VwGH vom 07.12.2016, Ra 2016/22/0013

VwGH vom 07.12.2016, Ra 2016/22/0013

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, Hofrätin Mag.a Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr, Dr. Schwarz und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Revision des Landeshauptmannes von Niederösterreich gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , LVwG-AV-928/001-2015, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Partei: HS in G, vertreten durch Dr. Herwig Ernst, Rechtsanwalt in 2100 Korneuburg, Hauptplatz 32), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Partei, eine mazedonische Staatsangehörige, stellte - ebenso wie ihre Tochter A S - am einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 46 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zum Zweck der Familienzusammenführung mit ihrem Ehemann (bzw. dem Vater der A S), dem in Österreich mit einem Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" niedergelassenen mazedonischen Staatsangehörigen M S.

2 Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich (Revisionswerber) vom wurde dieser Antrag gemäß § 11 Abs. 2 Z 2 und 4 in Verbindung mit Abs. 5 NAG (Fehlen einer ortsüblichen Unterkunft sowie hinreichender Unterhaltsmittel) abgewiesen. Der Antrag der A S wurde ebenfalls abgewiesen.

3 Sowohl die mitbeteiligte Partei als auch A S erhoben dagegen jeweils Beschwerde.

4 Das Verwaltungsgericht führte am in beiden Beschwerdeverfahren eine gemeinsame mündliche Verhandlung durch. Seitens des Revisionswerbers wurde eingangs darauf hingewiesen, dass A S mittlerweile volljährig und somit nicht mehr Familienangehörige im Sinn des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG sei. Auf die Frage, ob ihr Sohn auch nach Österreich kommen wolle, gab die mitbeteiligte Partei an, dass dieser die Schule in Mazedonien abschließen wolle. Weiters führte sie aus, dass sie - sollte sie einen Aufenthaltstitel bekommen, ihre beiden Kinder jedoch nicht - ihre Kinder nicht allein lassen wolle, sie würde dann mit ihrer Tochter leben.

5 Die Beschwerde der A S wurde mit Erkenntnis vom abgewiesen.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis ebenfalls vom gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde der mitbeteiligten Partei statt und erteilte ihr einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 46 Abs. 1 Z 1 NAG. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.

Das Verwaltungsgericht bejahte mit jeweils näherer Begründung das Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen der Z 2 (ortsübliche Unterkunft) und 4 (hinreichende Unterhaltsmittel) des § 11 Abs. 2 NAG. Da die mitbeteiligte Partei sämtliche Erteilungsvoraussetzungen erfülle, sei der beantragte Aufenthaltstitel zu erteilen. Weiters hielt das Verwaltungsgericht wie folgt fest:

"Ohne Belang bleibt zudem auch der Einwand der Verwaltungsbehörde, dass von der (mitbeteiligten Partei) im Rahmen der Verhandlung vom angegeben wurde, dass diese nicht den Aufenthaltstitel anstrebe, wenn der der Tochter abgewiesen werde, zumal eine Antragstellung unter einer Bedingung gesetzlich nicht vorgesehen ist, ein solcher von der (mitbeteiligten Partei) auch nicht gestellt wurde und es vielmehr im Ermessen der (mitbeteiligten Partei) selbst steht, nach Erteilung des von ihr tatsächlich beauftragten (gemeint: beantragten) Aufenthaltstitels von diesem auch tatsächlich Gebrauch zu machen."

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der belangten Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht.

8 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Der Revisionswerber bringt vor, es sei für die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" erforderlich, dass der Antragsteller eine Niederlassung im Sinn der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 NAG in Österreich anstrebe. Dass der Niederlassungswille Voraussetzung für eine Titelerteilung sei, ergebe sich auch aus der Regelung des § 10 Abs. 2 NAG betreffend die Ungültigkeit von Aufenthaltstiteln und aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2011/22/0124, 0125. Angesichts ihrer Äußerung in der mündlichen Verhandlung fehle es der mitbeteiligten Partei aber (im Hinblick auf die erfolgte Abweisung der Beschwerde ihrer Tochter) am Niederlassungswillen. Dies habe das Verwaltungsgericht verkannt bzw. habe es den für die gegenständliche Beurteilung wesentlichen Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt.

10 Die Revision ist aus nachstehenden Gründen - entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Verwaltungsgerichtes - zulässig, aber nicht berechtigt.

11 Die mitbeteiligte Partei hat die Erteilung einer "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 46 Abs. 1 NAG und damit die Erteilung eines nach § 8 Abs. 1 Z 2 NAG zur befristeten Niederlassung berechtigenden Aufenthaltstitels beantragt.

