VwGH vom 25.11.2005, 2005/02/0211
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des FL in F, vertreten durch Dr. Gerold Hirn und Dr. Burkhard Hirn, Rechtsanwälte in 6800 Feldkirch, Gilmstraße 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom , Zl. UVS-301-016/K3-2004, betreffend Erteilung einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde gab diese der Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 lit. a des Vorarlberger Gesetzes über den Verkehr mit Grundstücken (Grundverkehrsgesetz), Anlage zur Verordnung der Vorarlberger Landesregierung über die Neukundmachung des Grundverkehrsgesetzes, Vorarlberger LGBl. Nr. 42/2004 (in der Folge: VGVG), keine Folge und versagte daher dem Beschwerdeführer die grundverkehrsbehördliche Genehmigung zum Erwerb näher bezeichneter Grundstücke.
Die belangte Behörde legte dabei ihrer Entscheidung zu Grunde, dass Gegenstand des zu genehmigenden Rechtsgeschäftes (Kaufvertrages) näher angeführte Grundstücke im Gesamtausmaß von
39.282 m2 seien; es handle sich dabei um ein Maisäß, wobei zwei von den insgesamt vier Grundstücken im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan als Freifläche-Landwirtschaftsgebiet eingetragen, die zwei weiteren Grundstücke Waldflächen seien. Die Bauparzelle sei mit der Maisäßhütte bebaut; dieses Gebäude sei gemäß Art. II Abs. 2 und 3 des Gesetzes über eine Änderung des Raumplanungsgesetzes, (Vorarlberger) LGBl. Nr. 27/1993, als Ferienwohnung angezeigt worden. Mit Mietvertrag vom habe die Veräußerin dieses "Wohnhaus" samt Stall und Holzschuppen an den Erwerber vermietet. Der Beschwerdeführer (Erwerber) bewohne dieses Grundstück auf Grund des genannten Mietvertrages.
Die Verkäuferin und ihr Ehemann seien Landwirte und bewirtschafteten die gegenständlichen landwirtschaftlichen Flächen. Es sei beabsichtigt, dass die Verkäuferin und ihr Ehemann die landwirtschaftlichen Flächen nunmehr als Pächter bewirtschaften sollten.
Diesen Sachverhalt beurteilte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid dahin, dass dem Rechtserwerb § 6 Abs. 1 lit. a VGVG entgegenstünde.
Mit Beschluss vom , Zl. 2004/02/0345, stellte der Verwaltungsgerichtshof aus Anlass des vorliegenden Beschwerdefalles an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, gemäß § 140 Abs. 1 B-VG, die Wortfolge "und der Erwerber das Grundstück im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes selbst bewirtschaftet und im Betrieb auch seinen ständigen Wohnsitz hat oder" im § 6 Abs. 1 lit. a VGVG als verfassungswidrig aufzuheben.
Mit Erkenntnis vom , G 159/04-9 und Folgezahlen (hier G 12/05), wies der Verfassungsgerichtshof den erwähnten Antrag des Verwaltungsgerichtshofes ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Nach § 33 Abs. 2 VGVG sind die vor dem eingeleiteten und in erster Instanz bereits abgeschlossenen grundverkehrsbehördlichen Verfahren, die den Verkehr mit land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken oder den Ausländergrundverkehr betreffen, nach den bis dahin geltenden Vorschriften zu beenden. Da zu diesem Zeitpunkt das erstinstanzliche Verfahren noch nicht beendet war (Bescheid vom ), hat die belangte Behörde zu Recht das Grundverkehrsgesetz in der Fassung der erwähnten Neukundmachung, Vorarlberger LGBl. Nr. 42/2004, ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt.
§ 6 VGVG regelt die Voraussetzungen für die Genehmigung eines Rechtsgeschäftes. Nach dessen Abs. 1 lit. a darf der Rechtserwerb im Falle landwirtschaftlicher Grundstücke nur genehmigt werden, "wenn er dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes entspricht und der Erwerber das Grundstück im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes selbst bewirtschaftet und im Betrieb auch seinen ständigen Wohnsitz hat oder, soweit ein solches nicht in Frage kommt, er der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht widerspricht".
