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VwGH vom 28.05.2008, 2007/21/0021

VwGH vom 28.05.2008, 2007/21/0021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des G, vertreten durch Dr. Peter R. Föger, Mag. Hanno Pall und Mag. Martin Schallhart, Rechtsanwälte in 6300 Wörgl, Speckbacher-Straße 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. uvs-2006/24/0487-5, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Spruchpunkte 1.a. und 1.b. sowie die dazugehörende Kostenentscheidung des Strafbescheides der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom bestätigt, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Lebensgefährte der M. Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom verhängte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol über deren Schwester S., geboren am , eine ungarische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 des (bis zum in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot. Dieses wurde nicht vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts angefochten. S. reiste auf Grund dieses Aufenthaltsverbotes nach Ungarn aus, kehrte jedoch - vom Beschwerdeführer unterstützt - in das Bundesgebiet zurück und heiratete hier am den österreichischen Staatsangehörigen O. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom wurde das über S. verhängte Aufenthaltsverbot aufgehoben.

Mit Bescheid vom hatte die Bezirkshauptmannschaft Kufstein als Strafbehörde erster Instanz folgendes (auszugsweise wiedergegebenes) Straferkenntnis gegen den Beschwerdeführer erlassen:

"1.a. Sie haben Ende April 2005, jedenfalls in der Zeit zwischen und als Fahrer ihres Pkws ...

gemeinsam mit ihrer Lebensgefährtin M. und Martin O. (dem

österreichischen Ehemann der S.) die ungarische

Staatsangehörige S., geb. am , entgegen dem bestehenden

Aufenthaltsverbot der BH-Kufstein ..., gültig vom bis

von Ungarn/Budapest, ... nach Österreich/Tirol ...

gebracht, wo diese dann vorübergehend bis Unterkunft nahm.

Sie haben der ungarischen Staatsangehörigen S. ... dadurch

entgegen der Bestimmung des § 7 VStG iVm § 107 Abs. 1 Z 2 des

Fremdengesetzes 1997 die Begehung einer Verwaltungsübertretung,

nämlich die Rückkehr in das österreichische Bundesgebiet, entgegen

dem bestehenden Aufenthaltsverbot vorsätzlich erleichtert, obwohl

Sie genauestens Kenntnis über das bescheidmäßig verhängte

Aufenthaltsverbot der BH-Kufstein ... hatten.

b. Sie haben im Zeitraum von Ende April 2005, jedenfalls

zwischen und bis der ungarischen

Staatsangehörigen S. ... entgegen dem bestehenden

Aufenthaltsverbot der BH-Kufstein ... die Begehung einer

Verwaltungsübertretung nach dem Fremdengesetz dadurch vorsätzlich

erleichtert, dass Sie der genannten ungarischen Staatsangehörigen

in ihrem Haus/Wohnung ... Unterkunft gegeben und ihr dadurch den

Aufenthalt im Bundesgebiet der Republik Österreich trotz des bestehenden Aufenthaltsverbotes ermöglicht haben.

...

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschriften

verletzt:

1.a. § 7 VStG iVm § 107 Abs. 1 Z 2 iVm § 31 und § 5 Abs. 1 und 2 ... FrG ...

1. b. § 7 VStG iVm § 107 Abs. 1 Z 4 FrG

..."

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurde über den Beschwerdeführer (zu Punkt 1.a. und Punkt 1.b.) gemäß § 7 VStG iVm § 107 Abs. 1 FrG zweimal eine Geldstrafe von jeweils EUR 300,-- , im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden, verhängt.

Gemäß § 64 VStG wurde er zur Zahlung von jeweils EUR 30,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde eine dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm §§ 24 und 51e VStG als unbegründet ab. Weiters verpflichtete sie ihn, 20 % der verhängten Geldstrafe (jeweils EUR 60,-- zu Spruchpunkt 1.a. und 1.b.) als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu zahlen.

Dazu stellte sie fest, S. sei "mit " aus Österreich ausgereist, "mit Ende April 2005" jedoch wieder nach Österreich eingereist und habe bis zum in E. Unterkunft genommen. An diesem Tag habe sie die Unterkunft wieder aufgegeben und sei aus Österreich ausgereist.

Für die dem Beschwerdeführer angelastete Beitragstäterschaft genüge Vorsatz in der Form des dolus eventualis, der - das aufrechte Aufenthaltsverbot gegen S. betreffend - vorgelegen sei. Das - rechtlich nicht begründbare - Vertrauen des Beschwerdeführers, ein Aufenthaltsverbot verliere dann seine Rechtsgültigkeit, wenn die Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union einen österreichischen Staatsbürger zu heiraten beabsichtige, ändere daran nichts. Der Beschwerdeführer wäre - schon in seiner Funktion als Bürgermeister - verpflichtet gewesen, die "entsprechenden Bestimmungen des Fremdengesetzes" einzuhalten und im Zweifel Erkundigungen anzustellen.

