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VwGH vom 27.03.2007, 2007/21/0019

VwGH vom 27.03.2007, 2007/21/0019

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2007/21/0051

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des A, vertreten durch Mag. Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Kirchengasse 19, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom , Zl. VwSen-400856/4/Gf/BP/CR, betreffend Schubhaft (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Libanon. Er reiste im Juli 2000 nach Deutschland und wurde am in seine Heimat abgeschoben.

Am gelangte der Beschwerdeführer nach Österreich, wo er am einen Asylantrag stellte. Diesen Antrag wies das Bundesasylamt mit am in Rechtskraft erwachsenem Bescheid ab; zugleich stellte es fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Libanon zulässig sei, und wies ihn aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Libanon aus.

Nachdem die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land gemäß § 22 AsylG vom rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens des Beschwerdeführers informiert worden war, erließ sie ein "Erhebungsersuchen" an die Polizeiinspektion Traun. Auf Grund dieses Ersuchens wurde der Beschwerdeführer am der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vorgeführt, die in der Folge mit Bescheid vom selben Tag gemäß "§ 76 Abs. 1 und 2" des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG iVm § 57 AVG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung in den Libanon verhängte. Die dagegen erhobene Beschwerde wies die belangte Behörde mit Bescheid vom gemäß §§ 82 und 83 FPG als unbegründet ab. Zugleich stellte sie fest, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin vorlägen. Diese Entscheidung begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass sich der Beschwerdeführer "offensichtlich" nicht rechtmäßig in Österreich aufhalte, weshalb die zur Sicherung der Abschiebung verhängte Schubhaft grundsätzlich auf § 76 Abs. 1 FPG gestützt werden könne. Dass der Beschwerdeführer mit einer seit in Österreich gemeldeten deutschen Staatsbürgerin verheiratet sei, vermöge daran nichts zu ändern. Die Anhaltung in Schubhaft sei aber auch als erforderlich anzusehen, weil der Beschwerdeführer schon in der Vergangenheit durch das Zuwiderhandeln gegen fremdenpolizeiliche Anordnungen dokumentiert habe, dass er nicht bereit sei, die Rechtsordnungen der von ihm angestrebten Aufnahmeländer zu respektieren. In diesem Zusammenhang sei darauf zu verweisen, dass er - wie eine Abfrage des Zentralen Melderegisters ergeben habe - in Österreich über keinen ordnungsgemäßen Wohnsitz verfüge; an der von ihm in der Schubhaftbeschwerde genannten Adresse sei nicht er selbst, sondern nur seine Ehegattin polizeilich gemeldet. Hinzu komme, dass es der Beschwerdeführer abgelehnt habe, bei der Behörde seinen Reisepass zu hinterlegen. Dies rechtfertige die Prognose, dass er - in Freiheit belassen - beabsichtigen werde, in die Illegalität unterzutauchen, um sich so seiner drohenden Abschiebung in den Libanon zu entziehen. Das ergebe sich auch mittelbar aus der durch einen Aktenvermerk dokumentierten - im Bescheid aber nicht näher dargestellten - Vorsprache der Ehegattin des Beschwerdeführers vom .

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:

1. In der behördlichen Gegenschrift wird zunächst ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei dem seinerzeitigen Vertreter des Beschwerdeführers vor seiner postalischen Übermittlung, die am erfolgte, bereits am per Telefax zugestellt worden, weshalb die gegenständliche, am zur Post gegebene Verwaltungsgerichtshofbeschwerde "verspätet sein dürfte".

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2004/06/0170, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgeführt hat, ist eine Zustellung durch Telefax bis grundsätzlich zulässig. Eine wirksame Zustellung setzt freilich voraus, dass das Fax auch tatsächlich zugegangen ist, was im vorliegenden Fall nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden kann. Das muss zu dem Ergebnis führen, dass die Behauptung des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom über die nicht erfolgte "Fax-Zustellung" als richtig anzunehmen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/13/0302, das ungeachtet der Änderungen des Zustellrechts durch die Novelle BGBl. I Nr. 10/2004 insoweit weiter anwendbar ist). Der vom Beschwerdeführer in der zuvor erwähnten Stellungnahme bloß in eventu gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der gegenständlichen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde ist daher keiner Erledigung zuzuführen.

