VwGH vom 14.01.2013, 2012/08/0284

VwGH vom 14.01.2013, 2012/08/0284

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des R B in G, vertreten durch Mag. Nicole Matl, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Hofgasse 6, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom , Zl LGS600/SfA/0566/2012-He/Ja, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl 2009/08/0100, wurde ein Bescheid der belangten Behörde vom , mit dem dem Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld mangels Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt keine Folge gegeben wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde über den Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld im Zeitraum vom bis entschieden.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am in der regionalen Geschäftsstelle G Arbeitslosengeld beantragt. Da der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Arbeitslosengeld in der ersten Jahreshälfte 2009 gestellt habe, sei entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen für die Bemessung des Arbeitslosengeldes das Entgelt aus dem Jahr 2007 herangezogen worden. Die beim Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger gespeicherte Jahresbeitragsgrundlage aus zwei näher bezeichneten Dienstverhältnissen betrage EUR 1.637,66, woraus sich ein täglicher Arbeitslosengeldanspruch von EUR 25,34 ableite. Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung sinngemäß angeführt, dass er im Zeitraum von Jänner 2009 bis Dezember 2010 die Möglichkeit gehabt hätte, zu arbeiten. Er hätte in diesem Zeitraum monatlich EUR 1.300,-- verdienen können. Nach dem (oben zitierten) Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs sei auch der erstinstanzliche Bescheid der regionalen Geschäftsstelle G vom aufgehoben worden. Die darauf folgende "finanzielle Entschädigung" wäre zunächst mit EUR 300,-- als erledigt abgetan worden; erst nach mehrmaligen Anfragen sei ein Teil in monatlichen Abständen bezahlt worden. Nach Meinung des Beschwerdeführers sei noch ein Betrag von EUR 10.000,-- fällig.

Nach Darlegung der rechtlichen Grundlagen für die Bemessung des Arbeitslosengeldes führte die belangte Behörde weiter aus, dass die Höhe des Arbeitslosengeldes gesetzlich geregelt sei und keinen Spielraum zulasse. Um Härtefälle bei sehr geringem Verdienst abzufedern, sei eine günstigere Berechnung vorgesehen, die im Fall des Beschwerdeführers bis zur möglichen Höchstgrenze ausgeschöpft worden sei. Der Ergänzungsbetrag falle bei Grundbeträgen an, die kleiner als der Ausgleichszulagenrichtsatz seien. Er sei betraglich mit einer Obergrenze von 60 % des täglichen Nettoeinkommens begrenzt. Im Fall des Beschwerdeführers habe sich ein tägliches Nettoeinkommen von EUR 42,24 errechnet, davon 60 % ergebe einen täglichen Arbeitslosengeldanspruch von EUR 25,34. Dabei handle es sich nicht um eine "finanzielle Entschädigung", sondern um das dem Beschwerdeführer auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen zustehende Arbeitslosengeld.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

1. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass gemäß § 21 Abs 1 AlVG für den Fall, dass die heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen zum Zeitpunkt der Geltendmachung älter als ein Jahr seien, diese mit den Aufwertungsfaktoren gemäß § 108 Abs 4 ASVG der betreffenden Jahre aufzuwerten seien. Ausgehend von den von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen sei der Antrag auf Arbeitslosengeld am gestellt worden und es sei zur Berechnung des Arbeitslosengeldes als Bemessungsgrundlage die Jahresbeitragsgrundlage von 2007 herangezogen worden. Da die im vorliegenden Fall herangezogene Jahresbeitragsgrundlage zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Arbeitslosengeldanspruchs des Beschwerdeführers bereits älter als ein Jahr gewesen sei, hätte bei richtiger rechtlicher Beurteilung eine entsprechende Aufwertung erfolgen müssen.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Ansprüche auf Arbeitslosengeld bzw auf Notstandshilfe - sofern der Gesetzgeber nichts anderes anordnet - zeitraumbezogen zu beurteilen (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2004/08/0163 mwH).