Als Verschuldensgrad sei demnach von bedingtem Vorsatz auszugehen. Als mildernd oder erschwerend sei nichts zu werten gewesen. Die verhängten, im untersten Bereich angesiedelten Geldstrafen erwiesen sich als schuld- und tatangemessen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof - vorerst nur die wiedergegebenen Spruchpunkte 1.a. und 1.b. betreffend - nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der im Tatzeitraum geltende § 107 FrG lautete auszugsweise:

"Unbefugter Aufenthalt

§ 107. (1) Wer

1. nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung nicht rechtzeitig ausreist oder

2. einem Aufenthaltsverbot zuwider unerlaubt in das Bundesgebiet zurückkehrt oder

3. sich als passpflichtiger Fremder, ohne im Besitz eines gültigen Reisedokumentes zu sein, im Bundesgebiet aufhält oder

4. sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 31), begeht eine Verwaltungsübertretung und ist in den Fällen der

Z 1 und 2 mit Geldstrafe bis zu 726 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu 14 Tagen, sonst mit Geldstrafe bis zu 726 Euro zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.

(2) ...

(3) Eine Bestrafung gemäß Abs. 1 Z 3 schließt eine solche wegen der zugleich gemäß Abs. 1 Z 4 begangenen Verwaltungsübertretung aus.

(4) ..."

Der am in Kraft getretene § 120 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG lautet auszugsweise:

"Unbefugter Aufenthalt

§ 120. (1) Wer als Fremder


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1.
nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet einreist oder
2.
sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält,
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 2 180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.

(2) Wer die Tat nach Abs. 1 begeht, obwohl er wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe bis zu 4 360 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

(3) ...

(4) Eine Bestrafung gemäß Abs. 1 Z 2 schließt eine solche wegen der zugleich gemäß Abs. 1 Z 1 begangenen Verwaltungsübertretung aus.

(5) ..."

Die Regierungsvorlage zum Fremdenrechtspaket 2005 (952 BlgNR XXII. GP 114) führt insoweit aus, § 120 FPG entspreche inhaltlich im Wesentlichen § 107 FrG; der Entwurf sei nur der Diktion des vorgeschlagenen FPG angepasst worden.

Nach § 1 Abs. 2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre.

Nach dem im angenommenen Tatzeitraum geltenden § 107 Abs. 1 Z. 2 FrG war die entgegen einem Aufenthaltsverbot erfolgte Rückkehr in das Bundesgebiet (und damit gemäß § 7 VStG auch ein vorsätzlich dazu geleisteter Tatbeitrag) mit Geldstrafe bis zu EUR 726,-- oder mit Freiheitsstrafe bis zu 14 Tagen bedroht. Hingegen sah der zur Zeit der Fällung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses geltende § 120 Abs. 1 FPG eine Geldstrafe bis zu EUR 2.180,-- und (lediglich) im Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Freiheitsstrafe bis zu 3 Wochen vor.

Bei der Prüfung iSd § 1 Abs. 2 VStG betreffend das von der Behörde anzuwendende Recht kommt es nicht darauf an, welche Strafe tatsächlich über den Täter verhängt wird, sondern auf die Strafdrohung. Auch hat der Vergleich nicht bloß auf die Höhe der jeweils angedrohten Geldstrafe abzustellen. Bei Verschiedenheiten der Strafdrohungen kommt es auf die Bewertung der Gesamtauswirkung an. Beim Vergleich der Strafdrohungen ist in erster Linie die Strafart in Betracht zu ziehen und davon auszugehen, dass die Androhung einer Geldstrafe günstiger ist als die einer Freiheitsstrafe. Wird daher in einer Strafbestimmung (§ 120 Abs. 1 FPG) als primäre Strafe nur Geldstrafe und in einer anderen Strafbestimmung (§ 107 Abs. 1 FrG) neben einer Geldstrafe Primärarrest angedroht, so ist letztere Strafbestimmung die strengere und die erstere für den Täter günstiger (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/10/0009, mwN).

Da das im Tatzeitraum geltende Recht auch eine Primärarreststrafe vorsah, während das zur Zeit der Fällung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses geltende Recht nur eine Geldstrafe kennt, war letzteres das günstigere Recht. Die Bestimmung des § 120 Abs. 1 FPG wurde somit schon deshalb von der belangten Behörde zu Unrecht nicht angewendet.