2. In der Sache selbst kann der belangten Behörde dahingehend nicht entgegengetreten werden, dass sich der Beschwerdeführer rechtswidrig in Österreich aufhalte. Das folgt jedenfalls aus der am unstrittig in Rechtskraft erwachsenen asylrechtlichen Ausweisung, kraft derer sich der Beschwerdeführer in den Libanon zu begeben hätte. Dass er mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist, was nach Ansicht des Beschwerdeführers ein Aufenthaltsrecht begründe, vermag daran schon deshalb nichts zu ändern, weil im Schubhaftverfahren die Frage der Rechtmäßigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme keiner Prüfung zu unterziehen ist (vgl. zuletzt - bezüglich eines Aufenthaltsverbots - etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/21/0138). Auch eine gemeinschaftsrechtliche Betrachtung kann im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis führen. Nach der aktuellen Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) ist eine "bestandskräftige" Verwaltungsentscheidung nämlich u.a. nur dann zu hinterfragen, wenn die Entscheidung infolge eines Urteils eines in letzter Instanz entscheidenden nationalen Gerichts ihre Bestandskraft erlangt hat (siehe das Urteil vom in der Rs C- 453/00, Kühne & Heitz), was die Ausschöpfung der staatlichen Rechtsschutzeinrichtungen voraussetzt (siehe näher auch die Entscheidungsbesprechung von Potacs in EuR 2004/4, 595 ff.; vgl. auch das C- 234/04, Kapferer, sowie das Urteil des Verfassungsgerichtshofes vom , A 17/05). Gegenständlich ist aber die erstinstanzliche Ausweisungsentscheidung in Rechtskraft erwachsen.

Dennoch erweist sich die vorliegende Beschwerde als berechtigt. Sie zeigt nämlich zutreffend auf, dass der belangten Behörde eine Aktenwidrigkeit unterlaufen ist. Diese hat ein Sicherungsbedürfnis ua. deshalb bejaht, weil der Beschwerdeführer über keinen ordnungsgemäßen Wohnsitz in Österreich verfüge; eine Abfrage beim Zentralen Melderegister habe ergeben, dass zwar seine Ehegattin, nicht aber er selbst an der in seiner Schubhaftbeschwerde genannten Adresse polizeilich gemeldet sei. Demgegenüber erliegen in den Verwaltungsakten der erstinstanzlichen Schubhaftanordnung unmittelbar vorangehende Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, denen zufolge der Beschwerdeführer seit durchgehend ordnungsgemäß (vom bis und seit bis laufend an der selben Adresse wie seine deutsche Ehefrau) in Österreich gemeldet ist. Bei Vermeidung der aufgezeigten Aktenwidrigkeit hätte die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis gelangen können (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/21/0087), zumal auch die im bekämpften Bescheid weiter angesprochene Verweigerung der Hinterlegung des Reisepasses nicht in erster Linie auf ein "Untertauchen" des Beschwerdeführers "in die Illegalität" schließen lässt. Bezeichnender Weise wird die Abnahme der Reisepapiere in § 77 Abs. 3 FPG nicht als gelinderes Mittel erwähnt, während sie demgegenüber in § 180 Abs. 5 Z 5 StPO zur Hintanhaltung der strafgerichtlichen Untersuchungshaft - erkennbar zur Verhinderung einer Flucht des Tatverdächtigen ins Ausland (eine derartige "Flucht" wäre hier aber geradezu das Ziel fremdenpolizeilicher Maßnahmen!) - vorgesehen ist. Der bekämpfte Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am