VwGH vom 27.01.2010, 2007/21/0115
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des K, vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom , Zl. Fr-4250b-163/05, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, der sich selbst als "serbisch-montenegrinischen" Staatsangehörigen bezeichnet, gemäß §§ 53 Abs. 1 und 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe seit 1981 in der Schweiz gelebt. Er sei noch nie im Besitz einer Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung, die ihn zum längerfristigen Aufenthalt in Österreich berechtigt hätte, gewesen. Am habe er im Ausland die "serbischmontenegrinische" Staatsangehörige S geheiratet. Zuletzt sei er im Besitz eines Schweizer Aufenthaltstitels mit einer Gültigkeit von bis gewesen. Lediglich in der Zeit von bis habe ihm ein Ausflugsschein (iSd Art. 3 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über den Grenzübertritt von Personen im Kleinen Grenzverkehr) den rechtmäßigen Aufenthalt in der österreichischen Grenzzone ermöglicht. Seit Ablauf der Gültigkeit dieses Ausflugsscheines halte sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig in Österreich auf.
Bereits am hätte der Beschwerdeführer die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung bei der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn beantragt. Dieser Antrag sei jedoch abgewiesen worden, wogegen der Beschwerdeführer Berufung erhoben habe. Im Zeitpunkt der Erlassung des hier gegenständlichen Bescheides sei das Berufungsverfahren beim Bundesminister für Inneres noch anhängig.
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, "aus" seinem Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ergebe sich nach Art. 8 EMRK ein Aufenthaltsrecht, sei - so die belangte Behörde weiter - entgegenzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer seit Ende März 2005 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Weiters sei die Ehe des Beschwerdeführers erst vor kurzer Zeit geschlossen worden. Beide Fremde hätten bis zu ihrer Heirat getrennt, nämlich der Beschwerdeführer in der Schweiz und seine Ehefrau in Österreich, gelebt. Das gemeinsame Kind sei erst vor kurzem geboren worden. Im gegenständlichen Fall sei der Familiennachzug (gemeint: nach Österreich) nicht das einzig adäquate Mittel für die Etablierung des gemeinsamen Familienlebens. Es seien im Verfahren auch keine Umstände aufgezeigt worden, die gegen ein gemeinsames Familienleben im früheren Wohnort des Beschwerdeführers in der Schweiz oder in seiner Heimat "Serbien-Montenegro" sprächen. Aus Art. 8 EMRK könne der Beschwerdeführer somit kein Recht auf Zuwanderung ableiten. Es werde sohin unter Berücksichtigung des § 66 FPG von der Möglichkeit der Ausweisung zum Schutz des öffentlichen Interesses an einem geregelten und kontrollierten Zuzug und Aufenthalt von Fremden Gebrauch gemacht. Dieses Interesse würde unterwandert werden, wenn Fremde, die sich unrechtmäßig in Österreich aufhalten, ihren weiteren Aufenthalt durch Weigerung, den gesetzeskonformen Zustand durch freiwillige Ausreise herzustellen, erzwingen könnten. Darüber hinaus habe sich der Beschwerdeführer während des unrechtmäßigen Aufenthalts in Österreich nicht wohlverhalten. Er sei nämlich mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichts Dornbirn vom wegen versuchten Diebstahls zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt worden, weil er am in Dornbirn versucht habe, in einem Metromarkt zwei Flaschen Cognac im Gesamtwert von EUR 213,60,-- zu stehlen.
