VwGH vom 17.03.2011, 2010/03/0195

VwGH vom 17.03.2011, 2010/03/0195

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des M P in W, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl UVS- 04/G/35/6153/2010-1, betreffend Übertretung des Gelegenheitsverkehrsgesetzes (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe als Gewerbetreibender ein nach Kennzeichen näher umschriebenes Kraftfahrzeug einem Lenker, nämlich C Y, am an einem näher bezeichneten Tatort überlassen und im Fahrdienst verwendet, obwohl der Lenker nicht Inhaber eines Ausweises gemäß § 4 der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr gewesen sei.

Der Beschwerdeführer habe dadurch gegen § 4 Abs 2 der genannten Betriebsordnung iVm § 15 Abs 1 Z 5 Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996 (idF BGBl I Nr 24/2006) verstoßen und es wurde über ihn eine Geldstrafe von EUR 720,-- (36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, allenfalls wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten unter Verzicht auf eine Gegenschrift vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde macht unter anderem geltend, die belangte Behörde habe es verabsäumt, eine mündliche Berufungsverhandlung durchzuführen. Diese wäre unumgänglich notwendig gewesen, weil die Voraussetzungen für die Abstandnahme davon keineswegs vorgelegen hätten. Auf Grund der Nichtdurchführung der Berufungsverhandlung sei es dazu gekommen, dass das Verhalten des Beschwerdeführers keiner Gesamtbetrachtung unterzogen worden sei und die belangte Behörde widersprüchliche Feststellungen getroffen habe.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde einen wesentlichen Verfahrensmangel auf.

Gemäß § 51e Abs 1 VStG hat der unabhängige Verwaltungssenat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Nach Abs 3 dieser Gesetzesbestimmung kann der unabhängige Verwaltungssenat von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn

1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder 2. sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder 3. im angefochtenen Bescheid eine EUR 500,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder 4. sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat.

Nach der ständigen hg Rechtsprechung hat selbst in jenen Fällen, in denen einer der Gründe des § 51e Abs 3 VStG gegeben ist, in verfassungskonformer Anwendung dieser Norm unter dem Blickwinkel des Art 6 EMRK jedenfalls eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn die Parteien nicht darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. War der Beschuldigte aber nicht rechtsfreundlich vertreten, so kann das Unterbleiben eines Antrags auf Durchführung einer Berufungsverhandlung jedenfalls dann nicht als konkludenter Verzicht auf eine solche gedeutet werden, wenn der Beschuldigte nicht in Kenntnis des Rechtes auf eine Berufungsverhandlung war (vgl dazu etwa die hg Erkenntnisse vom , Zl 2003/03/0014, vom , Zl 2006/09/0110, vom , Zl 2005/17/0178, und vom , Zl 2010/10/0168).

Im vorliegenden Fall hat der im Verwaltungsstrafverfahren nicht rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer die Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis zu Protokoll gegeben, ohne eine Berufungsverhandlung zu beantragen. Aus dem Verwaltungsakt lässt sich nicht entnehmen, dass er Kenntnis von der Möglichkeit einer solchen Antragstellung hatte und auf eine Berufungsverhandlung verzichten wollte.

Ausgehend davon ist das Berufungsverfahren, in dem keine Verhandlung stattgefunden hat, mangelhaft geführt worden.

Es lässt sich auch nicht ausschließen, dass dieser Verfahrensmangel für das Verfahrensergebnis von Relevanz war.

Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am