VwGH vom 26.03.2012, 2010/03/0170
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde der G C in W, vertreten durch Heinke Skribe + Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl E1/67.785/2009, betreffend Entziehung des Waffenpasses, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid entzog die belangte Behörde der Beschwerdeführerin gemäß § 25 Abs 3 IVm § 8 Abs 1 Z 2 Waffengesetz 1996, BGBl I Nr 12/1997 (WaffG) den ihr am ausgestellten Waffenpass Nr 070380.
Begründend führte sie im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin verfüge über einen Waffenpass, der sie zum Besitz und Führen von zwei Faustfeuerwaffen berechtige.
Sie habe am angezeigt, dass ihr an diesem Tag zwischen 13.30 und 14.30 Uhr in Wien 1, Fußgängerzone zwischen Graben und Kohlmarkt, aus einer Handtasche - neben anderen Gegenständen - eine Pistole Marke Star, Kaliber 6,35, gestohlen worden sei. Die Faustfeuerwaffe sei in der Handtasche, welche die Beschwerdeführerin über ihre linke Schulter gehängt und unter ihrem Arm gehabt habe, verwahrt gewesen. Sie habe Schießübungen beim Waffengeschäft "Springer" in Wien 8, Josefsgasse 5 durchführen wollen. Als sie gegen 14.30 Uhr im Waffengeschäft angekommen sei, habe sie den Diebstahl bemerkt.
In der Stellungnahme vom habe die Beschwerdeführerin angegeben, dass sie die Waffe vorschriftsgemäß in einem Behältnis transportiert habe. Auch eine Handtasche sei nämlich ein Behältnis, welches nicht mit einem Schloss versehen sein müsse. Die Handtasche habe sie auch bei sich getragen. Der Diebstahl aus der Tasche sei nicht zu verhindern gewesen.
In ihrer Berufung habe die Beschwerdeführerin angegeben, sie habe zur Absicherung der Waffe die Handtasche vorsorglich am Riemen über die Schulter getragen und die Tasche zusätzlich unter den Arm geklemmt. Sie habe umgehend, nachdem sie den Diebstahl bemerkt habe, eine Anzeige erstattet. Damit habe sie in einer zumutbaren Weise gegen einen möglichen Diebstahl Vorsorge getroffen und die Waffe sorgfältig in einer geschlossenen Handtasche unter ihrem Arm getragen.
Im Folgenden meldete die belangte Behörde Zweifel an dem von der Beschwerdeführerin behaupteten Diebstahl an (ein Verlust der Waffe erschien ihr "naheliegender"), ging jedoch "im Weiteren davon aus, dass es sich tatsächlich um einen wie von der (Beschwerdeführerin) beschriebenen Diebstahl der Waffe" gehandelt habe. Die Beschwerdeführerin habe - wie sie selbst angebe - die Waffe an einer stark frequentierten Örtlichkeit in einer verschlossenen Tasche geführt und diese am Riemen über der Schulter getragen unter den Arm geklemmt. Unter diesen angeblichen Umständen sei es der belangten Behörde nicht nachvollziehbar, wie die Waffe aus der Tasche dann gestohlen worden sein solle. Da die Beschwerdeführerin zum einen den Diebstahl selbst gar nicht bemerkt habe und zum anderen darüber hinaus auch keinerlei Angaben machen könne, sei der Schluss gerechtfertigt, dass sie der Verwahrung der Waffe nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet habe. Die von ihr getroffenen Vorkehrungen seien - wie der nicht unter außergewöhnlichen Umständen erfolgte Diebstahl zeige - ganz offenbar nicht geeignet bzw hinreichend gewesen, den Verlust der Waffe zu verhindern. Hätte sie, wie sie geltende mache, alle erdenkliche Sorgfalt angewendet, die man beim Transport der Waffe anwenden könne, könne wohl zumindest erwartet werden, dass sie die Tathandlung des Diebstahls zumindest bemerkt hätte. Davon könne gegenständlich jedoch keine Rede sein. Solcherart scheine es jedoch ausgeschlossen, dass die Beschwerdeführerin die erforderliche Sorgfalt walten lassen habe, da solches ja ein entsprechendes Bewusstsein über die transportierte Waffe geradezu voraussetze. Da der Diebstahl in einer Situation (stark frequentierter Ort, Fußgängerzone in der Wiener Innenstadt zur Mittagszeit) erfolgt sei, die eine besondere Sorgfaltspflicht erfordert hätte und eine außergewöhnlich aufmerksame Beaufsichtigung der Tasche als Verwahrungsort der Waffe notwendig erscheinen habe lassen, sei der Schluss gerechtfertigt, die Beschwerdeführerin habe nicht mit der gebotenen Sorgfalt gehandelt bzw ihre Waffe verwahrt, weshalb es ihr an der waffenrechtlichen Verlässlichkeit mangle.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten unter Verzicht auf eine Gegenschrift vor, beantragte jedoch, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Gemäß § 25 Abs 3 WaffG hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen, wenn sich ergibt, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist.
Gemäß § 8 Abs 1 Z 2 WaffG ist ein Mensch verlässlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird.