Weiters führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer lebe mit seiner Ehefrau erst seit relativ kurzer Zeit in Österreich zusammen. Er gehe in Österreich keiner Beschäftigung nach und sei auch nicht berechtigt, eine solche auszuüben. Der auf Grund eines Ausflugsscheins für bloß kurze Zeit rechtmäßige Aufenthalt von einer Woche sowie die mangelnde berufliche Integration ließen seine gesamte Integration in Österreich als gering "einschätzen". Dass der Beschwerdeführer über gute Deutschkenntnisse verfüge, könne daran nichts ändern. Die Ausweisung stelle zwar auf Grund des Umstandes, dass seine Ehefrau und sein Kind in Österreich lebten, einen "gewissen Eingriff in das Privat- und Familienleben" dar, jedoch sei dieser Eingriff auf Grund der durch den unrechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers hervorgerufenen Störung der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK ein sehr hoher Stellenwert zu. Dieses Interesse habe der Fremde durch den seit bestehenden unrechtmäßigen Aufenthalt erheblich beeinträchtigt. In Anbetracht dessen, dass sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abgewiesen worden sei und er auch ein "Gerichtsdelikt" begangen habe, seien seine privaten und familiären Interessen am weiteren Verbleib in Österreich noch nicht so stark ausgeprägt, dass sie die besagten öffentlichen Interessen überwiegen würden, zumal der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Eheschließung gewusst habe, dass er in Österreich über keinen Aufenthaltstitel verfüge.
Der Beschwerdeführer habe auch nicht behauptet, dass der gemeinsamen Ausreise der Familie ein unüberwindliches Hindernis entgegenstünde. Die Familieneinheit könne sohin auch "durch eine gemeinsame Ausreise", wie etwa in die Schweiz, wo der Beschwerdeführer jahrelang gelebt habe, oder in sein Heimatland "Serbien-Montenegro", aufrechterhalten werden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 847/06-8, ablehnte, und anschließend die Beschwerde über gesonderten Antrag des Beschwerdeführers dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Dieser hat nach Ergänzung der Beschwerde sowie Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Vorweg ist anzumerken, dass bei Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Rechtslage des FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 157/2006 heranzuziehen ist.
Die belangte Behörde stützte die von ihr erlassene Ausweisung auf § 53 Abs. 1 FPG. Nach dieser Bestimmung können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Der Beschwerdeführer behauptet nun nicht, dass einer der Tatbestände des § 31 Abs. 1 FPG, nach dem sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, erfüllt wäre. Soweit der Beschwerdeführer mit der Bestimmung des Art. 8 EMRK argumentiert, ist darauf hinzuweisen, dass sich aus dieser Bestimmung unter Umständen zwar ausnahmsweise ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ableiten ließe, aber selbst das Bestehen eines solchen Anspruches für sich allein genommen noch nicht zum rechtmäßigen Aufenthalt im Sinne des § 31 Abs. 1 FPG führt. In Anbetracht dessen hegt der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken an der behördlichen Beurteilung, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht rechtmäßig.
Wie im Folgenden zu zeigen ist, steht im vorliegenden Fall aber auch § 66 FPG - und sohin auch Art. 8 EMRK - der Erlassung der Ausweisung nicht entgegen.
Gemäß § 66 Abs. 1 FPG ist die Ausweisung, würde durch sie in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, (nur dann) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Ausweisung im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten ist, ist eine gewichtende Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen mit dem persönlichen Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0317).
Der Beschwerdeführer bringt dazu vor, er lebe und arbeite seit seinem neunten Lebensjahr und somit seit über 25 Jahren im deutschen Sprachraum. Er spreche perfekt Deutsch und seine Ehefrau, die am das gemeinsame Kind geboren habe, lebe in Österreich. Seine Ehefrau sei in Österreich geboren; ihre gesamte Familie lebe hier. Sie selbst habe immer im deutschen Sprachraum gelebt und gearbeitet. Mittlerweile, nämlich am , sei seiner Ehefrau und dem gemeinsamen Kind die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden. Die Ausreise sei sowohl dem Beschwerdeführer als auch seiner Familie unzumutbar. Es sei gesetzwidrig, wenn die belangte Behörde ohne auf die konkrete Situation einzugehen, festhalte, dass der Kontakt auch durch gemeinsame Besuche in der Schweiz aufrechterhalten werden könne.