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem bereits erwähnten Erkenntnis vom in diesem Zusammenhang begründend unter anderem ausgeführt wie folgt:
"Nach ständiger - aus Sicht des Verfassungsgerichtshofes zutreffender - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB sowie - nach dem (Ospelt) - , 2003/02/0212, und , 2003/02/0210) stellt § 5 (nunmehr § 6) Abs. 1 lit. a GVG eine Generalklausel dar, der zu Folge der Rechtserwerb an landwirtschaftlichen Grundstücken grundsätzlich nur dann zu genehmigen ist, 'wenn er dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes entspricht ...'; für den Fall, dass - etwa bei Rechtserwerben zu anderen Zwecken als der Landwirtschaft - ein solches allgemeines Interesse nicht in Frage kommt, wird jedoch eine 'Widerspruchslösung' normiert: Die Genehmigung ist in diesem Fall dann zu erteilen, wenn der Rechtserwerb 'der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden mittleren und kleinen land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht widerspricht'; die in § 5 (nunmehr § 6) Abs. 2 VGVG umschriebenen besonderen Versagungsgründe wirken - zu Folge dieser Judikatur - jedoch absolut (arg.: 'Voraussetzungen des Abs. 1 sind insbesondere dann nicht erfüllt ...'); die Genehmigung ist jedenfalls und ohne weitere Prüfung nach der Generalklausel zu versagen; es hieße daher - so der Verwaltungsgerichtshof weiter - die Rechtslage verkennen, wenn man annähme, dass die in § 5 (nunmehr § 6) Abs. 2 VGVG genannten Gründe lediglich im Fall des § 5 (nunmehr § 6) Abs. 1 lit. a erster Halbsatz VGVG und nicht auch im Falle des zweiten Halbsatzes zur Anwendung gelangten."
Der Verfassungsgerichtshof führte in dem erwähnten Erkenntnis des Weiteren zur Begründung der Abweisung des Antrages (unter anderem) des Verwaltungsgerichtshofes noch wie folgt aus:
"Insoferne besteht aber das Bedenken..., dass es im vorliegenden Zusammenhang zu einer Ungleichbehandlung rein innerstaatlicher Grundverkehrsgeschäfte mit landwirtschaftlichen Grundstücken gegenüber solchen mit gemeinschaftsrechtlichem Bezug komme und dafür eine sachliche Rechtfertigung nicht zu erkennen sei, hinsichtlich des § 6 Abs. 1 lit. a VGVG 2004 in Verbindung mit § 5 Abs. 2 lit. d VGVG 2000 ... zu Recht. Dagegen ist die erstgenannte Bestimmung für sich allein in dieser Hinsicht unbedenklich, da ... der zweite Satzteil des § 6 Abs. 1 lit. a VGVG 2004 eine Auslegung zulässt, der zu Folge die Selbstbewirtschaftung nicht in jedem Fall ein entscheidendes Genehmigungskriterium bildet."
Der Verfassungsgerichtshof geht somit von einer möglichen verfassungskonformen Interpretation des § 6 Abs. 1 lit. a VGVG 2004 aus. Diese erblickt er darin, dass die "Selbstbewirtschaftung" nicht als alleiniges und entscheidendes Genehmigungskriterium heranzuziehen sei.
Die belangte Behörde hat - neben Erwägungen zum Kriterium der Selbstbewirtschaftung - in Auseinandersetzung mit dem , Ospelt, Slg. 2003, Seite I- 09743, als Ziele des Grundverkehrsrechts die Erhaltung der landwirtschaftlichen Bevölkerung, die Wahrung einer die Entwicklung lebensfähiger Betriebe sowie die harmonische Pflege des Raumes und der Landschaft ermöglichende Aufteilung des Grundeigentums und die Förderung einer vernünftigen Nutzung der verfügbaren Flächen unter Bekämpfung des Drucks auf den Grundstücksmarkt und unter Vorbeugung gegen natürliche Gefahren genannt. Die belangte Behörde hat weiters ausgeführt, dass diesen Zielen "zweifellos" dadurch am besten entsprochen werde, dass im Regelfall die Eigentümer als Landwirte die land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke selbst bewirtschafteten. Könnte jeder Nichtlandwirt landwirtschaftliche Grundstücke erwerben, wenn er nur deren weitere Bewirtschaftung durch einen Landwirt als Pächter garantiere, wäre der "Kerngehalt der Grundverkehrsmaterie", nämlich die Gewährleistung einer bestimmten Eigentümerstruktur nicht möglich; nur diese Auslegung verhindere letztlich, dass zahlungskräftige Nichtlandwirte agrarischen Grund aufkauften und Landwirte in die Rolle wirtschaftlich abhängiger Pächter gedrängt würden.
Die belangte Behörde hat damit zur Begründung des angefochtenen Bescheides (auch) Überlegungen herangezogen, die das vorliegende Rechtsgeschäft als im Widerspruch zur Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes stehend erscheinen lassen könnten. Die belangte Behörde hat aber diesbezüglich keine konkreten Feststellungen getroffen. Um das vorliegende Rechtsgeschäft in dieser Hinsicht beurteilen zu können, bedarf es nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes konkreter Feststellungen über die Größe des landwirtschaftlichen Betriebes und der Veränderung der wirtschaftlichen Lage durch den beabsichtigten Verkauf. Dabei wird auch zu klären sein, ob die Veräußerin selbstständig einen landwirtschaftlichen Betrieb führt (nach dem Aktenvermerk vom ist kein landwirtschaftlicher Betrieb nach der AMA-Datenbank auf sie angemeldet) und aus welchem Titel derzeit die - unbestrittene - landwirtschaftliche Nutzung der gegenständlichen Flächen durch ihren Ehemann erfolgt.
Im Hinblick auf die dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die geltend gemachte Umsatzsteuer bereits im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist.
Wien, am