Verlustes seiner Schusswaffe nicht um eine bloße Schutzbehauptung handelte (und die Waffe auf eine ganz andere, vom (Beschwerdeführer) nicht geschilderte Art, abhanden gekommen ist) -

eine aus den diesfalls von ihm dargelegten konkreten Umständen extrem sorgfaltswidrige Verwahrungsart gewählt hatte, indem er unberechtigten Dritten ein ungehindertes Betreten des Büroraums, das an sich Bringen eines Safeschlüssels und dadurch den Diebstahl seiner Schusswaffe besonders leichtfertig ermöglicht hatte.

Selbst wenn man zugunsten des (Beschwerdeführers), obwohl dies gar nicht konkret behauptet wurde oder ersichtlich ist, davon ausgehen möge, dass er mittlerweile - entgegen seiner ursprünglichen uneinsichtigen Auffassung im Waffendokumenteentziehungsverfahren - sein der geforderten Sorgfaltspflicht bei weitem nicht genügendes Verhalten eingesehen und der seinerzeitige Entzug seiner waffenrechtlichen Urkunden eine gewisse spezialpräventive Wirkung für den (Beschwerdeführer) erfüllt hat, so ist unter Bedachtnahme auf den dargestellten besonders streng anzulegenden Maßstab bei der Ausstellung von waffenrechtlichen Urkunden der seit dem Vorfall verstrichene Zeitraum zu kurz, um davon ausgehen zu können, dass der (Beschwerdeführer) seine in Bezug auf Waffen durch Leichtsinn und Unbesonnenheit geprägte Gesamtpersönlichkeit seither geändert, sein fehlendes Verantwortungsbewusstsein abgelegt hätte und zum gegenwärtigen Zeitpunkt auszuschließen ist, dass er im Falle des (durch die Erlangung eines Waffenpasses ermöglichten) Mitführens einer Waffe nicht neuerlich ein den jeweiligen konkreten Umstände nicht situativ angepasstes Verhalten bezüglich der sicheren Verwahrung seiner Schusswaffen setzen könnte, wodurch neuerlich unberechtigte Dritte in den Besitz seiner Waffe(n) gelangen könnten.

An dieser Einschätzung ändert auch das vom (Beschwerdeführer) beigebrachte 'psychologische Gutachten vom ' - worin dem (Beschwerdeführer) ohnedies nur aus psychologischer Sicht bescheinigt wird, dass er derzeit nicht dazu neige, mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden - etwas. Ist die Frage einer mangelnden Verlässlichkeit bzw. einer auf Grund des Verstreichens eines gewissen Zeitraumes (wieder) gegebenen Verlässlichkeit im Sinn des § 8 Abs 1 Waffengesetz wegen der befürchteten Annahme, er könnte Waffen (neuerlich) nicht sorgfältig verwahren, eine Rechtsfrage, die nicht von einem Psychologen, sondern von der Waffenbehörde zu beurteilen ist.

Es wird daher noch eine gewisse Zeit des Wohlverhaltens des (Beschwerdeführers) bedürfen, um wiederum von einer waffenrechtlichen Verlässlichkeit des (Beschwerdeführers) ausgehen zu können."

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in dem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 8 Abs 1 WaffG ist ein Mensch verlässlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird (Z 1), mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird (Z 2), oder Waffen Menschen überlassen wird, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt sind (Z 3).

2. Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer wegen des zur Entziehung führenden Vorfalls vom (hinsichtlich dessen näherer Einzelheiten auf das zitierte Erkenntnis 2007/03/0088, 0089 verwiesen wird) als nach wie vor unverlässlich beurteilt.

Sie hat dabei insofern zutreffend erkannt, dass im Fall einer in der Vergangenheit liegenden Tatsache im Sinne des § 8 Abs 1 WaffG (aus der im Entziehungsverfahren das Fehlen der waffenrechtlichen Verlässlichkeit abgeleitet wurde) bei der im Fall einer (neuerlichen) Antragstellung auf Ausstellung einer waffenrechtlichen Urkunde vorzunehmenden Prognoseentscheidung auch zu beachten ist, wie sich der Betreffende seither verhalten hat.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass das Verstreichen eines Zeitraums von fünf Jahren regelmäßig als wesentliche Änderung des für die Beurteilung der Verlässlichkeit maßgeblichen Sachverhalts anzusehen ist (vgl das hg Erkenntnis vom , 2009/03/0019, mwN).

Daraus ist aber weder der Schluss zu ziehen, dass nach Verstreichen eines solchen Zeitraums der Betroffene jedenfalls, also unabhängig und ohne Bedachtnahme auf die näheren Umstände des seinerzeitigen, Anlass für die Entziehung gebenden Vorfalls, wieder als verlässlich anzusehen ist, noch dass es stets des Verstreichens eines Zeitraums von fünf Jahren bedürfte, um den Betroffenen wieder als verlässlich ansehen zu können.

4. Vor diesem Hintergrund kann auf Basis der Aktenlage die Auffassung der belangten Behörde, es bedürfe ungeachtet des Umstands, dass der seinerzeitige Anlassfall mehr als vier Jahre und fünf Monate zurückliegt, wobei vom Beschwerdeführer seither kein "waffenrechtlich relevantes Fehlverhalten gesetzt" wurde und ihm in einem psychologischen Gutachten vom bescheinigt wird, er neige derzeit nicht dazu, mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden, noch weiterhin "eine gewisse Zeit des Wohlverhaltens", um wiederum von einer waffenrechtlichen Verlässlichkeit ausgehen zu können, nicht geteilt werden.

Bei dieser Beurteilung fällt entscheidend ins Gewicht, dass es sich (anderes hat die belangte Behörde nicht festgestellt) beim Anlassfall um einen einmaligen Vorfall handelte, wobei das Verhalten des Beschwerdeführers, der als Inhaber einer Trafik Opfer eines Trickdiebstahls wurde, weil es einem unbekannt Gebliebenen gelungen war, nicht nur Geld aus der Kassenlade, sondern auch eine Faustfeuerwaffe aus einem Safe im Büroraum zu entwenden, zwar als Außerachtlassung der in der gegebenen Situation erforderlichen besonderen Sorgfalt zu beurteilen war, aber nicht, wie die belangte Behörde meinte ("extrem sorgfaltswidrige Verwahrungsart", "besonders leichtfertig") als grob fahrlässig. Für die pauschale Beurteilung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer weise eine "in Bezug auf Waffen durch Leichtsinn und Unbesonnenheit geprägte Gesamtpersönlichkeit" auf, fehlt daher eine aktenmäßige Grundlage.

Auf Basis der getroffenen Feststellungen kann daher die Auffassung der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer fehle die Verlässlichkeit, nicht geteilt werden.

5. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
VAAAE-71836