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VwGH vom 27.05.2010, 2007/21/0008

VwGH vom 27.05.2010, 2007/21/0008

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des Y, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schulgasse 7, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom , Zl. 147.020/2-III/4/06, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der am geborene Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte am - nachdem seinem in Österreich lebenden Vater H. mit Bescheid vom die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden war - von der Türkei aus einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG".

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 des mit in Kraft getretenen Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG ab.

Begründend führte sie aus, eine Bewilligung des nach der nunmehr geltenden Rechtslage als Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" zu wertenden Antrages hätte gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 5 NAG erfordert, dass der Aufenthalt des (unstrittig einkommens- und vermögenslosen) Beschwerdeführers zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könne. Sein Vater H. beziehe eine Pension von monatlich EUR 732,07 sowie eine Invalidenrente von EUR 250,31, unter Berücksichtigung der 14 x pro Jahr erfolgenden Auszahlung also ein monatliches Durchschnittseinkommen von EUR 1.146,11. Zur Errechnung der Unterhaltsmittel, die H. mindestens zur Verfügung stehen müssten, sei der Richtsatz gemäß § 293 ASVG heranzuziehen. Demnach müsste H. ein monatliches Einkommen von EUR 1.596,-- beziehen (Existenzminimum von EUR 837,--

zuzüglich EUR 690,-- für den Beschwerdeführer zuzüglich EUR 69,-- (EUR 300,-- "Mietkosten" abzüglich EUR 231,-- für "freie Kost und Logie") an Miete). Das genannte monatliche Nettoeinkommen des H., der eine Haftungserklärung abgegeben habe, reiche somit nicht aus.

Das belegte Sparguthaben (des H.) von EUR 10.000,-- habe als Nachweis eines gesicherten Lebensunterhaltes nicht berücksichtigt werden können, "zumal" es keinem dauerhaften Einkommen entspreche und somit kein taugliches Mittel als Nachweis "eines ständig gesicherten Lebensunterhaltes" darstelle.

Auch Y., der Onkel des Beschwerdeführers, habe eine Verpflichtungserklärung abgegeben. Da § 47 Abs. 3 NAG jedoch ausdrücklich darauf abstelle, dass eine Haftungserklärung nur vom Zusammenführenden abzugeben sei, und damit allein H. als Vater des Beschwerdeführers über die erforderlichen Unterhaltsmittel verfügen müsse, habe die Verpflichtungserklärung des Y. für die Berechnung der erforderlichen Unterhaltsmittel nicht herangezogen werden können.

Damit sei der Nachweis der Unterhaltsmittel nicht gelungen, sodass es sehr wahrscheinlich sei, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen würde. Der Antrag erweise sich somit als unberechtigt. § 11 Abs. 3 NAG iVm Art. 8 EMRK stehe diesem Ergebnis nicht entgegen, weil dadurch kein unbedingtes Recht auf ein gemeinsames Familienleben in einem von den Familienmitgliedern gewählten Vertragsstaat begründet werde. Auch bestehe "nicht die grundsätzliche Verpflichtung zur Herstellung des Familienlebens; jeder Vertragsstaat habe das Recht, die Einreise von Nichtstaatsangehörigen einer Kontrolle zu unterwerfen".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorweg ist festzuhalten, dass der gegenständliche, bei Inkrafttreten des NAG am anhängige Fall gemäß § 81 Abs. 1 NAG nach diesem Gesetz zu Ende zu führen war. Unter Berücksichtigung des Zeitpunktes der Bescheiderlassung ist die Rechtslage nach dem NAG idF des BGBl. I Nr. 99/2006 maßgeblich.

§ 11 NAG (idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 122/2009) hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

"§ 11. (...)

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

(...)

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

(...)

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z. 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z. 3) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten dessen pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht zu berücksichtigen."

Der nach § 11 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 5 NAG zu fordernde Unterhalt muss für die beabsichtigte Dauer des Aufenthalts des Fremden gesichert sein, wobei diese Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen dürfen. Entgegen der wiedergegebenen Ansicht der belangten Behörde kommt allerdings der Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel auch durch Spareinlagen in Betracht (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0835, mwN).

Der beantragte Aufenthaltstitel wäre gemäß § 20 Abs. 1 NAG für die Dauer von zwölf Monaten auszustellen. Wenn nun nach der behördlichen Ansicht einem monatlichen Durchschnittseinkommen von EUR 1.146,11 ein Bedarf von EUR 1.596,-- gegenübersteht, so ist diese Differenz, hochgerechnet auf ein Jahr, durch das vorhandene Sparguthaben des H. von EUR 10.000,-- bei weitem gedeckt. Somit hätte die belangte Behörde, welche die weiteren Voraussetzungen für die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels nicht in Frage gestellt hat, schon ausgehend von ihrer eigenen Berechnung das Vorliegen ausreichender Unterhaltsmittel nicht verneinen dürfen (siehe zum Ganzen auch das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2008/21/0040).

Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
PAAAE-71718