VwGH vom 21.10.2011, 2010/03/0147
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des F S in S, vertreten durch Dr. Michael Langhofer, Rechtsanwalt in 5202 Neumarkt/Wallersee, Hauptstraße 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Salzburg vom , Zl E1/1421/7/2010, betreffend Entziehung eines Waffenpasses, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid entzog die belangte Behörde dem Beschwerdeführer den am ausgestellten Waffenpass Nr A-0, wegen mangelnder waffenrechtlicher Verlässlichkeit im Sinne des § 8 Abs 1 Z 1Waffengesetz 1996 (WaffG).
Dieser Entscheidung legte sie folgenden Sachverhalt zu Grunde (Fehler im Original; Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):
"Am wurde von Exekutivbeamten der PI S. ein Bericht an die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde übermittelt, woraus hervorging, dass es am zwischen 09.30 Uhr und 11.30 Uhr im Rahmen einer Zwangsräumung auf dem Anwesen S, durch die Exekutionsabteilung des Bezirksgerichts S., GZ. …, über Betreiben des Objektinhabers Sch. J. (ihr Neffe) gegenüber der verpflichtenden Partei Sch. M. (ihre Ehegattin) und Ihnen selbst zu folgenden Zwischenfällen kam:
Im Verlauf der Räumung verloren Sie mehrmals ihre Beherrschung, wobei sie unter anderem plötzlich mit den Fäusten auf den Betreiber der Zwangsräumung Ihren Neffen Sch. J. losgehen wollten. Nach derartigen Aggressionsphasen verfielen sie anschließend wieder in depressive Phasen, wobei sie mit einem Seil in den Wald liefen. Dort befestigten Sie das Seil an einem Baum und erweckten Sie bei den anwesenden Exekutivbeamten den Eindruck sich das Leben nehmen zu wollen. Als Sie daran gehindert wurden, sich in der Folge wieder beruhigt hatten, wurden Sie von Ihrer Ehegattin zum Wohnhaus geführt. Noch vor der Abfahrt zum Wohnhaus äußerten Sie sich gegenüber den Exekutivbeamten dahingehend, dass Sie vor Tagen ein Gespräch mit dem örtlichen Pfarrer geführt und diesen gewarnt hätten, dass er sich in den nächsten Tagen auf ein Massenbegräbnis einrichten könne.
Erhebungen beim örtlichen Pfarrer, Dechant R. R., haben ergeben, dass ein derartiges Gespräch nie stattgefunden hat, jedoch zu befürchten wäre, dass die Situation um den Hofstreit in den Sie mit Ihrem Neffen verwickelt sind, der schon über Jahre auf dem Gerichtsweg ausgetragen wird, eskalieren könnte.
Bereits im Vorfeld wurden auf Grund des Umstandes, dass es bereits vor og. Räumungstermin in diesem Zusammenhang zu Eskalationen gekommen war und befürchtet werden musste, dass es im Zuge der zwangsweisen Räumung am wiederrum zu Eskalationen bzw. Gewaltaktionen Ihrerseits gegenüber der betreibenden Partei Ihrem Neffen Sch. J. bzw. gegenüber den vollziehenden Organen, zwei Exekutivbeamte über Aufforderung des BG S. zur Assistenzleistung beigezogen.
Mit Ihrem Einverständnis wurden nach og. Vorfall die Waffen
... samt Munition, die sich in Ihrem Besitz befanden, von den
Exekutivbeamten einbehalten und in der Folge auf der PI S. aufbewahrt.
Mit Schreiben der BH Z. vom wurde ein waffenrechtliches Verfahren betreffend Entzug des waffenrechtlichen Dokumentes eingeleitet, in der Folge wurde am eine amtsärztliche Untersuchung samt waffenpsychologischem Gutachten angeordnet.
