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VwGH vom 23.08.2013, 2010/03/0075

VwGH vom 23.08.2013, 2010/03/0075

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der Diözese G in K, vertreten durch Dr. Christian Tschurtschenthaler, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Dr. Arthur Lemisch-Platz 7, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom , Zl BMVIT-630.294/0002-III/PT2/2010, betreffend Leitungsrecht (mitbeteiligte Partei: A AG in W, vertreten durch Hasberger Seitz Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gonzagagasse 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von Euro 1.326,40 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Aktenlage nach erfolgte mit Schreiben der Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei vom die Geltendmachung eines Leitungsrechtes an einer näher bestimmten Liegenschaft der Beschwerdeführerin, wobei die herzustellende Fernmeldeanlage mit "Erdkabeltrasse" umschrieben ist. Unstrittig ist, dass seitens der Beschwerdeführerin zunächst erhobene Einwendungen zurückgezogen wurden und das beantragte Leitungsrecht eingeräumt wurde.

Im Februar 2009 trat die Mitbeteiligte an die Beschwerdeführerin mit dem Wunsch nach Einblasen eines Lichtwellenkabels in ein seinerzeit mitverlegtes Leerrohr heran, das nach Auffassung der Mitbeteiligten vom 1986 eingeräumten Leitungsrecht miterfasst sei.

Demgegenüber stellte sich die Beschwerdeführerin auf den Standpunkt, beim Einblasen eines Lichtwellenleiterkabels samt der Errichtung einer Montagegrube handle es sich um eine Erweiterung der Telekommunikationsanlage im Sinne des § 5 Abs 4 Z 2 lit b TKG 2003, weshalb ein Verfahren zur Einräumung des Leitungsrechtes für diese Erweiterung einzuleiten und dementsprechend eine weitere Abgeltung zu leisten sei.

Trotz dieser unterschiedlichen Rechtsstandpunkte einigten sich die Parteien in der Folge dahin, dass die Arbeiten durchgeführt werden dürfen und die Frage der Abgeltung von der zuständigen Fernmeldebehörde geklärt werden solle, woraufhin die Arbeiten von der Mitbeteiligten im Zeitraum 13. Mai bis durchgeführt wurden.

Daraufhin richtete die Mitbeteiligte mit Schriftsatz vom ("Betreff: Nachträgliches Einblasen von LWL-Kabeln in bestehende Leerrohre, Abgeltungsfrage") an das Fernmeldebüro für Steiermark und Kärnten den Antrag, "die Behörde möge feststellen,

a) dass die Einblasarbeiten vom bestehenden Leitungsrecht umfasst sind und dafür keine Abgeltung zusteht, in eventu, b) dass es sich um eine Erweiterung gemäß § 5 Abs. 4 TKG handelt, jedoch keine Abgeltung zu leisten ist, da keine (zusätzliche) Wertminderung vorliegt."

Mit Bescheid des Fernmeldebüros für Steiermark und Kärnten vom wurde daraufhin festgestellt, dass die mitbeteiligte Partei "als Rechtsnachfolgerin des Fernmeldebauamtes K" seit Inhaberin eines von diesem begründeten Leitungsrechtes auf der in Rede stehenden Liegenschaft der Beschwerdeführerin sei und als solche gemäß § 5 Abs 1 Z 1 TKG 2003 "zur Erhaltung dieser Kommunikationslinie unter der Erde, somit auch zum Einbringen/Einblasen zusätzlicher Leitungen in die bestehende Verrohrung der von diesem Leitungsrecht bereits erfassten Anlage ohne gesondertes Einräumungsverfahren, somit außerhalb des Verfahrenskreises des § 6 leg cit, jedoch unter Einhaltung der Verfahrensvorgaben nach §§ 5 Abs 2 und 10 Abs 1 leg cit" berechtigt sei.

Begründend führte die Erstbehörde im Wesentlichen Folgendes aus:

Die mitbeteiligte Partei sei "als Rechtsnachfolgerin des Fernmeldebauamtes K" seit Inhaberin eines Leitungsrechtes, von dessen Umfang auch zwei im Jahr 1986 verlegte Rohrzüge, von denen einer im Jahr 1987 mit einem Weitverkehrskabel belegt worden sei, erfasst seien.