Dazu kommt, dass nach der klaren Anordnung des § 120 Abs. 4 FPG eine Bestrafung gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 eine solche wegen der zugleich gemäß Abs. 1 Z. 1 begangenen Verwaltungsübertretung ausschließt. Das bedeutet, dass unbeschadet der Frage, ob bereits § 107 Abs. 1 Z. 4 FrG lediglich als Auffangtatbestand für die von seinen Z. 1 bis 3 nicht erfassten Fälle anzusehen ist, im Beschwerdefall lediglich eine Verurteilung wegen einer einzelnen Übertretung (§ 120 Abs. 1 Z. 2 FPG) theoretisch in Betracht kommen kann. Die Annahme zweier Übertretungen und die Verhängung von zwei Strafen durch die belangte Behörde erweist sich daher auch aus diesem Blickwinkel gegenüber der geltenden Rechtslage als ungünstiger.

In seiner Beweisrüge bekämpft der Beschwerdeführer die Begründung der belangten Behörde, soweit ihm vorsätzliches Handeln zur Last gelegt wurde. Er argumentiert damit, sein Vorsatz habe sich nur darauf bezogen, die Eheschließung der S. (mit Martin O.) zu befördern. Auch habe er "keinerlei Verschleierungs- oder Verbergungshandlungen gesetzt". Der Grenzbeamte habe S. bei ihrer Rückkehr in das Bundesgebiet unbehelligt einreisen lassen, auch der Standesbeamte sei nicht mit "Verweigerung zur Durchführung der Eheschließung" vorgegangen.

Diese Ausführungen sind jedoch nicht geeignet, Zweifel am Vorsatz des Beschwerdeführers aufkommen zu lassen, der sich auf die Einreise der S. trotz bestehenden Aufenthaltsverbotes bezogen hat. Insoweit ist die Beweiswürdigung der belangten Behörde - im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Schlüssigkeitsprüfung - nicht zu beanstanden, weil die Feststellungen schon aus der eigenen Verantwortung des Beschwerdeführers (zuletzt in der von der belangten Behörde am durchgeführten mündlichen Verhandlung) und der Aussage der Zeugin S. zweifelsfrei abzuleiten sind.

Eine inhaltliche Rechtswidrigkeit releviert der Beschwerdeführer insoweit, als die belangte Behörde den bei ihm eingetretenen Rechtsirrtum nicht beachtet hätte: S. (verehelichte O.) sei ungarische Staatsbürgerin. Durch den Beitritt Ungarns zur Europäischen Union und durch ihre - am verwirklichte -

Absicht, den österreichischen Staatsangehörigen O. zu heiraten, wäre das Aufenthaltsverbot als gegenstandslos zu werten. Dies wäre durch seine spätere Aufhebung lediglich festgestellt worden.

Dieser Rechtsansicht kann sich der Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht anschließen, weil das Aufenthaltsverbot bis zu seiner Aufhebung, die erst mit Bescheid vom - also nach dem Tatzeitraum - erfolgte, Bestand hatte. Auch zeigt der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen keinen Sachverhalt auf, aus dem ein "entschuldbarer Rechtsirrtum" gefolgert werden könnte (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/09/0172, mwN). Ein fahrlässiger Rechtsirrtum, den der Beschwerdeführer gegebenenfalls durch entsprechendes Nachfragen zu beseitigen verpflichtet gewesen wäre, schließt - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - den Vorsatz nicht aus (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 93/18/0350, und vom , Zl. 98/21/0267, mwN).

Allerdings teilt der Verwaltungsgerichtshof die vom Beschwerdeführer vertretene Ansicht, dass die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes nach den Umständen des vorliegenden Falles insbesondere im Hinblick auf den Beitritt Ungarns zur Europäischen Union und die Eheschließung der S. mit einem österreichischen Staatsbürger schon während des Deliktszeitraums vorherzusehen war. Es ist somit von einem nur geringen Verschulden des offenbar unbescholtenen Beschwerdeführers auszugehen. Auch sind die Folgen seiner Übertretung unbedeutend. Von seiner Bestrafung wäre daher, soweit dies nach den bislang getroffenen Feststellungen der belangten Behörde beurteilt werden kann, gemäß § 21 Abs. 1 VStG abzusehen gewesen.

Da die belangte Behörde die genannten Umstände verkannt hat, war der angefochtene Bescheid, soweit er die Spruchpunkte 1.a. und 1.b. des erstinstanzlichen Bescheides bestätigte, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Soweit sich die Beschwerde gegen die weiteren - eine Verletzung von Meldevorschriften betreffenden - Aussprüche des angefochtenen Bescheides richtet, bleibt das einer gesonderten Erledigung des hiefür zuständigen Senates des Verwaltungsgerichtshofes vorbehalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am