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VwGH vom 31.07.2014, 2012/08/0232

VwGH vom 31.07.2014, 2012/08/0232

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde 1. des Pressedienstes A, 2. der Mag. K K, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Anton Paul Schaffer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 17/16, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. BMASK-427850/0001-II/A/3/2012, betreffend Zurückweisung einer Berufung (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse in 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse vom wurde die am erstattete Anmeldung der Zweitbeschwerdeführerin zur Pflichtversicherung ab abgelehnt, da kein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis gemäß § 5 Abs. 2 ASVG vorliege.

Dagegen erhoben beide beschwerdeführenden Parteien Einspruch.

Mit Bescheid vom wies der Landeshauptmann von Wien den Einspruch der "Dienstgeberin 'Pressedienst A'", sohin der erstbeschwerdeführenden Partei, als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.

Gegen diesen Bescheid erhoben wiederum beide Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom wurde die Berufung wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen.

Nach Darlegung des Verwaltungsgeschehens und Anführung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde aus, dass laut Vereinsstatuten des erstbeschwerdeführenden Vereins schriftliche Ausfertigungen des Vereins zu ihrer Gültigkeit der Unterschriften des Obmanns und des Schriftführer-Kassiers bedürfen. Die belangte Behörde habe die erstbeschwerdeführende Partei mit Schreiben vom zwecks Feststellung der Einspruchslegitimation gebeten, Fragen zu beantworten. Im Laufe des Verfahrens habe sich herausgestellt, dass die Berufung - entgegen den Vereinsstatuten - nicht unterschrieben sei, worauf auch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in ihrem Schreiben vom hingewiesen habe. Der Mängelbehebungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG vom , mit dem die Nachlieferung dieser Unterschriften aufgetragen wurde, sei am durch Hinterlegung zugestellt worden. Die dafür vorgesehene 14- tägige Frist habe am geendet; diese sei letztlich auf erstreckt worden, da gemäß dem diesbezüglichen Ersuchen des Erstbeschwerdeführers sowohl die Obfrau als auch der Schriftführer-Kassier wegen Ortsabwesenheit nicht verfügbar gewesen seien. Der Einwand der erstbeschwerdeführenden Partei, dass die unterschriebene Berufung in Verstoß geraten sei, gehe ins Leere, zumal auch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse auf die fehlende Unterschrift hingewiesen habe. Sämtliche Schreiben der belangten Behörde seien ordnungsgemäß hinterlegt und somit zugestellt worden. Ein am per Post eingebrachtes Schreiben habe die von der belangten Behörde am gestellten Fragen beantwortet und auch Unterschriften der vertretungsbefugten Organe enthalten. Die geforderten Unterschriften auf der Berufung seien jedoch nicht nachgereicht worden, weshalb die Berufung zurückzuweisen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift, beantragte jedoch die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 357 ASVG ist auf das Verfahren der Versicherungsträger in Leistungssachen und in Verwaltungssachen - unter anderem - die Bestimmung des § 13 AVG über Anbringen anzuwenden.

§ 13 AVG lautet in der hier maßgeblichen Fassung

BGBl. I Nr. 100/2011 auszugsweise wie folgt:

"Anbringen

§ 13. (1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden. Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, sind schriftlich einzubringen. Erscheint die telefonische Einbringung eines Anbringens der Natur der Sache nach nicht tunlich, so kann die Behörde dem Einschreiter auftragen, es innerhalb einer angemessenen Frist schriftlich oder mündlich einzubringen.

(2) Schriftliche Anbringen können der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten sind im Internet bekanntzumachen.

(3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

(4) Bei Zweifeln über die Identität des Einschreiters oder die Authentizität eines Anbringens gilt Abs. 3 mit der Maßgabe sinngemäß, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf der Frist als zurückgezogen gilt.

(5) ..."

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde - außer dem in Abs. 2 leg. cit. erwähnten Fall -, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden.

2. Die Beschwerde rügt, das Fehlen einer eigenhändigen und urschriftlichen Unterschrift stelle keinen Formmangel (gemäß § 13 Abs. 3 AVG) dar, sondern sei nach § 13 Abs. 4 AVG zu behandeln. Da allfällige Zweifel der belangten Behörde über die Identität der Beschwerdeführer durch Anbringen deren Namen als Absender der Berufung sowie durch Unterfertigung der Fragenbeantwortung vom 15. bzw. entsprechend den Vereinsstatuten ausgeräumt worden seien, sei ein Bestätigungsauftrag weder erforderlich noch zulässig. Überdies habe eine allenfalls fehlende Unterschrift auf der Berufung durch die Unterfertigung der Fragenbeantwortung als geheilt bzw. als ausreichend nachgereicht zu gelten.

