VwGH vom 19.12.2012, 2012/08/0260

VwGH vom 19.12.2012, 2012/08/0260

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des S E in Z, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 303.13-1/2012-32, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der P. GmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft es als Dienstgeberin unterlassen habe,


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1.
den in der Unfallversicherung pflichtversicherten S M. und
2.
den in der Krankenversicherung pflichtversicherten R K. vor Arbeitsantritt am , 08.00 Uhr, beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Der Beschwerdeführer habe § 33 ASVG verletzt und werde gemäß § 111 Abs. 1 iVm Abs. 2 ASVG je Spruchpunkt mit einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.180,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von je 6 Tagen) bestraft.

Der Beschwerdeführer sei vom bis zum selbständig vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer der P. GmbH mit Sitz in J und dem Unternehmensgegenstand "Aufstellung und Betrieb von Wett-Terminals und Spielautomaten" gewesen. Die P. GmbH habe im Jahr 2010 u. a. ein Wettlokal in angemieteten Räumen in Innsbruck betrieben. In dieser Filiale sei G K. beschäftigt gewesen. Im Zuge von Haussanierungsarbeiten sei die P. GmbH von der Vermieterin ersucht worden, die Holzdeckenkonstruktionen des Lokals abzutragen und Brandschutzdecken zu montieren. In diesem Zusammenhang sei beabsichtigt gewesen, das Lokal zu adaptieren und den Estrich zu erneuern. Dafür seien Arbeitskräfte erforderlich gewesen. Der Beschwerdeführer habe G P., einen der Gesellschafter und ehemaligen handelsrechtlichen Geschäftsführer der P. GmbH, ersucht, ihn bei der Lokalsanierung zu unterstützen.

Als G K. den G P. am davon informiert habe, dass er für die Abtragungsarbeiten zwei Männer gefunden habe, habe G P. angekündigt, am um 10.00 Uhr beim Wettlokal zu sein. Die beiden Männer sollten sich dort mit ihren Papieren für eine Anmeldung zur Sozialversicherung einfinden. G P. habe bei der Firma Sch. drei Bauschuttcontainer bestellt, die am in der Früh vor dem Wettlokal aufgestellt worden seien. Er habe G K. nicht angewiesen, den Arbeitern zu sagen, dass vor seinem Eintreffen nicht mit den Arbeiten begonnen werden dürfe. G K. habe mit R K. noch am eine Besichtigung der Baustelle vorgenommen, ihm die vorzunehmenden Arbeiten (im Ausmaß von zwei bis drei Arbeitsstunden) gezeigt, ihm den Schlüssel zum Lokal übergeben und ihm gesagt, dass die Arbeiten schnell durchgeführt werden müssten, weil eine weitere Firma kommen würde. R K. würde S M. zur Arbeit mitbringen. Das für die Arbeiten erforderliche Werkzeug (Spitzhacke, Axt, Krampen, Leitern etc.) sei vor Ort vorhanden gewesen. G K. habe R K. auch mitgeteilt, dass G P. am nächsten Tag um 10.00 Uhr auf der Baustelle sein werde, wo auch über die Bezahlung gesprochen werden würde. Die Anmeldung zur Sozialversicherung werde über G P. erfolgen. R K. möge die entsprechenden Papiere mitbringen.

Am seien R K. und S M. bereits um 08.00 Uhr zur Baustelle gekommen und hätten sofort mit den Arbeiten begonnen. Bei einer Spontankontrolle durch Kontrollorgane des Finanzamtes I seien die Arbeiter um 09.00 Uhr bei ihrer Tätigkeit in den Räumlichkeiten der P. GmbH angetroffen worden. Als der von R K. verständigte G P. auf der Baustelle eingetroffen sei, sei die Kontrolle bereits beendet gewesen. S M. sei mangels entsprechender Voraussetzungen nicht weiterbeschäftigt worden. Er sei von der P. GmbH auch nicht nachträglich zur Sozialversicherung angemeldet worden. R K. sei vom Steuerberater der P. GmbH um 09.56 Uhr über das elektronische Datensammelsystem der Sozialversicherungsträger für die Tiroler Gebietskrankenkasse (ELDA) per als vollbeschäftigter Dienstnehmer zur Sozialversicherung gemeldet worden und in der Folge noch ca. 3 Wochen beschäftigt gewesen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, R K. und S M. seien als pflichtversicherte Dienstnehmer (Bauhilfsarbeiter) von der P. GmbH am ab 08.00 Uhr beschäftigt, jedoch nicht vor Arbeitsantritt zur Sozialversicherung angemeldet worden. Ein vollversicherungspflichtiges Dienstverhältnis sei nur hinsichtlich R K. vorgelegen. Bei S M. sei von einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen. Sohin liege in objektiver Hinsicht betreffend S M. (Spruchpunkt 1.) eine Übertretung des § 33 Abs. 1 iVm § 33 Abs. 2 ASVG und betreffend R K. (Spruchpunkt 2.) eine Übertretung des § 33 Abs. 1 ASVG vor.