Mit Schreiben der mitbeteiligten Partei vom habe diese gegenüber der Beschwerdeführerin auf derselben Liegenschaft irrtümlich ein Leitungsrecht gemäß § 5 Abs 4 TKG 2003 geltend gemacht, das die Errichtung einer Spleißgrube zum Zwecke einer Kabelmontage beinhaltet habe. Diese Kabelmontage hätte im Einblasen eines Lichtwellenleiterkabels in einen vorhandenen, vom bestehenden Leitungsrecht erfassten Rohrzug bestehen sollen. Die aus zwei Rohrzügen bestehende Rohranlage habe im Zeitpunkt dieser Antragstellung als Leerverrohrung gegolten, weil das im Jahr 1987 eingebrachte Weitverkehrskabel im Jahr 2002 wieder aufgelassen worden sei. Das Leitungsrecht selbst sei durch diese Außerbetriebnahme nicht verändert oder aufgelassen worden. Die mitbeteiligte Partei habe deshalb die mit erfolgte Geltendmachung eines Leitungsrechts als Irrtum erkannt, diesen Irrtum der Beschwerdeführerin gegenüber auch insofern aufgeklärt, als sie mitgeteilt habe, dass die Verständigung über das Leitungsrecht lediglich wegen der Errichtung einer Montagegrube erfolgt sei, aber kein Leitungsrechtsverfahren mit seitens der Beschwerdeführerin geltend gemachten Entschädigungsansprüchen durchzuführen sei.

In der Folge hätten sich die Parteien trotz ihrer unterschiedlichen Rechtsstandpunkte darauf geeinigt, dass die Arbeiten durchgeführt werden dürfen und die Frage der Abgeltung dem Fernmeldebüro zur Entscheidung vorgelegt werden solle.

Bei diesen Arbeiten handle es sich um die Ausübung bzw Inanspruchnahme eines bereits vor Inkrafttreten des TKG 2003 bestehenden Leitungsrechts, das rechtswirksam nach dem Telegraphenwegegesetz, TWG 1929, begründet worden sei. Sollten von einem bestehenden Leitungsrecht umfasste Leitungen beschaltet werden oder in eine vom bestehenden Leitungsrecht umfasste Rohranlage zusätzliche Leitungen eingebracht werden, sei kein weiteres Verfahren zur Einräumung eines (neuen) Leitungsrechtes erforderlich.

Ein derartiges Verfahren wäre nur dann erforderlich gewesen, hätte die mitbeteiligte Partei eine Neuverlegung von Leitungen vornehmen wollen und dazu einen physischen Eingriff in den Boden auf die Länge der erforderlichen 96 m beabsichtigt. Eine solche Vorgangsweise hätte nicht nur einen höheren Arbeitsaufwand für die leitungsberechtigte mitbeteiligte Partei bedeutet, sondern auch eine unnötige Belastung für die Liegenschaft zur Folge gehabt. Die mitbeteiligte Partei habe durch die von ihr gewählte Vorgangsweise den physischen Eingriff in die Liegenschaft auf das Graben einer Montagegrube beschränkt und damit dem gesetzlichen Auftrag, bei der Ausübung von Leitungsrechten mit tunlichster Schonung vorzugehen (§ 10 Abs 1 TKG 2003), entsprochen.

Ein allfälliger Entschädigungsanspruch der Beschwerdeführerin könne nur insoweit bestehen, als durch Errichtung der Montagegrube ein Flurschaden entstanden und nicht beseitigt worden sei; ein solcher Anspruch sei aber nicht Entscheidungsgegenstand.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wies diese die von der Beschwerdeführerin gegen den Erstbescheid erhobene Berufung gemäß § 66 Abs 4 AVG ab.

