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VwGH vom 15.09.2016, Ra 2016/21/0234

VwGH vom 15.09.2016, Ra 2016/21/0234

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Halm-Forsthuber, über die Revision des J N in L, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , G306 1317778-2/4E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005, Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines befristeten Einreiseverbotes samt Festsetzung einer Ausreisefrist sowie Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein kosovarischer Staatsangehöriger, kam Anfang November 2005 nach Österreich und stellte einen Asylantrag, der (nach Zurückziehung der Berufung) mit im Juli 2010 in Rechtskraft erwachsenem Bescheid des Bundesasylamtes abgewiesen wurde. In der Folge wurde dem Revisionswerber im Hinblick auf die Eheschließung mit einer EWR-Bürgerin eine Daueraufenthaltskarte ausgestellt. Nach der Scheidung dieser Ehe wurde ihm im Dezember 2012 der Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" erteilt, dessen Gültigkeit zuletzt bis verlängert wurde.

2 Der Revisionswerber war mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Wels vom wegen des als Beitragstäter iSd § 12 dritter Fall StGB begangenen (teils versuchten) Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 vierter Fall und § 15 Abs. 1 StGB - dabei handelte es sich um fünfzig von zwei Mittätern im Zeitraum Anfang März 2014 bis Anfang Juni 2014 unternommene Angriffe, zu denen der Revisionswerber jeweils durch "Fahrdienste" beigetragen hatte - zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 30 Monaten (davon 20 Monate bedingt) verurteilt worden, aus der er am bedingt entlassen wurde.

3 Wegen dieser Straftaten erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber mit Bescheid vom gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein mit sieben Jahren befristetes Einreiseverbot, wobei gemäß § 55 FPG eine Frist von vierzehn Tagen für die freiwillige Ausreise gewährt wurde. Unter einem stellte das BFA gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, die Abschiebung des Revisionswerbers in den Kosovo sei zulässig. Überdies wurde noch ausgesprochen, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 (von Amts wegen) nicht erteilt werde.

4 Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom (nur) insoweit statt, als die Dauer des Einreiseverbotes auf zwei Jahre herabgesetzt wurde. Im Übrigen wies das BVwG die Beschwerde als unbegründet ab. Weiters sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom , E 863/2016-7, ablehnte und sie über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

6 Über die in der Folge eingebrachte (außerordentliche) Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung eines Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen:

7 In der Begründung der Zulässigkeit der Revision unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG bezieht sich der Revisionswerber auf sein schon gegenüber dem BFA erstattetes Vorbringen, wonach er (zusammengefasst) bei einer Rückkehr in den Kosovo begründete Furcht vor der aus Rache wegen seines Geständnisses im Strafverfahren angekündigten Verfolgung durch einen Mittäter habe. Entsprechende Drohungen seien bereits gegenüber dem Revisionswerber und seinen Familienangehörigen geäußert worden. Bei einer Abschiebung in den Kosovo bestünde für den Revisionswerber daher eine lebensgefährliche Situation ("Gefahr für Leib und Leben"), vor der ihn die Behörden nicht wirksam schützen könnten. Die Blutrache - so heißt es dazu in der Revision - sei im Kosovo "ein riesiges Problem", weshalb ernsthaft davon auszugehen sei, dass ihm die "dortigen Behörden" keinen ausreichenden Schutz bieten könnten.

8 Daran anknüpfend wurde in der Revision rechtlich ausgeführt, nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das Erkenntnis vom , Ra 2015/21/0119) dürfe kein gesonderter Antrag nach § 52 Abs. 9 FPG gestellt werden. "Daraus" sei "zu entnehmen", dass - wenn wie hier keine Entscheidung in einem Asylverfahren vorliege -

von Amts wegen eine Überprüfung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat vorzunehmen sei. Das BVwG habe es aber rechtswidrig unterlassen, "eine Gefährdung des Art. 2 und 3 EMRK zu prüfen". In diesem Zusammenhang beantragte der Revisionswerber (wie schon in der Beschwerde) primär die Abänderung des angefochtenen Erkenntnisses dahin, dass (gemeint: gemäß § 52 Abs. 9 FPG von Amts wegen) festgestellt werde, seine Abschiebung "nach Kosovo" sei unzulässig.

