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VwGH vom 21.10.2011, 2010/03/0156

VwGH vom 21.10.2011, 2010/03/0156

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des A S in W, vertreten durch Prof. Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom , Zl E1/324.280/2008, betreffend Entziehung einer Waffenbesitzkarte, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid entzog die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs 3 in Verbindung mit § 8 Abs 1 des Waffengesetzes 1996, BGBl I Nr 12/1997 (WaffG), die dem Beschwerdeführer am ausgestellte Waffenbesitzkarte Nr A-0.

Begründend führte sie aus, im Zuge einer seitens der Erstbehörde durchgeführten Verwahrungsüberprüfung hinsichtlich der vom Beschwerdeführer gemeldeten Schusswaffen sei die im Waffenregister angeführte Waffe "P 38, Nr. 1" beim Beschwerdeführer nicht vorgefunden worden. Er mache geltend, dass er die "Pistole 08" im Jahr 2006 nach dem EU-Beitritt Polens nach Österreich verbracht habe. Nach Verbringung der "Pistole 08" nach Österreich sei es zur Beschlagnahme der Waffe gekommen, bevor er sie registrieren lassen habe können. Danach habe er die Ausfuhr der gegenständlichen Waffe deswegen durchgeführt, weil ihm von Organen der Bundespolizeidirektion Wien erklärt worden sei, dass die Waffe "illegal" sei. Diese Behauptung sei aber nicht korrekt gewesen. Die Waffe befinde sich nunmehr in Polen.

Hierzu habe die belangte Behörde erwogen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Wertung einer Person als "verlässlich" im Sinne des WaffG ihre gesamte Geisteshaltung und Sinnesart ins Auge zu fassen sei. Dabei könne bereits auf der Grundlage eines einzigen Vorfalls wegen besonderer Umstände der Schluss gerechtfertigt sein, der vom Entzug waffenrechtlicher Urkunden Betroffene biete keine hinreichende Gewähr mehr, dass er von Waffen keinen missbräuchlichen oder leichtfertigen Gebrauch machen werde. Der Beschwerdeführer bringe zunächst vor, er habe besagte Pistole im Jahr 2006 in das Bundesgebiet und in weiterer Folge wieder nach Polen gebracht. Eine Erlaubnis gemäß § 37 Abs 1 WaffG bzw eine Bewilligung gemäß § 38 Abs 2 WaffG für diese Vorgänge sei aber nicht aktenkundig und werde auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Die Erstbehörde habe in einer Gesamtbetrachtung diese Vorgänge gegen den Beschwerdeführer zu Recht ins Treffen geführt. Zwar rechtfertige das Verbringen von Waffen ohne eine Erlaubnis gemäß § 37 Abs 1 WaffG bzw ohne Bewilligung gemäß § 38 Abs 2 WaffG allein noch nicht die Annahme der Unverlässlichkeit im Sinne des WaffG, jedoch sei dieser Umstand im Rahmen einer gesamthaften Beurteilung der Geisteshaltung und Sinnesart des Beschwerdeführers zu berücksichtigen. Unbestritten sei, dass sich der Inhaber einer waffenrechtlichen Urkunde mit den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen, die im Umgang mit Waffen von Bedeutung sind, vertraut zu machen und sie zu befolgen habe. Weiters unbestritten sei, dass der Beschwerdeführer insgesamt zwei Mal eine Waffe unter Missachtung waffenrechtlicher Normen nach Österreich und Polen verbracht habe. Dieses zweimalige Fehlverhalten lasse beim Beschwerdeführer eine Geringschätzung waffenrechtlicher Normen erkennen, weshalb die Erstbehörde zu Recht von seiner Unverlässlichkeit ausgegangen sei.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten unter Abstandnahme auf eine Gegenschrift vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 25 Abs 3 WaffG hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen, wenn sich ergibt, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist, wobei die "Verlässlichkeit" in § 8 WaffG näher umschrieben wird.

Der belangten Behörde ist zwar zuzustimmen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Wertung einer Person als "verlässlich" im Sinn des WaffG ihre gesamte Geisteshaltung und Sinnesart ins Auge zu fassen ist. Wie sie richtig erkannt hat, rechtfertigt das Verbringen einer Waffe in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ohne entsprechende Erlaubnis (ebenso wie der unbefugte Besitz von Waffen) allein mangels ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung noch nicht die Annahme der Unverlässlichkeit im Sinne des WaffG (vgl dazu etwa das hg Erkenntnis vom , Zl 2005/03/0030, mwN). Derartige Verstöße können die Entziehung von waffenrechtlichen Urkunden wegen mangelnder Verlässlichkeit aber dann rechtfertigen, wenn sie im Rahmen einer gesamthaften Beurteilung der Geisteshaltung und Sinnesart des Betroffenen die Verlässlichkeit in Frage stellen. Davon kann im Sinne des zuvor zitierten hg Erkenntnisses etwa dann ausgegangen werden, wenn ein solcher Verstoß zu weiteren berücksichtigungswürdigen Umständen hinzutritt (im dortigen Verfahren wurde von der belangten Behörde neben dem Verbringen der Waffe ohne eine Erlaubnis nach § 37 Abs 1 WaffG bzw ohne Bewilligung gemäß § 38 Abs 2 WaffG auch noch die nicht nachgewiesene sichere Verwahrung der Waffe sowie ein unsachgemäßer Umgang mit einer anderen Waffe geltend gemacht).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde zwar einerseits - richtig - argumentiert, dass die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verstöße gegen die Ein- bzw Ausfuhr von Waffen allein nicht ausreichen, ihm die Verlässlichkeit abzusprechen. Im Ergebnis hat sie trotzdem nur diese Verstöße dazu herangezogen, um dem Beschwerdeführer das ausgestellte waffenrechtliche Dokument zu entziehen. Für die (erforderliche) "gesamthafte Beurteilung" der Geisteshaltung und Sinnesart des Betroffenen reicht diese Begründung - ohne Hinzutreten weiterer Umstände - nach dem zuvor Gesagten aber nicht aus.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
DAAAE-71693