§ 21 Abs 1 AlVG in der zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl I Nr 104/2007 lautet:

"§ 21. (1) Für die Festsetzung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes ist bei Geltendmachung bis 30. Juni das Entgelt des vorletzten Kalenderjahres aus den beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen aus arbeitslosenversicherungspflichtigem Entgelt, mangels solcher aus anderen für Zwecke der Sozialversicherung gespeicherten Jahresbeitragsgrundlagen heranzuziehen. Bei Geltendmachung nach dem 30. Juni ist das Entgelt des letzten Kalenderjahres heranzuziehen. Liegen die nach den vorstehenden Sätzen heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen nicht vor, so sind jeweils die letzten vorliegenden Jahresbeitragsgrundlagen eines vorhergehenden Jahres heranzuziehen. Durch Teilung des Entgelts der maßgeblichen Jahresbeitragsgrundlagen durch zwölf ergibt sich das monatliche Bruttoeinkommen. Zeiten, in denen der Arbeitslose infolge Erkrankung (Schwangerschaft) nicht das volle Entgelt oder wegen Beschäftigungslosigkeit kein Entgelt bezogen hat, sowie Zeiten des Bezuges einer Lehrlingsentschädigung, wenn es für den Arbeitslosen günstiger ist, bleiben bei der Heranziehung der Beitragsgrundlagen außer Betracht. In diesem Fall ist das Entgelt durch die Zahl der Versicherungstage zu teilen und mit 30 zu vervielfachen. Jahresbeitragsgrundlagen, die einen Zeitraum enthalten, in dem Karenz(urlaubs)geld oder Kinderbetreuungsgeld oder ein Kombilohn (§ 34a AMSG) bezogen wurde oder die Normalarbeitszeit zum Zwecke der Sterbebegleitung eines nahen Verwandten oder der Begleitung eines schwerst erkrankten Kindes gemäß § 14a oder § 14b AVRAG oder einer gleichartigen Regelung herabgesetzt wurde, bleiben außer Betracht, wenn diese niedriger als die sonst heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen sind. Sind die heranzuziehenden Jahresbeitragsgrundlagen zum Zeitpunkt der Geltendmachung älter als vier Jahre, so sind diese mit den Aufwertungsfaktoren gemäß § 108 Abs. 4 ASVG der betreffenden Jahre aufzuwerten. Jahresbeitragsgrundlagen, die Zeiten einer gemäß § 1 Abs. 2 lit. e von der Arbeitslosenversicherungspflicht ausgenommenen krankenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit enthalten, gelten als Jahresbeitragsgrundlagen aus arbeitslosenversicherungspflichtigem Entgelt. Für Personen, die gemäß § 3 versichert waren, sind die entsprechenden Jahresbeitragsgrundlagen in der Arbeitslosenversicherung heranzuziehen. Bei Zusammentreffen von Jahresbeitragsgrundlagen aus arbeitslosenversicherungspflichtigem Entgelt mit Jahresbeitragsgrundlagen auf Grund der Versicherung gemäß § 3 sind die Gesamtbeitragsgrundlagen heranzuziehen."

Die in der Beschwerde angeführte Bestimmung, wonach Jahresbeitragsgrundlagen, die zum Zeitpunkt der Geltendmachung älter als ein Jahr sind, mit den Aufwertungsfaktoren gemäß § 108 Abs 4 ASVG der betreffenden Jahre aufzuwerten sind, wurde erst durch das Arbeitsmarktpaket 2009, BGBl I Nr 90/2009, geschaffen und ist gemäß § 79 Abs. 102 AlVG mit in Kraft getreten. Für den im Beschwerdefall gegenständlichen Arbeitslosengeldbezug vom bis war daher noch die vor Inkrafttreten dieser Novelle geltende Fassung anzuwenden, sodass keine Aufwertung der herangezogenen Jahresbeitragsgrundlage aus dem Jahr 2007 zu erfolgen hatte.