9 Im Hinblick auf diese Ausführungen ist die Revision - wie sich aus dem Weiteren ergibt - entgegen dem gemäß § 34 Abs. 1a VwGG nicht bindenden Ausspruch des BVwG zulässig; sie ist im Ergebnis auch berechtigt:

10 Der in der Revision angesprochene, mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, neu geschaffene und seit geltende § 52 Abs. 9 FPG lautet:

"§ 52. ...

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei."

Die diesbezüglichen ErläutRV (1803 BlgNR 24. GP 65) führen dazu aus:

"Abs. 9 normiert, dass das Bundesamt mit Erlassung einer Rückkehrentscheidung festzustellen hat, ob die Abschiebung gemäß § 46 gegen einen Drittstaatsangehörigen in einen bestimmten Staat bzw. mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dabei hat das Bundesamt den Staat bzw. die Staaten genau zu bezeichnen, in denen ( gemeint: in die) eine Abschiebung möglich ist. Diese Feststellung bedeutet auch, dass die Abschiebung im Hinblick auf Art. 3 EMRK zulässig ist."

11 Schon an dieser Stelle ist anzumerken, dass § 52 Abs. 9 FPG nur die Feststellung vorsieht, dass "eine

Abschiebung ... zulässig ist ". Dass gegebenenfalls auch die

Feststellung zu treffen wäre, die Abschiebung in einen bestimmten Staat sei nicht zulässig, ist durch dessen Wortlaut nicht gedeckt. Dem entsprechend wird auch in den zitierten Materialien (siehe v. a. den letzten Satz) nur auf den Fall eingegangen, dass die Abschiebung zulässig ist.

12 Im Hinblick auf die gemäß § 52 Abs. 9 FPG nunmehr bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung in aller Regel gebotene (amtswegige) Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung wurde mit dem FrÄG 2015 der Abs. 1 des § 51 FPG dahin geändert, dass die Wortfolge "einer Rückkehrentscheidung," zu entfallen hat. Die Abs. 1 und 2 der genannten Bestimmung lauten seit nunmehr:

"Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat

§ 51. (1) Während eines Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbots, worüber der Fremde zu verständigen ist, ist auf Antrag des Fremden festzustellen, ob die Abschiebung in einen von ihm bezeichneten Staat, der nicht sein Herkunftsstaat ist, gemäß § 50 unzulässig ist.

(2) Bezieht sich ein Antrag gemäß Abs. 1 auf den Herkunftsstaat des Fremden, gilt dieser Antrag als Antrag auf internationalen Schutz. Diesfalls ist gemäß den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 vorzugehen."

Die erwähnte Änderung im Abs. 1 wurde in den ErläutRV (582 BlgNR 25. GP 20) - soweit hier relevant - wie folgt erklärt:

"Es handelt sich hierbei um die Bereinigung eines Redaktionsversehens: § 51 Abs. 1 dient der Umsetzung des Art. 13 EMRK zur Gewährleistung einer effektiven Beschwerdemöglichkeit. Da seit jedoch von Amts wegen bei der Erlassung einer Rückkehrentscheidung (wie auch Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61) über die Zulässigkeit der Abschiebung in bestimmte Staaten auch im Lichte des § 50 abzusprechen ist (§ 52 Abs. 9), erübrigt sich die gesonderte Antragstellungsmöglichkeit während des laufenden Verfahrens.

...

Darüber hinaus hat der Fremde stets die Möglichkeit, ein Vorbringen der Unzulässigkeit (der Abschiebung) in seinen Herkunftsstaat aufgrund Verstoßes gegen Art. 3 EMRK mit einem Antrag auf internationalen Schutz geltend zu machen (siehe ), der Feststellungsantrag des § 51 Abs. 1 bezieht sich daher nur auf einen anderen Staat als diesen."