Zum Verschulden des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde aus, es obliege dem Verantwortlichen einer juristischen Person, ein wirksames Kontrollsystem (zur Verhinderung eines Verstoßes gegen die genannten Verwaltungsvorschriften) einzurichten und es im Falle eines Verstoß gegen die entsprechenden Vorschriften im Einzelnen darzulegen. Die bloße Erteilung von Weisungen reiche nicht hin. Entscheidend sei, ob ein Kontrollsystem bestehe, das mit gutem Grund unter vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten lasse. Das Bestehen eines Kontrollsystems sei vom Beschwerdeführer nicht einmal behauptet worden. Auch ein allfälliges eigenmächtiges Vorgehen des G K. wäre dem Beschwerdeführer vorwerfbar, da das einzurichtende Kontrollsystem gerade in Fällen von eigenmächtigem Handeln von Arbeitnehmern Platz zu greifen habe. Dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen. Im Übrigen führte die belangte Behörde die Gründe für die Strafbemessung aus.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerde bestreitet, dass S M. und R K. vor dem in Aussicht genommenen Arbeitsantritt am , 10.00 Uhr, Dienstnehmer gewesen seien und damit eine Meldepflicht vorgelegen hätte.

Dem ist zu entgegnen, dass gemäß § 35 Abs. 1 ASVG als Dienstgeber iSd Bundesgesetzes derjenige gilt, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs(lehr)verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter anstelle des Entgelts verweist. Ein "Beschäftigungsverhältnis" iSd § 35 ASVG wird durch den "Einstellungsakt" (das ist die Aufnahme der Beschäftigung) begründet und bleibt so lange aufrecht, als ein übereinstimmender Wille vorliegt, dass (abhängige) Dienste entgeltlich geleistet und diese entgegengenommen werden. Das Bestehen eines "Verpflichtungsaktes" ist nicht Voraussetzung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , VwSlg. 4.495 A/1957, und vom , Zl. 2006/08/0113). Dadurch, dass die genannten Dienstnehmer auf Veranlassung des G K. und des G P. am um 08.00 Uhr für die P. GmbH zu arbeiten begonnen haben, ist ab diesem Zeitpunkt ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis zu dieser zustande gekommen.

Die Beschwerde bringt weiters vor, der Beschwerdeführer hätte alle Vorkehrungen getroffen, um nach Prüfung der arbeitsrechtlichen Papiere die notwendigen Anmeldungen bei der Tiroler Gebietskrankenkasse vor Arbeitsantritt vorzunehmen. Es sei vereinbart gewesen, dass sich die genannten Arbeitnehmer um 10.00 Uhr auf der Baustelle einzufinden hätten. Ein "effektiveres Kontrollsystem als die Papiere vor Arbeitsantritt durch eine dritte Person überprüfen zu lassen und diese sodann direkt vor Arbeitsantritt anmelden zu lassen", sei nicht denkbar. Eine Verpflichtung sicherzustellen, dass keiner der Arbeitnehmer schon vorher zu arbeiten beginne, liege außerhalb dessen, was in Betracht zu ziehen sei, und könne nicht erwartet werden.

Auch damit ist die Beschwerde nicht im Recht.

Übertretungen des § 33 ASVG sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Ungehorsamsdelikte iSd § 5 Abs. 1 VStG, weil zum Tatbestand dieser Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört. Das verantwortliche Organ ist strafbar, wenn es nicht genügende Vorkehrungen getroffen hat, um die Verwirklichung des Tatbildes durch den unmittelbaren Täter zu verhindern. In einem solchen Fall einer zur Last gelegten Unterlassung besteht gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG von vornherein die Vermutung eines Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters, welche aber von ihm widerlegt werden kann. Es wäre daher Sache des Beschwerdeführers gewesen, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Begehung der Verwaltungsübertretung kein Verschulden traf, und initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 97/03/0215, und vom , Zl. 98/08/0270).

Für die Befreiung von der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für eine unterbliebene Anmeldung zur Sozialversicherung ist die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems entscheidend. Die Erteilung entsprechender Weisungen entschuldigt den Arbeitgeber (bzw. den zu seiner Vertretung nach außen Berufenen) nur dann, wenn er dargelegt und nachgewiesen hat, dass er Maßnahmen ergriffen hat, die die Einhaltung der erteilten Anordnungen betreffend die Beachtung der Rechtsvorschriften über die Anmeldung von pflichtversicherten Dienstnehmern gewährleisten, insbesondere, welche Kontrollen er eingerichtet hat und wie er sich vom Funktionieren des Kontrollsystems informiert hat.

Der Beschwerdeführer hat zwar auf die Erteilung entsprechender Weisungen verwiesen, jedoch weder das Bestehen eines Kontrollsystems behauptet noch dargelegt, wie dieses Kontrollsystem im Einzelnen hätte funktionieren sollen. Damit ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Nichteinhaltung der verletzten Verwaltungsvorschriften kein Verschulden trifft.

Gegen die Höhe der Strafe wendet sich die Beschwerde nicht.

Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am