3. Die Beschwerde macht geltend, dass nach dem angefochtenen Bescheid die Antragstellung am erfolgt sei. Der Beschwerdeführer habe jedoch erstmals in einem Schreiben vom angegeben, dass er seit Anfang Dezember 2008 keinen Lohn und auch kein Arbeitslosengeld erhalte und um positive Erledigung des von ihm gestellten Antrags auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld ersuche. Bereits aus dieser Formulierung ergebe sich, dass der Beschwerdeführer tatsächlich Arbeitslosengeld ab dem Ende seines Beschäftigungsverhältnisses ab dem begehrt habe. Der belangten Behörde hätte der Umstand, dass das letzte Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers bereits am geendet habe, die Antragstellung jedoch erst am erfolgt sei, auffallen müssen und sie wäre verpflichtet gewesen, sich nach dem Grund hiefür zu erkundigen und sämtliche Widersprüche auszuräumen.

Die belangte Behörde habe den unvertretenen Beschwerdeführer entgegen ihrer Verpflichtung zur Erstattung von konkreten Angaben, weshalb die Antragstellung erst am erfolgt sei und weshalb bereits ab ein Arbeitslosengeld begehrt werde, nicht entsprechend angeleitet. Andernfalls wäre das entsprechende Vorbringen, wonach der Beschwerdeführer bereits unmittelbar nach Beendigung des letzten Arbeitsverhältnisses, sohin am , einen Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld habe stellen wollen, jedoch im Infocenter die unrichtige Antwort erhalten habe, er brauche keinen Antrag zu stellen, er habe ohnedies keinen Anspruch, da er keinen Aufenthaltstitel habe, jedenfalls erstattet worden und der Beschwerdeführer hätte diesbezügliche Beweise vorgelegt.

Der Beschwerdeführer hätte auch seine Ehefrau zum Beweise dafür als Zeugin namhaft machen können, dass er auf Grund einer unrichtigen Rechtsansicht der erstinstanzlichen Behörde von der Stellung des Antrags am abgehalten worden sei und erst nach einer entsprechenden Rechtsberatung tatsächlich den Antrag gestellt habe. Dieser Umstand sei insofern entscheidungswesentlich, als gemäß § 17 Abs 4 AlVG für den Fall, dass die Unterlassung der rechtzeitigen Antragstellung auf einen Fehler der Behörde, der Amtshaftungsfolgen auslösen könne, wie zB eine unrichtige Auskunft, zurückzuführen sei, die zuständige Landesgeschäftsstelle die regionale Geschäftsstelle amtswegig zu einer Zuerkennung des Arbeitslosengeldes ab einem früheren Zeitpunkt, ab dem die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung der Leistung vorlägen, ermächtigen könne.

Der Beschwerdeführer wäre in diesem Zusammenhang auch über die Möglichkeit der Anregung einer Vorgangsweise gemäß § 17 Abs 4 AlVG zu belehren gewesen. Es sei somit davon auszugehen, dass diesfalls dem Beschwerdeführer das Arbeitslosengeld bei Kenntnis der Behörde von diesem Umstand bereits für den Zeitraum ab zuerkannt worden wäre.

4. § 46 Abs 1 AlVG in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung BGBl I Nr 82/2008, lautet wie folgt.