Zu diesem Vorbringen ist zunächst festzuhalten, dass nach dem Beschwerdevorbringen die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an die Ehefrau und an das gemeinsame Kind am erfolgte. Sohin handelt es sich bei diesem Vorbringen, das auf ein Ereignis Bezug nimmt, das nach Erlassung des angefochtenen Bescheides eingetreten ist, um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung.
Die aufrechte Ehe sowie die Geburt des gemeinsamen Kindes hat die belangte Behörde bei ihrer Abwägung berücksichtigt. Zutreffend verwies sie allerdings darauf, dass der Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers - von der kurzfristigen Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts infolge eines Ausflugsscheines abgesehen - während des nahezu gesamten Zeitraums als unsicher anzusehen war. Der Beschwerdeführer, der kurz nach Eheschließung in das Bundesgebiet einreiste, durfte nicht begründet damit rechnen, er dürfe rechtmäßig im Bundesgebiet bleiben.
Ebenso durfte die belangte Behörde bei ihrer Beurteilung berücksichtigen, dass dem Beschwerdeführer nicht nur ein Verstoß gegen fremdenrechtliche Vorschriften, sondern auch ein gegen fremden Eigentum gerichtetes Fehlverhalten zur Last zu legen ist. Es trifft auch die von der belangten Behörde geäußerte Ansicht zu, dass der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert beizumessen ist (vgl. aus jüngerer Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0306).
Soweit der Beschwerdeführer noch behauptet, die Ausreise sei ihm und seiner Familie unzumutbar, ist er darauf hinzuweisen, dass zum einen Derartiges im Verwaltungsverfahren nie vorgebracht wurde, und zum anderen nicht näher konkretisiert wird, weshalb dies der Fall sein sollte. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang darauf abstellt, seine Ehefrau sei nunmehr Österreicherin, so handelt es sich dabei - wie bereits oben ausgeführt - um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung. Selbst wenn dies zu berücksichtigen wäre, stünde dieser Umstand allein einem Aufenthalt der Ehefrau und dem gemeinsamen Kind in der Schweiz nicht entgegen, zumal österreichische Staatsbürger in der Schweiz grundsätzlich Niederlassungsfreiheit genießen (vgl. das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit samt Anhängen und Schlussakte, BGBl. III Nr. 133/2002).
Ausgehend von den genannten Umständen vermögen somit die weitwendigen Ausführungen des Beschwerdeführers, der sich in diesem Zusammenhang auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen, die aber auf den vorliegenden Fall entweder nicht anwendbar sind oder zu keinem anderen Ergebnis führen, beruft, nicht aufzuzeigen, dass die behördliche Abwägung rechtswidrig wäre. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein derart ausgeprägtes persönliches Interesse des Beschwerdeführers vorhanden wäre, so dass akzeptiert werden müsste, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten (unrechtmäßiger Verbleib im Bundesgebiet nach Ablauf der Gültigkeit des für ihn ausgestellten Ausflugsscheines) im Ergebnis versucht, vollendete Tatsachen zu schaffen.
Soweit sich der Beschwerdeführer auf die Richtlinie 2003/109/EG beruft, so ist ihm entgegenzuhalten, dass sich diese im vorliegenden Fall infolge des ständigen Aufenthalts seiner Ehefrau in Österreich seit 1986 als nicht einschlägig erweist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0774).
Wenn der Beschwerdeführer darüber hinaus auch noch die Richtlinie 2003/86/EG ins Treffen führt und davon ausgeht, ein Formverstoß bei der Einreise dürfe "nicht das Aufenthaltsrecht vernichten", so übersieht er, dass Art. 5 Abs. 3 dieser Richtlinie festlegt, dass Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Rahmen der Familienzusammenführung grundsätzlich vor der Einreise gestellt werden müssen, und nach Art. 16 der genannten Richtlinie im Falle der Nichterfüllung der in der Richtlinie vorgesehenen Kriterien die Abweisung des Antrages zulässig ist.
Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Aufwandersatz war dem Bund mangels eines von der belangten Behörde darauf gerichteten Antrages nicht zuzusprechen.
Wien, am
Fundstelle(n):
BAAAE-71834