13 Aus den in den Rz 10 und 12 wiedergegebenen Erläuterungen ergibt sich insgesamt, dass für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung - wie beim Antragsverfahren nach § 51 Abs. 1 FPG betreffend einen vom Herkunftsstaat verschiedenen "Drittstaat" - der Maßstab des § 50 FPG gilt. Mit der in § 52 Abs. 9 FPG gewählten Formulierung "dass eine Abschiebung ... gemäß § 46 (FPG) ... zulässig ist", sollte daher nur ein Hinweis auf die Norm gegeben werden, in der die Abschiebung geregelt ist, und nicht zum Ausdruck gebracht werden, dass für die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung das Vorliegen der Voraussetzungen des § 46 FPG (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0056) gegeben sein müsste. Entscheidend ist somit, ob der genannten Feststellung ein "Verbot der Abschiebung" iSd § 50 FPG, insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK, entgegensteht.

14 Vor diesem Hintergrund hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits in dem in der Revision genannten Erkenntnis vom , Ra 2015/21/0119, mit der Bestimmung des § 52 Abs. 9 FPG näher befasst. Er hat diesbezüglich klargestellt, dass weder das FPG noch das AsylG 2005 einen eigenständigen Antrag eines Fremden kennen, der darauf gerichtet ist festzustellen, dass eine Abschiebung in seinen Herkunftsstaat gemäß § 50 FPG unzulässig ist. Stelle ein Fremder dennoch einen derartigen Antrag, so gelte er gemäß § 51 Abs. 2 FPG als Antrag auf internationalen Schutz und es sei gemäß den Bestimmungen des AsylG 2005 vorzugehen. Aus den dazu vom Verwaltungsgerichtshof zitierten ErläutRV zum FrÄG 2009 (330 BlgNR 24. GP 31) ergibt sich, dass dies nicht nur dann gilt, wenn der Fremde noch keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, sondern auch dann, wenn er bereits ein abgeschlossenes Asylverfahren durchlaufen hat und der nunmehrige Feststellungsantrag entsprechend den asylrechtlichen Bestimmungen als Folgeantrag zu behandeln ist.

15 In diesen ErläutRV (aaO. 30 f) wurde zur damaligen, mit in Kraft getretenen Änderung des oben in der Rz 12 zitierten § 51 Abs. 2 FPG noch (auszugsweise) Folgendes ausgeführt:

"Abs. 2 bestimmt konsequenterweise, dass ein Antrag nach Abs. 1, der sich auf den Herkunftsstaat (§ 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005) des Fremden bezieht, einen Antrag auf internationalen Schutz darstellt und demgemäß nach den asylrechtlichen Bestimmungen zu behandeln ist. Dies ergibt sich klar aus der dem AsylG 2005 zugrunde liegenden Systematik, dass ein Fremder keinen ‚Asylantrag' im engen Sinn des Flüchtlingsbegriffs der GFK stellt, sondern einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag ist gemäß den Bestimmungen des AsylG 2005 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (§ 3 AsylG 2005) als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 AsylG 2005) zu prüfen. Der Prüfungsmaßstab im Hinblick auf den subsidiären Schutz entspricht dabei jenem des Refoulementverbots im FPG."

Indem in den zitierten ErläutRV dargelegt werde, dass der Prüfungsmaßstab im Hinblick auf den subsidiären Schutz jenem des Refoulementverbots im FPG entspreche, werde - so folgerte der Gerichtshof im Erkenntnis Ra 2015/21/0119 weiter - auf § 50 Abs. 1 FPG verwiesen. Die Frage der Gewährung subsidiären Schutzes sei daher, was im Übrigen schon auf Grund des Wortlauts des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht in Zweifel gezogen werden könne, nach Maßgabe der genannten Bestimmung des FPG zu beantworten. Erkennbar eben deshalb sei nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ein gesonderter Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Grunde des § 50 FPG nicht möglich. Einem Fremden sei es verwehrt, eine derartige Feststellung zu begehren, weil über das Thema dieser Feststellung ohnehin - und ausschließlich - im Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz abzusprechen sei. Der sonst in Bezug auf andere Staaten vorgesehene Feststellungsantrag nach § 51 Abs. 1 FPG gehe insoweit im Antrag auf internationalen Schutz gleichsam "auf".