Hiefür suchten sie am die psychologische Untersuchungsstelle I. in S. auf, welche ein waffenpsychologisches Screening erstellte. Die damaligen Testergebnisse für generelle Waffentauglichkeit, ohne die Ursache zu wissen, weshalb ein psychiatrisches Gutachten gefordert wurde, ergab eine positive Beurteilung. Jedoch war im Sinne des § 1 Abs 2 WaffG eine waffenpsychologische Verlässlichkeitsprüfung gefordert, welche am nachgeholt wurde.
Dabei wurde zusammenfassend festgestellt, dass Sie in sämtlichen Testverfahren eine Abwehrhaltung sowie Beschönigungstendenzen aufwiesen, Sie Konflikten und seelischen Schwächen wenig selbstkritisch gegenüberstehen und eine Aggressionshemmung zeige eine latente Aggressionsbereitschaft, die in Konfliktsituationen zu tragen kommen könnte.
Somit konnte auf Grund Ihrer Lebenssituation und der weiteren Testverfahren aus fachpsychologischer Sicht keine positive Beurteilung gemäß § 8 Abs 7 WaffG 1996 festgestellt werden."
Rechtlich folgerte die belangte Behörde, im Falle des Beschwerdeführers sei für die anberaumte Zwangsräumung am vom zuständigen Bezirksgericht die Assistenzleistung von Exekutivbeamten angefordert worden, weil es bereits vor dem Räumungstermin in diesem Zusammenhang zu Eskalationen gekommen sei und befürchtet werden habe müssen, dass es erneut zu Gewaltaktionen des Beschwerdeführers gegenüber der betreibenden Partei der Zwangsräumung und der vollziehenden Organe des Gerichts kommen würde. Im Zuge der Zwangsräumung sei es dann tatsächlich zu Gewaltaktionen des Beschwerdeführers gekommen, als dieser auf den Neffen mit den Fäusten losgehen habe wollen und wenig später mit einem Seil in den Wald gelaufen sei, wodurch bei den Exekutivbeamten der Eindruck erweckt worden sei, er wolle sich offensichtlich das Leben nehmen. Mit diesem Vorfall habe der Beschwerdeführer "im Sinne des § 8 WaffG (seinen) Mangel an Verlässlichkeit deutlich zum Ausdruck gebracht". Aus fachpsychologischer Sicht habe ihm auch keine positive Beurteilung ausgestellt werden können. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei mit der Entziehung der waffenrechtlichen Urkunde auch dann vorzugehen, wenn im Einzelfall ein nur einmal gesetztes Verhalten den Umständen nach die Folgerung rechtfertige, der Urkundeninhaber gewährleiste nicht mehr das Zutreffen der in § 8 Abs 1 WaffG genannten Voraussetzungen. Nicht erforderlich für den Entzug eines Waffenpasses sei jedenfalls eine tatsächliche missbräuchliche Verwendung von Schusswaffen, weil als "Tatsachen" im Sinn des § 8 Abs 1 WaffG die vom Beschwerdeführer gezeigten sorglosen Verhaltensweisen beurteilt würden und diese im Umgang mit Schusswaffen eine negative Prognose für ein zukünftiges Verhalten zuließen. Es sei daher unter Berücksichtigung aller für und gegen diese Maßnahme sprechenden Umstände mit Entzug des Waffenpasses vorzugehen gewesen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und stellte den Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Gemäß § 25 Abs 3 Waffengesetz 1996, BGBl I Nr 12/1997 (WaffG), hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen, wenn sich ergibt, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist. Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 WaffG ist ein Mensch verlässlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er Waffen missbräuchlich oder leichtfertigt verwenden wird. § 8 Abs 2 WaffG enthält Tatbestände, bei deren Erfüllung ein Mensch keinesfalls verlässlich ist.
