Suchen Hilfe
VwGH vom 17.06.2010, 2007/20/0148

VwGH vom 17.06.2010, 2007/20/0148

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2007/20/0149

2007/20/0151

2007/20/0150

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Händschke sowie die Hofrätin Dr. Pollak und den Hofrat Mag. Dr. Wurdinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hahnl, über die Beschwerden von 1. L, 2. M,

3. R und 4. S, alle vertreten durch Dr. Klaus Kocher und Mag. Wilfried Bucher, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Sackstraße 36/II, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zlen. 260.608/7-VII/19/06 (ad 1.), 257.780/6-VII/19/06 (ad 2.), 257.932/6-VII/19/06 (ad 3.) und 257.779/12-VII/19/06 (ad 4.), betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (1. und 4.) und §§ 10, 11 Asylgesetz 1997 (2. und 3.) (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Der erst- und der viertangefochtene Bescheid werden insoweit, als damit jeweils Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung) bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den erst- und viertbeschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von je EUR 1.106,40, insgesamt somit EUR 2.212,80, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerden abgelehnt.

Ein Aufwandersatz in den Verfahren der zweit- und drittbeschwerdeführenden Parteien findet nicht statt.

Begründung

Der Viertbeschwerdeführer reiste gemeinsam mit seiner Ehefrau (Zweitbeschwerdeführerin) und dem gemeinsamen Sohn (Drittbeschwerdeführer) am in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag. Die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer stellten am selben Tag Asylerstreckungsanträge in Bezug auf den Asylantrag des Viertbeschwerdeführers. Die Erstbeschwerdeführerin wurde am in Österreich geboren und brachte am , vertreten durch die Kindesmutter, einen Asylantrag ein. Alle Beschwerdeführer sind russische Staatsangehörige tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit.

Mit den im Instanzenzug ergangenen erst- und viertangefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen der erst- und viertbeschwerdeführenden Parteien gegen die ihren jeweiligen Asylantrag abweisenden Bescheide des Bundesasylamts vom und vom gemäß §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG) ab und bestätigte die erstinstanzlichen Ausweisungen mit der Maßgabe, dass diese zielstaatsbezogen formuliert wurden.

Die Asylerstreckungsanträge der zweit- und drittbeschwerdeführenden Parteien wurden mit den im Instanzenzug ergangenen zweit- und drittangefochtenen Bescheiden gemäß § 10 iVm 11 Abs. 1 AsylG (in der gemäß § 44 Abs. 1 AsylG anzuwendenden Fassung vor der Novelle 2003) abgewiesen.

Zur Ausweisung der erst- und viertbeschwerdeführenden Parteien führte die belangte Behörde begründend aus, die Asylverfahren der zweit- und drittbeschwerdeführenden Parteien (Frau und Sohn des Viertbeschwerdeführers bzw. Mutter und Bruder der Erstbeschwerdeführerin) seien ebenfalls rechtskräftig negativ abgeschlossen worden, weshalb für die erst- und viertbeschwerdeführenden Parteien "kein Familienbezug zu einem dauerhaft aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich" vorliege. Die Ausweisung verletze sie daher nicht in ihrem Recht auf Achtung des Privat und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

I. Die belangte Behörde hat mit der Bestätigung der Ausweisungen der erst- und viertbeschwerdeführenden Parteien die Rechtslage verkannt. Infolge der asylrechtlichen Ausweisungen erscheint es möglich, dass der Viertbeschwerdeführer und die Erstbeschwerdeführerin das Bundesgebiet ohne Ehefrau bzw. Mutter und Sohn bzw. Bruder zu verlassen haben. Die Ausweisung stellt somit einen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Familienleben der erst- und viertbeschwerdeführenden Parteien dar, welcher einer Rechtfertigung bedürfte. Eine derartige Rechtfertigung enthalten die erst- und viertangefochtenen Bescheide jedoch nicht, zumal die belangte Behörde auch nicht dargelegt hat, warum öffentliche Interessen es erfordern würden, dass die erst- und viertbeschwerdeführenden Parteien Österreich schon vor einer allfälligen Entscheidung der zuständigen Fremdenbehörde über die Ausweisung der übrigen Familienmitglieder verlassen müssten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/19/0851, und ihm folgend jüngst die hg. Erkenntnisse vom , Zlen. 2008/19/0393, 0394, und vom , Zlen. 2008/23/1122, 1123, 1125, jeweils mwN).

Der erst- und der viertangefochtene Bescheid waren daher insoweit, als damit die Ausweisung der erst- und viertbeschwerdeführenden Parteien in die Russische Föderation verfügt wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

II. Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Beschwerden werfen - soweit sie sich nicht auf die Ausweisungen der erst- und viertbeschwerdeführenden Parteien beziehen - keine für die Entscheidung dieser Fälle maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden, liegen nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerden im angeführten Umfang abzulehnen.

Den Verfahrensaufwand vor dem Verwaltungsgerichtshof haben die zweit- und drittbeschwerdeführenden Parteien in diesem Fall selbst zu tragen (§ 58 Abs. 1 VwGG).

Wien, am

Fundstelle(n):
HAAAE-71618