VwGH vom 19.11.2010, 2007/19/1307
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Händschke und die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des M, vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25/5, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 229.193/0/8E-XIV/16/02, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),
Spruch
I.) zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt II. (Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II.) den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, reiste am in das Bundesgebiet ein und beantragte am folgenden Tag Asyl.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dieser Antrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen (Spruchpunkt I.) und "gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 50 FPG (ehemals § 57 FrG), BGBL. I Nr. 100/2005" festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei Angehöriger der Ethnie der Hazara und habe von 1994-1999 mit Hilfe eines Stipendiums der Hezb-e Wahdat in Aserbaidschan Bauwesen studiert. Die Familie des Beschwerdeführers lebe (in Afghanistan) von der Landwirtschaft; sie habe zwei Kühe und lebe vom Verkauf der Milch sowie von der landwirtschaftlichen Arbeit für Andere. Weiters besitze die Familie des Beschwerdeführers ein Haus in Shiwan. Der Beschwerdeführer sei im Heimatland keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen und es bestünden auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass er im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan einer Gefahr im Sinne des § 50 Abs. 1 oder 2 Fremdenpolizeigesetz ausgesetzt wäre. Im Folgenden traf die belangte Behörde Feststellungen zur politischen Lage in Afghanistan. Weiters stellte sie fest, dass es seit dem Sturz des Taliban-Regimes in Afghanistan keine ethnische Verfolgung der Hazaras, Usbeken oder Tadschiken seitens der Pashtunen bzw. Taliban gebe und das Studium im Ausland kein Grund für eine Verfolgung sei. Die Sicherheitslage in Afghanistan blieb jedoch - mit Ausnahme der Feststellung, dass in Kabul und Umgebung internationale Schutztruppen und Polizeikräfte des afghanischen Innenministeriums patrouillierten - unerörtert.
In der Beweiswürdigung legte die belangte Behörde mit näherer Begründung dar, dass sie dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers keinen Glauben schenke.
Zur Feststellung nach § 8 Abs. 1 AsylG argumentierte die belangte Behörde, sie verkenne nicht, dass die derzeitige Situation in Afghanistan jedenfalls verbesserungswürdig sei und noch lange nicht eine zufrieden stellende Grundversorgung der Bevölkerung gegeben sei. Allerdings habe der Beschwerdeführer in Afghanistan Eltern, zwei Brüder und eine Schwester sowie ein Haus, sohin jedenfalls eine Wohnmöglichkeit. Seine Eltern lebten von der Landwirtschaft und besäßen zwei Kühe, sodass auch eine Versorgung des Beschwerdeführers mit Nahrungsmitteln gewährleistet sei. Es fehle ihm bei einer Rückkehr nach Afghanistan somit nicht an der notdürftigsten Lebensgrundlage, sodass die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK keinesfalls indiziert sei.
Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Zu I.:
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG in der hier bereits maßgeblichen Fassung der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101, hat die Asylbehörde im Falle der Abweisung eines Asylantrages von Amts wegen festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist. Die Zulässigkeit einer solchen Maßnahme ist jedenfalls dann zu verneinen, wenn dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung droht.
Im vorliegenden Fall verneinte die belangte Behörde eine solche Gefahr im Hinblick auf die nach ihren Feststellungen gesicherte Grundversorgung. Trotz der seit vielen Jahren andauernden gewalttätigen Auseinandersetzungen in Afghanistan enthält der angefochtene Bescheid aber keine Feststellungen zur (aktuellen) Sicherheitslage, weshalb eine abschließende Beurteilung eines Anspruches des Beschwerdeführers auf subsidiären Schutz nicht möglich ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/19/0271 und 2008/19/0653).
Der angefochtene Bescheid war daher in seinem Spruchpunkt II. gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Zu II.:
Gemäß Art 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Beschwerde wirft - soweit sie sich auf die Abweisung der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung zum Asylteil (Spruchpunkt I.) bezieht - keine für die Entscheidung dieses Falles maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die - abgesehen von dem unter Punkt I. der Erwägungen Gesagten - dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerde sprechen würden, liegen nicht vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerde im Übrigen abzulehnen.
Wien, am
Fundstelle(n):
VAAAE-71593