16 Werde daher - so führte der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis Ra 2015/21/0119 daran anschließend aus - in einem Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz im Zusammenhang mit einer Rückkehrentscheidung eine amtswegige Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG getroffen, so sei diese Feststellung, soweit sie sich auf den Herkunftsstaat beziehe, (wegen der inhaltlichen Übereinstimmung des Prüfungsmaßstabs) nur die Konsequenz der Nichtgewährung von Asyl und von subsidiärem Schutz. In dieser Konstellation komme ihr demnach nur die Funktion zu, den Zielstaat der Abschiebung festzulegen. Das müsse bei unveränderter Sachlage aber ebenso dann gelten, wenn die amtswegige Feststellung nicht unter einem mit dem Abspruch nach §§ 3 und 8 AsylG 2005 ergehe, also auch für den in diesem Erkenntnis beurteilten Übergangsfall, in dem der gestellte Antrag auf internationalen Schutz in den Punkten Asyl und subsidiärer Schutz rechtskräftig als unbegründet abgewiesen und das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 an das BFA zurückverwiesen worden war, wobei eine unter dem Gesichtspunkt des § 50 FPG maßgebliche Sachverhaltsänderung nicht zur Debatte stand. Ein inhaltliches "Auseinanderfallen" der genannten Entscheidungen (insbesondere nach § 8 AsylG 2005) einerseits und der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG andererseits sei - jedenfalls auf Basis des nationalen Rechts - auch in dieser Konstellation ausgeschlossen, was es dann aber weiter verunmögliche, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und von subsidiärem Schutz anders zu beurteilen.

17 Daran knüpfte der Verwaltungsgerichtshof in seinem ebenfalls einen solchen Übergangsfall zum Gegenstand habenden Erkenntnis vom , Ra 2016/21/0101, an, und er wiederholte in der Rz 14, auch in einer Konstellation nach § 75 Abs. 20 AsylG 2005 sei die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG, soweit sie sich auf den Herkunftsstaat beziehe, regelmäßig nur die Konsequenz der Nichtgewährung von Asyl und von subsidiärem Schutz; das gelte allerdings nur bei unveränderter Sachlage. Sei jedoch - wie in dem dort gegenständlichen Fall anzunehmen gewesen wäre - in Bezug auf die Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat seit der den Antrag betreffend Asyl und subsidiären Schutz rechtskräftig abweisenden Entscheidung eine maßgebliche Sachverhaltsänderung eingetreten, so wäre eine Überprüfung dahingehend vorzunehmen gewesen, ob eine Abschiebung in den Herkunftsstaat vor dem Hintergrund (insbesondere) des Art. 3 EMRK (noch) zulässig sei. Grundlage einer solchen Überprüfung würden - so führte der Verwaltungsgerichtshof unmittelbar daran anschließend in der Rz 15 aus - meist entsprechende Behauptungen des Fremden sein, mit dem im Fall eines ausreichend substantiierten Vorbringens - aber auch dann, wenn von vornherein notorische Umstände bestehen, die gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat sprechen - mit Blick auf § 51 Abs. 2 FPG die Stellung eines (neuerlichen) Antrags auf internationalen Schutz zu erörtern sein werde. Demzufolge hob der Verwaltungsgerichtshof das dort angefochtene Erkenntnis des BVwG in Bezug auf die besagte Feststellung über die Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat und die erlassene Rückkehrentscheidung auf, weil es vor dem Hintergrund der mittlerweile eingetretenen Änderung der Allgemeinsituation im Herkunftsstaat des dortigen Revisionswerbers - im Sinn der wiedergegebenen Ausführungen - geboten gewesen wäre, konkret zu prüfen, ob die Annahme, ihm drohe in seinem Herkunftsstaat keine (insbesondere) Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung, noch aufrechtzuerhalten sei.