12 Nach seinem § 1 Abs. 1 regelt das NAG (u.a.) die Erteilung von Aufenthaltstiteln von Fremden, die sich länger als sechs Monate im Bundesgebiet aufhalten oder aufhalten wollen. Konstitutive Berechtigungen für einen Aufenthalt unter sechs Monaten fallen nicht in den Geltungsbereich des NAG, sondern sind im Fremdenpolizeigesetz geregelt (siehe RV 952 BlgNR 22. GP 114).

Nach der Definition des § 2 Abs. 2 NAG ist die Niederlassung der tatsächlich oder zukünftig beabsichtigte Aufenthalt im Bundesgebiet zum Zweck der Begründung eines Wohnsitzes, der länger als sechs Monate im Jahr tatsächlich besteht (Z 1), der Begründung eines Mittelpunktes der Lebensinteressen (Z 2) oder der Aufnahme einer nicht bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit (Z 3). Die Erläuterungen bezeichnen die Niederlassung als eine qualifizierte Form des rechtmäßigen Aufenthalts, wobei wesentlich beim Aufenthaltszweck die Dauerperspektive des Aufenthalts des Betreffenden ist, der jedenfalls zumindest sechs Monate betragen muss und von dem bloß vorübergehende Aufenthalte von Fremden bis zu sechs Monaten zu unterscheiden sind, die nach § 1 Abs. 1 aus dem Geltungsbereich des NAG fallen (RV 952 BlgNR 22. GP 116).

Zudem unterscheidet das NAG zwischen Aufenthaltstiteln zur Niederlassung und Aufenthaltsbewilligungen zum bloß vorübergehenden Aufenthalt ohne Niederlassungsabsicht. Die Niederlassungsabsicht dient somit der Abgrenzung von zur Niederlassung berechtigenden Aufenthaltstiteln wie der hier beantragten "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" und Aufenthaltsbewilligungen (vgl. die Erläuterungen zu den Aufenthaltsbewilligungen gemäß den §§ 58 und 60 NAG, RV 952 BlgNR

22. GP 144). Das Abstellen auf die Absicht beinhaltet jedenfalls ein subjektives Element (siehe auch Czech , in Abermann/Czech/Kind/Peyrl , NAG Kommentar, § 2 Rz 38). Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , 2008/22/0880, festgehalten, dass die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nur dann in Betracht kommt, wenn keine Absicht zur Niederlassung im Sinn des § 2 Abs. 2 NAG besteht. Umgekehrt ist für die Erteilung eines zur Niederlassung berechtigenden Aufenthaltstitels nach dem NAG (wie dem hier beantragten) erforderlich, dass eine Niederlassungsabsicht besteht (in diese Richtung auch das vom Revisionswerber zitierte hg. Erkenntnis vom , 2011/22/1024, 0125).

13 Ausgehend davon geht das vom Verwaltungsgericht herangezogene Begründungselement, wonach es im Ermessen der mitbeteiligten Partei stehe, nach Erteilung des von ihr beantragten Aufenthaltstitels von diesem auch tatsächlich Gebrauch zu machen, an dem vom Revisionswerber aufgezeigten Problem vorbei, weil damit keine Aussage zum Vorliegen einer Niederlassungsabsicht bei Entscheidung über den Antrag verbunden ist.

14 Das Verwaltungsgericht hat aber zudem hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es der Äußerung der mitbeteiligten Partei eben keinen die Niederlassungsabsicht verneinenden Inhalt beigemessen hat (arg.: "zumal (...) ein solcher (Antrag unter einer Bedingung) von der (mitbeteiligten Partei) auch nicht gestellt wurde"). Diese Auffassung kann sich auf den Umstand stützen, dass die mitbeteiligte Partei ihren Antrag aufrechterhalten (und nicht zurückgezogen) hat (vgl. zur Bedeutung der Zurückziehung eines Antrags für die Aufgabe des Niederlassungswillens das hg. Erkenntnis vom , 99/19/0141). Zudem hat die mitbeteiligte Partei auf ihre beiden Kinder bzw. darauf, dass beide Kinder keinen Aufenthaltstitel bekommen, verwiesen, obwohl der Sohn der mitbeteiligten Partei überhaupt noch keinen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt hat und ein solcher Antrag nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes erst für September 2016 geplant gewesen sei, womit die Aussage der mitbeteiligten Partei als von einem konkreten Verfahren auf Titelerteilung (ihre Kinder betreffend) losgelöst angesehen werden muss. Es ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass das Verwaltungsgericht die Niederlassungsabsicht der mitbeteiligten Partei im Hinblick auf den von ihr beantragten, für ein Jahr zu erteilenden Aufenthaltstitel im Ergebnis nicht verneint hat.

15 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

16 Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am