Den Berufungsausführungen, das im Jahr 1986 begründete Leitungsrecht habe bloß die Verlegung eines Erdkabels samt Zugehör umfasst, nicht aber die offenbar zusätzlich verlegten Rohrzüge, sei entgegenzuhalten, dass der Begriff "Leitungsrecht" seit Begründung des in Rede stehenden Leitungsrechts mehrfach geändert worden sei und "in der nunmehr geltenden Fassung" die Erhaltung und den Betrieb von Kommunikationslinien, sohin auch von Rohren, umfasse. Der Gesetzgeber habe "aus Anlass dieser Novellierung" keine Festlegung dahin getroffen, die damit verbundene Ausdehnung des Begriffes "Leitungsrecht" betreffe ausschließlich nach Inkrafttreten der Novelle entstehende Leitungsrechte. Deshalb sei davon auszugehen, dass auch vor dem Inkrafttreten der Novelle zustande gekommene Leitungsrechte "von der Neudefinition umfasst" seien. Diese Auslegung werde auch durch eine historischteleologische Interpretation gestützt, gehe doch aus der Zielbestimmung des § 1 TKG 2003 eindeutig hervor, dass es Zweck dieses Bundesgesetzes sei, die Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft mit zuverlässigen, preiswerten, hochwertigen und innovativen Kommunikationsdienstleistungen zu gewährleisten. Dies solle insbesondere durch die Schaffung einer modernen elektronischen Kommunikationsinfrastruktur erreicht werden. Die Berechtigung, einmal verlegte Telekommunikationslinien zu erhalten und zu betreiben, erleichtere den Ausbau des Telekommunikationsnetzes und diene damit der Erreichung der von § 1 TKG 2003 gesteckten Ziele.

Es sei daher davon auszugehen, dass die mitbeteiligte Partei auf Grund des im Jahr 1986 begründeten Leitungsrechtes berechtigt gewesen sei, die bestehenden Anlagen zu erhalten und zu betreiben; sie dürfe daher auch die Rohre mit Kabeln beschicken.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, allenfalls wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Ausgehend von den mit der Aktenlage übereinstimmenden Feststellungen haben sich die Parteien des Verfahrens im Jahr 2009 daraufhin geeinigt, dass die von der mitbeteiligten Partei gewünschten Arbeiten auf der Liegenschaft der Beschwerdeführerin durchgeführt werden dürfen; lediglich die Frage der Abgeltung solle vom Fernmeldebüro entschieden werden.

2. Gemäß § 6 Abs 3 TKG 2003 (idF vor der Novelle BGBl I Nr 102/2011) konnte, wenn zwischen dem gemäß § 5 Abs 4 Verpflichteten und dem Berechtigten eine Vereinbarung über das Leitungsrecht an privaten Liegenschaften oder über die Abgeltung nicht zustande kam, von jedem der Beteiligten die Fernmeldebehörde zur Entscheidung angerufen werden.

Gemäß § 6 Abs 6 leg cit konnte jede der Parteien "binnen drei Monaten ab Erlassung des die Abgeltung bestimmenden Bescheides die Festsetzung des Betrages bei jenem Bezirksgericht begehren, in dessen Sprengel sich der Gegenstand des Nutzungsrechtes befindet"; mit Anrufung des Gerichts tritt der Bescheid der Behörde hinsichtlich des Ausspruchs über die Abgeltung außer Kraft.

3. Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Einigung der Parteien ist die erstinstanzliche Entscheidung - im Einklang mit dem diesbezüglichen Antrag der mitbeteiligten Partei - insofern als Entscheidung über die Höhe der zu leistenden Abgeltung zu qualifizieren, als der Sache nach ein Abgeltungsanspruch der Beschwerdeführerin verneint wird, weil - so die Erstbehörde - es sich bei den Arbeiten lediglich um die Ausübung bzw Inanspruchnahme eines schon bestehenden Leitungsrechts handle.

4. Damit fehlt es aber an einer Zuständigkeit der belangten Behörde, inhaltlich über die Berufung der Beschwerdeführerin zu entscheiden.

Gegen eine von der Erstbehörde getroffene (negative) Entscheidung über die begehrte Abgeltung konnte gemäß § 6 Abs 6 TKG 2003 das Gericht angerufen werden; eine Berufung war damit unzulässig (vgl VwGG vom , 2006/07/0019).

Durch meritorische Entscheidung über die Berufung hat die belangte Behörde daher ihre funktionelle Zuständigkeit überschritten.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 2 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
SAAAE-71529