18 Diese Ausführungen gelten aber nicht nur für den im Erkenntnis Ra 2016/21/0101 behandelten Fall, dass infolge einer maßgeblichen Sachverhaltsänderung in Bezug auf die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG keine Bindung an die den Antrag auf internationalen Schutz in den Punkten Asyl und subsidiären Schutz rechtskräftig abweisende Entscheidung mehr besteht, sondern sie lassen sich ohne Weiteres auch auf den gegenständlichen Fall übertragen, in dem eine solche Entscheidung bisher gar nicht vorliegt und ein diesbezügliches Verfahren auch nicht anhängig ist.

19 Allerdings ist - wie schon in Rz 14 dargelegt - auch in dieser Konstellation davon auszugehen, dass es für den Antrag eines Fremden, der darauf gerichtet ist festzustellen, seine Abschiebung in den Herkunftsstaat sei gemäß § 50 FPG unzulässig, im Gesetz keine Grundlage gibt. Stellt ein Fremder - sei es gesondert oder im Rahmen eines Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Bezug auf die damit zu verbindende Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG - dennoch einen derartigen Antrag, so gilt er vor dem Hintergrund der Anordnung des § 51 Abs. 2 FPG als Antrag auf internationalen Schutz und es ist insoweit gemäß den Bestimmungen des AsylG 2005 vorzugehen (zu den Folgen der ausdrücklichen Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz für ein vor dem BVwG anhängiges Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung siehe das Erkenntnis vom , Ra 2016/21/0162). Für die Deutung und Behandlung eines entsprechenden Gefährdungsvorbringens als Antrag auf internationalen Schutz bedarf es aber einerseits ausreichend substantiierter Behauptungen (wobei der erforderliche Substantiierungsgrad niedriger anzusetzen ist, wenn notorische Umstände gegeben sind, die gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat sprechen) und andererseits der diesbezüglichen Wahrung des Parteiengehörs. Gegen den Willen des Fremden, der die Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz ausdrücklich ablehnt, kann das Vorliegen eines solchen Antrags nämlich nicht unterstellt werden.

20 Dem trug das BFA im vorliegenden Fall Rechnung. Es zog nämlich in Betracht, dass das vom Revisionswerber im gegenständlichen Verfahren (durch seinen Rechtsanwalt schriftlich erstattete) Vorbringen, seine Abschiebung in den Kosovo sei wegen der dort drohenden Verfolgung durch einen Mittäter der seinerzeit begangenen Straftaten im Grunde des Art. 3 EMRK unzulässig, als Antrag auf internationalen Schutz zu werten sei, und es forderte ihn mit Schreiben vom auf, den Antrag entsprechend § 17 Abs. 2 AsylG 2005 (in der damals geltenden Fassung vor dem FrÄG 2015) persönlich bei der Erstaufnahmestelle West einzubringen. Das lehnte der Revisionswerber allerdings ausdrücklich ab und brachte - dann auch in der Beschwerde - zum Ausdruck, er begehre vielmehr, dass dieses Vorbringen im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidung und bei der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG berücksichtigt werde.

21 Dem entsprach das BFA insoweit, als es dieses Vorbringen zwar einer Prüfung unterzog, es aber einerseits für unglaubwürdig hielt und andererseits auf Basis der getroffenen Feststellungen zur Sicherheitslage im Kosovo auch von einer ausreichenden staatlichen Schutzgewährung ausging. Folglich erachtete es die dann nach § 52 Abs. 9 FPG getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers in den Kosovo für gerechtfertigt. Dieser Einschätzung trat der Revisionswerber in der Beschwerde mit näherer Begründung entgegen, machte dazu Ermittlungsmängel geltend und beantragte (erkennbar) auch in diesem Zusammenhang die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG. Demgegenüber hielt das BVwG den Sachverhalt (auch) diesbezüglich iSd § 21 Abs. 7 BFA-VG für ausreichend geklärt und demzufolge eine Verhandlung für entbehrlich, weil - so das BVwG der Sache nach - laut dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2015/21/0119, auf den Herkunftsstaat bezogene Verfolgungsbehauptungen nur im Wege eines (hier vom Revisionswerber ausdrücklich nicht gestellten) Antrags auf Gewährung von internationalem Schutz, nicht jedoch im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens zum Erfolg führen könnten.

