VwGH vom 02.09.2010, 2007/19/1016
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Händschke sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des OO in J, geboren am , vertreten durch Dr. Gerhard Ochsenhofer, Rechtsanwalt in 7400 Oberwart, Schulgasse 11, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 229.759/0/7E-VII/43/02, betreffend § 7 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, gelangte am in das Bundesgebiet und beantragte am folgenden Tag Asyl.
In seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass sein Vater während der Rabbani-Regierungszeit unter diesem gearbeitet habe, weshalb er in der Folge von den Taliban festgenommen und hingerichtet worden sei. Der Beschwerdeführer habe aus Angst vor den Taliban, welche ihr Geschäft und ihr Haus beschlagnahmt hätten, Kabul verlassen und sei gemeinsam mit seiner Familie nach Pakistan geflohen. Für den Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan fürchte er, von den Mördern seines Vaters, welche sich noch in Kabul aufhielten, getötet zu werden.
Mit Bescheid vom wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt I.) und stellte gemäß § 8 AsylG fest, dass dessen Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.). Die Abweisung des Asylantrags begründete das Bundesasylamt im Wesentlichen damit, dass sich nach der Ausreise des Beschwerdeführers die Lage in Afghanistan im Hinblick auf den Sturz des Taliban-Regimes geändert habe und eine von den Taliban ausgehende, auf einem in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Grund beruhende Verfolgung ausgeschlossen werden könne. Das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach sich jene Taliban, die seinen Vater ermordet hätten, noch in Kabul aufhielten, und der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr Probleme bekommen würde, wird - mit näherer Begründung - in Zweifel gezogen.
In der gegen Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, dass sein Vater der Jamiat-e Islami angehört habe und von Taliban hingerichtet worden sei; dieselben Leute würden sich noch in Kabul befinden und auch den Beschwerdeführer verfolgen.
Über diese Berufung führte die belangte Behörde eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen präzisierte und ausführte, dass die Mörder seines Vaters noch immer in Afghanistan lebten und auf der Suche nach ihm seien. Bis zum Jahr 2003 habe er Kontakt zu einer benachbarten Familie in Afghanistan gehabt und erfahren, dass die Personen, die seinen Vater mitgenommen hätten, nach wie vor nach seiner Familie suchten. Dies müsse mit der Tätigkeit seines Vaters in Zusammenhang stehen; sie hätten ihn mitgenommen und seien daher auch auf der Suche nach dem Beschwerdeführer.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab. In der Begründung dieses Bescheides stellte die belangte Behörde u.a. fest, dass der Beschwerdeführer sein Heimatland 1999 verlassen habe und vor seiner Flucht "keiner konkreten individuellen Verfolgung" ausgesetzt gewesen sei. Dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr "weiterhin" in Afghanistan asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt sei, habe nicht festgestellt werden können. Dies deshalb, da sich die Situation hinsichtlich des Taliban-Regimes grundlegend geändert habe. Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass sich der zur Person und zur Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers festgestellte Sachverhalt aus dessen Vorbringen im Rahmen des Verfahrens ergebe. In der rechtlichen Beurteilung verwies die belangte Behörde auf ihre Beweiswürdigung, in welcher "ausführlich dargelegt" worden sei, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers "absolut unglaubwürdig" sei. Aus diesem Grund gelange die belangte Behörde zur Ansicht, dass der Beschwerdeführer "nicht aus einem der im Asylgesetz genannten Gründen Verfolgung ausgesetzt war oder solche zu befürchten gehabt bzw. derzeit bei einer allfälligen Rückkehr zu gewärtigen hätte".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die Beschwerde macht geltend, die belangte Behörde sei in der Beweiswürdigung auf das Vorbringen des Beschwerdeführers überhaupt nicht eingegangen; im angefochtenen Bescheid gebe es praktisch keine Beweiswürdigung. Unter anderem habe der Umstand, dass der Beschwerdeführer befürchte, von den Mördern seines Vaters ebenfalls getötet zu werden, keine Berücksichtigung in der Beweiswürdigung der belangten Behörde gefunden.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde einen relevanten Begründungsmangel auf.
Nach dem gemäß § 67 AVG auch im Berufungsverfahren anzuwendenden § 60 AVG sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grund gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege und weshalb sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , 2001/20/0550, mwN).
Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht. Dem angefochtenen Bescheid lässt sich nicht mit der erforderlichen Klarheit entnehmen, ob die belangte Behörde von der Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens ausgegangen ist oder nicht. Darüber hinaus wäre die in der rechtlichen Beurteilung enthaltene Behauptung der belangten Behörde, wonach das Vorbringen des Beschwerdeführers "absolut unglaubwürdig" sei, auf Grund des Fehlens jeglicher beweiswürdigender Erwägungen dazu nicht hinreichend begründet.
Das daraus resultierende Fehlen einer den eingangs erwähnten gesetzlichen Erfordernissen entsprechenden Bescheidbegründung hindert die Partei an einer wirksamen Verfolgung ihrer Rechte und den Verwaltungsgerichtshof an der Kontrolle der inhaltlichen Richtigkeit der getroffenen Entscheidung.
Da auch nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers Asyl rechtfertigen könnte, war der angefochtene Bescheid daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das auf die Zuerkennung von Umsatzsteuer und Barauslagen gerichtete Mehrbegehren findet in diesen Vorschriften keine Deckung. Wien, am
Fundstelle(n):
JAAAE-71558