"§ 46. (1) Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ist bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle persönlich geltend zu machen. Für die Geltendmachung des Anspruches ist das bundeseinheitliche Antragsformular zu verwenden. Das Arbeitsmarktservice hat neben einem schriftlichen auch ein elektronisches Antragsformular zur Verfügung zu stellen. Der Anspruch gilt erst dann als geltend gemacht, wenn die arbeitslose Person bei der regionalen Geschäftsstelle persönlich vorgesprochen und das ausgefüllte Antragsformular abgegeben hat. Hat die arbeitslose Person zum Zweck der Geltendmachung des Anspruches bereits persönlich vorgesprochen und können die Anspruchsvoraussetzungen auf Grund des eingelangten Antrages ohne weitere persönliche Vorsprache beurteilt werden, so kann die regionale Geschäftsstelle vom Erfordernis der persönlichen Abgabe des Antrages absehen. Eine persönliche Abgabe des Antrages ist insbesondere nicht erforderlich, wenn die arbeitslose Person aus zwingenden Gründen, wie Arbeitsaufnahme oder Krankheit, verhindert ist, den Antrag persönlich abzugeben. Die Abgabe (das Einlangen) des Antrages ist der arbeitslosen Person zu bestätigen. Hat die regionale Geschäftsstelle zur Beibringung des ausgefüllten Antragsformulars oder von sonstigen Unterlagen eine Frist bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gesetzt und wurde diese ohne triftigen Grund versäumt, so gilt der Anspruch erst ab dem Tag als geltend gemacht, ab dem die beizubringenden Unterlagen bei der regionalen Geschäftsstelle eingelangt sind."

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , Zl 2010/08/0156) stellt § 46 AlVG eine umfassende Regelung der Rechtsfolgen fehlerhafter oder unterlassener fristgerechter Antragstellungen dar. Diese abschließende Normierung lässt es - selbst im Falle des Fehlens eines Verschuldens des Arbeitslosen - nicht zu, die Folgen einer (irrtümlich) unterlassenen rechtzeitigen Antragstellung nachträglich zu sanieren, zumal selbst ein Arbeitsloser, der auf Grund einer von einem Organ des Arbeitsmarktservice schuldhaft erteilten unrichtigen Auskunft einen Schaden erleidet, auf die Geltendmachung allfälliger Amtshaftungsansprüche verwiesen ist.

§ 17 Abs 4 AlVG (in der Fassung BGBl I Nr 5/2010, zuvor § 17 Abs 3 AlVG) ermöglicht es der zuständigen Landesgeschäftsstelle unter den dort näher genannten Voraussetzungen zwar, die regionale Geschäftsstelle zwecks Abwendung eines Amtshaftungsanspruches amtswegig zu einer Zuerkennung des Arbeitslosengeldes ab einem früheren Zeitpunkt zu ermächtigen, auf die Ausübung dieser Ermächtigungsbefugnis besteht jedoch kein Rechtsanspruch (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2010/08/0103).

5. Schließlich bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe sich niemals mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er tatsächlich Arbeitslosendgeld ab dem Ende seines Beschäftigungsverhältnisses am begehrt habe, auseinander gesetzt, es seien diesbezüglich keine weiteren Beweise aufgenommen worden und der Beschwerdeführer habe somit nicht die Möglichkeit gehabt, seine diesbezügliche Ansicht bzw. die entsprechenden Beweismittel in das Verfahren einzubringen.

Auch diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass § 46 AlVG eine abschließende Regelung der Rechtsfolgen unterlassener fristgerechter Antragstellungen darstellt. Dass der Beschwerdeführer seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld tatsächlich vor dem im Sinne des § 46 AlVG geltend gemacht habe, wird auch in der Beschwerde nicht behauptet. Vor diesem Hintergrund kam es - unbeschadet der Möglichkeit eines Vorgehens der belangten Behörde im Sinne des § 17 Abs 4 bzw. der Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen durch den Beschwerdeführer auf Grund der von ihm behaupteten Ablehnung der Entgegennahme eines Antrags bereits im Dezember 2008 - für das vorliegende Verfahren nicht darauf an, ob der Beschwerdeführer tatsächlich Arbeitslosengeld ab dem Ende seines Beschäftigungsverhältnisses am begehrt hat bzw von einer früheren Geltendmachung durch eine unrichtige Auskunft der regionalen Geschäftsstelle abgehalten wurde.

6. Die Beschwerde war daher, da schon ihr Inhalt erkennen ließ, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, gemäß § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am