VwGH vom 09.08.2013, 2012/08/0290

VwGH vom 09.08.2013, 2012/08/0290

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des TR in W, vertreten durch die Burghofer Rechtsanwalts GmbH in 1060 Wien, Köstlergasse 1/30, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2012-0566-9- 000978, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde das Arbeitslosengeld des Beschwerdeführers gemäß § 24 Abs. 2 AlVG für die Zeit vom 9. Juli bis zum widerrufen und gemäß § 25 Abs. 1 AlVG den unberechtigt empfangenen Betrag in Höhe von EUR 4.667,52 zurückgefordert.

Der Beschwerdeführer habe am bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien (im Folgenden: AMS) einen Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld gestellt, in dem er die Fragen nach dem Vorliegen einer Beschäftigung bzw. einer derzeitigen selbständigen Erwerbstätigkeit verneint habe. Ihm sei vom 9. Juli bis zum Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 26,52 täglich (insgesamt EUR 4.667,52) ausbezahlt worden.

Das Angestelltenverhältnis des Beschwerdeführers zur C. GmbH habe vom 5. November bis zum gedauert. Aus dem Firmenbuchauszug vom gehe hervor, dass er Gesellschafter der C. GmbH sei und diese seit dem als Geschäftsführer gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer oder einem Prokuristen vertrete. Weiterer Gesellschafter und vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer sei der eingetragene Partner des Beschwerdeführers, CH.

Der Beschwerdeführer habe dem AMS "die Beantragung der Löschung ihrer Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer beim Firmenbuch Wien nicht übermittelt".

Am habe der Beschwerdeführer dem AMS sein Schreiben vom vorgelegt, aus dem hervorgehe, dass er seinen "Titel als handelsrechtlicher Geschäftsführer" mit Juni 2011 zurückgelegt habe. Dieses Schreiben sei bei der C. GmbH am eingegangen. Aus dem Wortlaut seines Schreibens "Zurücklegung Ihres Titels als handelsrechtlicher Geschäftsführer" sei nicht erkennbar, dass er damit seine Befugnis zur Geschäftsführung zurücklegen wolle. Offensichtlich habe er - wenn überhaupt - die schriftliche Erklärung außerhalb der Generalversammlung der C. GmbH abgegeben. Sein Schreiben vom sei nicht als wirksame Rücktrittserklärung im Sinne des GmbH-Gesetzes einzustufen. Selbst eine wirksame Rücktrittserklärung werde erst 14 Tage ab Zugang an die vorgesehenen Gremien/Personen der GmbH wirksam oder aus wichtigem Grund sofort, keinesfalls jedoch rückwirkend.

Im Zuge des Berufungsverfahrens habe der Beschwerdeführer am folgende Bestätigung der C. GmbH vom übermittelt:

"Ich, CH. bin Hauptgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der C. GmbH. Ich habe mit heutigem Datum, nämlich per Herrn (Beschwerdeführer) als Geschäftsführer der C. GmbH abberufen, wobei mir als Hauptgesellschafter der GmbH dieses Recht zusteht. Ich habe Herrn (Beschwerdeführer) auch darauf aufmerksam gemacht, daß er keine Tätigkeiten mehr für die C. GmbH erbringen darf.

(Der Beschwerdeführer) ist mit dieser Vorgangsweise einverstanden. Eine formelle Löschung im Firmenbuch erfolgt meinerseits deshalb nicht, weil diese für meine Gesellschaft zu kostspielig sein würde."

Nach der Unterschrift des CH. erklärt der Beschwerdeführer, "der oben angegebene Sachverhalt ist vollständig und richtig

von CH. wiedergegeben."

Diese Bestätigung habe "nicht den Wert eines Gesellschafterbeschlusses" und erfülle nicht die formalen Voraussetzungen nach den §§ 16 Abs. 1 und 16a GmbHG. Der Beschwerdeführer habe keinen Gesellschafterbeschluss vorgelegt. Es sei nicht erwiesen, dass er als Geschäftsführer der C. GmbH von den Gesellschaftern abberufen worden sei. CH. stehe nach dem (beim Firmenbuch Wien abrufbaren) Gesellschaftsvertrag der C. GmbH nicht das Recht zu, Geschäftsführer abzuberufen. Der Beschwerdeführer habe keine Nachweise erbracht, dass er sein Schreiben über den Rücktritt als Geschäftsführer sämtlichen Gesellschaftern rekommandiert zugesandt habe und dass jeder Gesellschafter sein Rücktrittsschreiben bekommen habe. Es sei nicht erwiesen, dass er wirksam von seiner Geschäftsführertätigkeit zurückgetreten sei.

Das letzte Dienstverhältnis des Beschwerdeführers zur D. GmbH habe "arbeitsrechtlich" am und "sozialversicherungsrechtlich" am geendet. Seit sei er durchgehend Gesellschafter und handelsrechtlicher Geschäftsführer der C. GmbH. Es habe weder ein wirksamer Rücktritt noch eine wirksame Abberufung als handelsrechtlicher Geschäftsführer stattgefunden. Vom bis zum habe noch immer die Hauptleistungspflicht als Geschäftsführer der C. GmbH bestanden. Es sei zu keiner Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zur C. GmbH gekommen. Der Beschwerdeführer sei nicht im Sinn des § 12 Abs. 1 AlVG arbeitslos. Da sich diese Anspruchsvoraussetzung nachträglich als nicht gegeben herausgestellt habe, sei die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes für den genannten Zeitraum zu widerrufen. Der Beschwerdeführer habe über seine Tätigkeit als handelsrechtlicher Geschäftsführer gegenüber dem AMS unwahre Angaben gemacht, indem er angegeben habe, derzeit nicht in Beschäftigung zu stehen und insbesondere keine Tätigkeit als Geschäftsführer auszuüben. Daraus ergebe sich die Verpflichtung zur Rückzahlung des zu Unrecht bezogenen Arbeitslosengeldes in der genannten Höhe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerde bringt vor, CH. sei mit einem Gesellschaftsanteil von 75 % Gesellschafter der C. GmbH. Die Abberufung eines Geschäftsführers verlange lediglich eine einfache Mehrheit. Aus der Bestätigung vom gehe hervor, dass der Beschwerdeführer einvernehmlich als Geschäftsführer abberufen worden sei. Es komme sogar eine konkludente Beschlussfassung durch die Gesellschafter in Betracht.

Damit ist die Beschwerde im Recht.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem ebenfalls den Beschwerdeführer betreffenden Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2012/08/0158, ausgeführt hat, ist die Bestätigung der C. GmbH vom dahin auszulegen, dass sich alle Gesellschafter der C. GmbH darüber einig waren, den Beschwerdeführer aus seiner Funktion als Geschäftsführer abzuberufen. Dieser Abberufungsbeschluss ist mit der Beschlussfassung und der Mitteilung an den Beschwerdeführer sofort wirksam geworden.

Der vorliegende Beschwerdefall gleicht somit in den für seine Erledigung wesentlichen Punkten - sowohl hinsichtlich des Sachverhalts als auch in Ansehung der zu lösenden Rechtsfragen - jenem, den der Verwaltungsgerichtshof mit dem genannten Erkenntnis Zl. 2012/08/0158 entschieden hat. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird auf die in diesem Erkenntnis enthaltene Begründung verwiesen.

Damit hat die belangte Behörde die Anspruchsvoraussetzung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit iSd § 12 Abs. 1 AlVG im gegenständlichen Zeitraum zu Unrecht verneint, womit dem Widerruf und der Rückforderung von Arbeitslosengeld die Grundlage entzogen ist.

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am