Der Beschwerde ist zuzustimmen, dass seit der Novelle des AVG BGBl. I Nr. 357/1990 schriftliche Anbringen nicht unbedingt einer Unterschrift bedürfen (vgl. Hengstschläger/Leeb , AVG I (2. Ausgabe 2014) § 13 Rz 7). Gemäß den Erläuterungen zu § 13 AVG idF der Novelle wird nunmehr festgelegt, dass das Fehlen einer Unterschrift kein Formgebrechen darstellt, sondern zwischen Fällen des Formgebrechens und des Fehlens einer Unterschrift differenziert wird (vgl. RV 1089 BlgNR XVII. GP, 9). Bei Formgebrechen ist ein Mängelbehebungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG zu erteilen, bei fehlender Unterschrift hingegen nach § 13 Abs. 4 AVG vorzugehen und eine Bestätigung aufzutragen.

Es kann dahin gestellt bleiben, ob im Beschwerdefall ein Zweifel über die Identität des Einschreiters oder die Authentizität des Anbringens vorlag. Die Behörde erteilte den Mängelbehebungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG, weil die eingebrachte Berufung schon nach den Statuten des erstbeschwerdeführenden Vereins einen Mangel durch Fehlen der für die Gültigkeit der schriftlichen Eingabe notwendigen Unterschriften der Obfrau und des Kassiers aufwies.

Nach § 9 AVG sind Fragen der persönlichen Rechts- und Handlungsfähigkeiten von am Verwaltungsverfahren Beteiligten nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen, wenn in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist. Für den erstbeschwerdeführenden Verein ist insofern maßgeblich, dass jeder Verein, der unter Beachtung der Ordnungsvorschriften des Vereinsgesetzes (vgl. etwa das Vereinsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 66) gegründet wurde, juristische Person ist und Rechtspersönlichkeit besitzt; bei Vereinen bestimmen deren Statuten den Vertreter; maßgebend sind jene Personen, die nach den Statuten zur Vertretung des Vereines nach außen berufen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/03/0150).

Gemäß § 13 Abs. 2 der Vereinsstatuten der erstbeschwerdeführenden Partei bedürfen schriftliche Ausfertigungen des Vereins zu ihrer Gültigkeit der Unterschriften des Obmanns und des Schriftführer-Kassiers. Im dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Akt befindet sich keine mit den erforderlichen Unterschriften versehene Berufung. Da die Berufung laut Vereinsstatuten ohne die erwähnten Unterschriften nicht gültig ist, war die belangte Behörde berechtigt, ein Verbesserungsverfahren gemäß § 13 Abs. 3 AVG einzuleiten.

Mit der Nachbringung der fehlenden Unterschriften auf der am eingelangten Eingabe der Beschwerdeführer, welche vor Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgte, war die Berufung fehlerfrei eingebracht, weil aus der Eingabe eindeutig der Wille hervorgeht, die Berufung zu genehmigen. Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hätte daher meritorisch über die Berufung entscheiden müssen.

Schon aus diesem Grund belastet die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde jedoch folgendes zu beachten haben:

Die erhobene Berufung lässt - alleine vom Wortlaut des Vorbringens her - offen, ob (nur) der erstbeschwerdeführende Verein das Rechtsmittel der Berufung erhoben hat. Dass ohne jeden Zweifel nur der Verein als Rechtsmittelwerber auftritt, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen. Vielmehr ist die Formulierung im Plural ("wir") und die Aufzählung zweier weiterer natürlicher Personen (darunter die Zweitbeschwerdeführerin) durchaus geeignet, eine Berufung des Vereins sowie der Zweitbeschwerdeführerin als Dienstnehmerin des Vereins zu indizieren. Schließlich handelt es sich bei der Zweitbeschwerdeführerin in einem Verfahren, welches die Feststellung einer Pflichtversicherung aufgrund ihrer Tätigkeit für die Erstbeschwerdeführerin zum Gegenstand hat, um eine Beteiligte mit Parteistellung im Sinne des § 8 AVG (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/08/0021). Angesichts dieser Anhaltspunkte konnte die belangte Behörde nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die Berufung nur dem beschwerdeführenden Verein zuzurechnen ist. Sie wäre vielmehr verpflichtet gewesen sich Klarheit darüber zu verschaffen, wer Rechtsmittelwerber ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/02/0112).

Selbst dem angefochtenen Bescheid lässt sich nicht entnehmen, ob die belangte Behörde von einem oder von mehreren Rechtsmittelwerbern ausgeht, zumal sie die Berufung des "Pressedienst A (erstbeschwerdeführende Partei), Mag. CK (Zweitbeschwerdeführerin) und Mag. KT" gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückweist. Demgegenüber steht in der Begründung des angefochtenen Bescheides, die Erstbeschwerdeführerin wäre dem Verbesserungsauftrag zur Nachbringung der Unterschriften aufgrund der Vereinsstatuten nicht nachgekommen. Diese Begründung erweist sich in dem Falle, dass die Zweitbeschwerdeführerin (im eigenen Namen) als Rechtsmittelwerberin aufgetreten wäre, als jedenfalls unrichtig. Dass die belangte Behörde je eine fehlende Unterschrift der Zweitbeschwerdeführerin auf der Berufung als Mangel gesehen hätte, ergibt sich aus den Verwaltungsakten nicht.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
QAAAE-71602