Gemäß § 3 Abs 1 der zweiten Waffengesetz-Durchführungsverordnung, BGBl II Nr 313/1998 (2. WaffV), ist eine Schusswaffe sicher verwahrt, wenn der Besitzer sie in zumutbarer Weise vor unberechtigtem - auf Aneignung oder unbefugte Verwendung gerichteten - Zugriff schützt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses nach Sinn und Zweck der Regelungen des Waffengesetzes bei der Prüfung der Verlässlichkeit ein strenger Maßstab anzulegen. Mit Entziehung der waffenrechtlichen Urkunde ist auch dann vorzugehen, wenn im Einzelfall ein nur einmal gesetztes Verhalten den Umständen nach die Folgerung rechtfertigt, der Urkundeninhaber gewährleiste nicht mehr das Zutreffen der im § 8 Abs 1 WaffG genannten Voraussetzungen. Es entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass waffenrechtliche Urkunden insbesondere dann zu entziehen sind, wenn festgestellt wird, dass der Berechtigte Waffen nicht sorgfältig verwahrt sind. Ob die im Einzelfall gewählte Verwahrungsart als sorgfältig bezeichnet werden kann, hängt von objektiven Momenten ab.
Gerät eine Waffe in Verlust, so ist es Sache des Berechtigten, einen konkreten Sachverhalt über seine Art und Weise des Umgangs bzw der Verwahrung der Waffe und über den Vorgang, der zum Verlust der Waffe geführt hat, zu behaupten und glaubhaft zu machen. Ergibt sich aus dem Vorbringen des Berechtigten nicht, dass der Verlust der Waffe trotz sorgfältigem - das heißt insbesondere alle in der konkreten Situation zumutbaren Vorkehrungen gegen einen Verlust umfassenden - Umganges bzw trotz sorgfältiger Verwahrung eingetreten ist, ist die Behörde schon auf Grund der Tatsache des Verlustes zur Annahme berechtigt, dass der Berechtigte die beim Umgang mit bzw der Verwahrung von Waffen gebotene Sorgfalt nicht eingehalten habe (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2005/03/0042, mwN). Diese Judikatur kann auch auf den Fall des Diebstahls einer Waffe übertragen werden (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2005/03/0239, mwN).
2. Die Beschwerde macht geltend, auch wenn ein Sachverhalt für die belangte Behörde nicht nachvollziehbar sei, müsse dies aus rechtlicher Sicht nicht zwangsläufig einen Sorgfaltsverstoß der Beschwerdeführerin als Ursache haben. Die belangte Behörde führe in ihrem Bescheid auch nicht aus, welche Maßnahmen durch die Beschwerdeführerin erforderlich gewesen wären, um "besonders sorgfältig" zu agieren. Auch die behördliche Argumentation, die Beschwerdeführerin hätte den Diebstahl bei entsprechender Sorgfalt zumindest bemerken müssen, sei nicht nachvollziehbar. Es entspreche durchaus der Lebenserfahrung, dass Taschendiebe sehr geschickt agierten und - ohne dass das Opfer etwas bemerke - sich Sachen widerrechtlich zueigneten. Aus Sicht der Beschwerdeführerin habe dieselbe jede erdenkliche Sorgfalt beim gegenständlichen Transport der Waffe walten lassen und es sei für sie nicht ersichtlich, welche zusätzlichen Sorgfaltsmaßnahmen sie noch hätte setzen können.
3. Dem ist Folgendes zu erwidern:
Auch wenn der angefochtene Bescheid keine expliziten Sachverhaltsfeststellungen trifft, lässt seine Begründung mit gerade noch hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass die belangte Behörde zwar von einem Diebstahl (und nicht von einem Verlust) der Waffe am um die Mittagszeit in der Wiener Innenstadt ausgegangen ist, den Beteuerungen der Beschwerdeführerin über die Art und Weise ihres Waffentransportes (in der über die Schulter gehängten und unter den Arm geklemmten verschlossenen Handtasche) aber keinen Glauben schenkte. Nicht anders können nämlich ihre Ausführungen verstanden werden, es sei "unter diesen (gemeint: die von der Beschwerdeführerin angegebene Transportart) angeblichen Umständen … nicht nachvollziehbar, wie die Waffe aus der Tasche dann gestohlen worden sein soll".
Selbst wenn der Beschwerdeführerin zugestanden wird, dass Taschendiebe erfahrungsgemäß geschickt agieren, ist die oben angeführte Beweiswürdigung der belangten Behörde, der Diebstahl aus einer verschlossenen und unter den Arm geklemmten Handtasche erscheine ihr nicht "nachvollziehbar", zumindest nicht unschlüssig und daher nach dem auf die Schlüssigkeitsprüfung beschränkten Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu beanstanden.
Es ist daher - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nicht erwiesen, dass die Beschwerdeführerin die Waffe im Zeitpunkt des Diebstahls in der von ihr beschriebenen Art und Weise sorgfältig transportiert hat, also die Handtasche insbesondere - wie von ihr behauptet - unter den Arm geklemmt war. Ausgehend davon erweist sich die Beurteilung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe bei diesem Transport die nach den Umständen (stark frequentierter Ort in der Wiener Innenstadt) gebotene und zumutbare Sorgfalt nicht aufgewandt, und es mangle ihr an der daher an der waffenrechtlichen Verlässlichkeit, nicht als rechtswidrig (vgl auch dazu das - zu einer ähnlichen Sachverhaltskonstellation ergangene - hg Erkenntnis vom , Zl 2005/03/0239).
4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
ZAAAE-71732