Gemäß § 25 Abs 2 WaffG hat die Behörde die Verlässlichkeit des Inhabers einer waffenrechtlichen Urkunde zu überprüfen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist. Sofern sich diese Anhaltspunkte auf einen der in § 8 Abs 2 WaffG genannten Gründe oder darauf beziehen, dass der Betroffene dazu neigen könnte, insbesondere unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sich leichtfertig zu verwenden, ist die Behörde zu einem entsprechenden Vorgehen gemäß § 8 Abs 7 WaffG ermächtigt. § 8 Abs 7 WaffG sieht vor, dass Antragsteller (die nicht Inhaber einer Jagdkarte sind) ein Gutachten darüber beizubringen haben, ob sie dazu neigen, insbesondere unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden.
2. Im vorliegenden Fall verneinte die belangte Behörde die waffenrechtliche Verlässlichkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 8 Abs 1 Z 1 WaffG und bezog sich dabei auf sein anlässlich des Vorfalls vom gezeigtes eigenund fremdgefährdendes Verhalten. Zusätzlich wies sie auf die waffenpsychologische Verlässlichkeitsüberprüfung vom hin, die zu dem Ergebnis gekommen war, dass beim Beschwerdeführer "keine positive Beurteilung" gemäß § 8 Abs 7 WaffG ausgestellt werden könne, also nicht auszuschließen sei, dass er unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig umgehen oder sie leichtfertig verwenden könnte. Die Beschwerde wendet dagegen ein, es sei nicht zulässig, den Waffenpass lediglich auf Grund eines einzigen Vorfalls zu entziehen, noch dazu, wo der Beschwerdeführer niemanden mit Waffen bedroht habe und auch niemals die Absicht gehabt habe, sich mit einer Waffe eventuell das Leben zu nehmen bzw sich zu erhängen.
Dem ist zu erwidern, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses nach Sinn und Zweck der Regelungen des WaffG bei der Beurteilung der Verlässlichkeit ein strenger Maßstab anzulegen ist. Mit Entziehung der waffenrechtlichen Urkunde ist auch dann vorzugehen, wenn im Einzelfall ein nur einmal gesetztes Verhalten den Umständen nach die Folgerung rechtfertigt, der Urkundeninhaber gewährleiste nicht mehr das Zutreffen der in § 8 Abs 1 WaffG genannten Voraussetzungen (vgl dazu etwa das hg Erkenntnis vom , Zl 2009/03/0156, mwN).
Ausgehend davon kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie den von ihr festgestellten Vorfall (die Beschwerde bestreitet zwar, dass sich der Beschwerdeführer tatsächlich das Leben nehmen habe wollen, lässt die objektiv festgestellten Umstände aber unbestritten) in Verbindung mit dem eingeholten psychologischen Gutachten als ausreichend ansah, um die von ihr angestellte (für den Beschwerdeführer negative) Prognose zu erstellen und dem Beschwerdeführer die Verlässlichkeit abzusprechen.
Soweit die Beschwerde das Gutachten als "vollkommen unschlüssig" bezeichnet, vermag sie nicht zu überzeugen. Zum einen ist - entgegen dem Beschwerdevorbringen - zwischen der von der Gutachterin befundeten reduzierten reaktiven und konzentrativen Belastbarkeit einerseits und der daraus gezogenen Schlussfolgerung, die reaktive und konzentrative Belastbarkeit sei derzeit "grenzwertig" andererseits, kein - mit den Denkgesetzen nicht in Einklang stehender - Widerspruch zu sehen. Auch der Umstand, dass in einem vorangegangenen waffenpsychologischen "Screening" vom noch eine positive Beurteilung ausgestellt worden war, vermag die anderslautende Einschätzung im späteren Gutachten nicht zu entkräften, zumal in diesem Gutachten ausdrücklich festgehalten wurde, dass vor seiner Erstellung weitere Testverfahren durchgeführt wurden, also die Beurteilungsgrundlage für die Gutachterin entsprechend erweitert worden war, wodurch sich auch die Änderung ihrer Beurteilung erklären lässt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
QAAAE-71680