22 Angesichts dessen stellt sich im vorliegenden Fall die auch in der Revision angesprochene Frage, wie mit einem Vorbringen, die Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat sei (insbesondere) im Grunde des Art. 3 EMRK unzulässig, in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit Blick auf die nach § 52 Abs. 9 FPG zu treffende Feststellung umzugehen ist, wenn keine diesbezüglich bindende Entscheidung betreffend Asyl und subsidiären Schutz vorliegt und ein solches Verfahren trotz entsprechender Anleitung auch nicht anhängig gemacht wird. Wie sich aus der oben vorgenommenen Darstellung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt, wurde zu einer solchen Konstellation bisher noch nicht Stellung genommen.

23 Wie in Rz 19 bereits dargelegt wurde, ist auch in einem solchen Fall der vom Gesetzgeber primär vorgezeichnete Weg die Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz. Nur ein solcher Antrag führt bei Zutreffen der Verfolgungsbehauptungen zur Gewährung von Asyl oder von subsidiärem Schutz und kann entsprechende (umfassende) Aufenthaltsberechtigungen verschaffen; zumindest kann bei Vorliegen einer Konstellation iSd § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 auf diesem Weg eine Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat erreicht werden, woran die Aufenthaltsduldung gemäß § 46a Abs. 1 Z 2 FPG anknüpft (vgl. dazu auch das Erkenntnis vom , Zl. 2013/21/0218, Punkt 4.1.).

24 Entschließt sich der Fremde jedoch wie im vorliegenden Fall - aus welchen Gründen auch immer (möglicherweise wegen seines ohnehin noch gültigen Aufenthaltstitels) - dazu, keinen solchen Antrag einzubringen, kann damit aber noch nicht unterstellt werden, er halte dieses Vorbringen nicht mehr weiter aufrecht, sodass es nunmehr schon deshalb in Bezug auf die nach § 52 Abs. 9 FPG zu treffende Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat unbeachtlich sei. Es hätte aber - anders als das BVwG an einer Stelle seines Erkenntnisses noch meint - in schlüssiger Weise auch nicht davon ausgegangen werden dürfen, wegen der Ablehnung der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz sei ohne Weiteres die Unglaubwürdigkeit der vom Revisionswerber vorgebrachten Verfolgungsgefahr im Kosovo zu unterstellen. Demzufolge hätte sich das BVwG - zur Beurteilung der Zulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt darauf aufbauendem Einreiseverbot - mit dem in diesem Verfahren vom Revisionswerber ausreichend konkret erhobenen Einwand, seine Abschiebung in den Kosovo sei im Grunde des Art. 3 EMRK unzulässig, weil ihm dort eine sein Leben gefährdende Verfolgung drohe, vor der ihn die staatlichen Behörden nicht wirksam schützen könnten, inhaltlich näher auseinandersetzen müssen. Wie sich aus dem schon genannten, in der Rz 17 referierten Erkenntnis vom , Ra 2016/21/0101 (Rz 16 der Entscheidungsgründe), ableiten lässt, darf nämlich eine "positive" Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung (solange) nicht getroffen werden, als dieser Feststellung - sei es aufgrund von entsprechend substantiiertem Vorbringen des Fremden oder aufgrund notorischer Umstände - konkrete Anhaltspunkte, dass die Abschiebung gemäß § 50 FPG, insbesondere wegen Verstoßes gegen Art. 3 EMRK, unzulässig sein könnte, entgegen stehen. Bei Zutreffen dieser Bedenken müsste dann aber nicht nur die besagte Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG, sondern - so es, wie hier, keinen vom Herkunftsstaat verschiedenen "Drittstaat" gibt, der faktisch und rechtlich als Zielland einer Abschiebung in Betracht käme - auch die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt dem gemäß § 53 Abs. 1 FPG darauf aufbauenden Einreiseverbot unterbleiben. Auch auf diese Konsequenz hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im zuletzt genannten Erkenntnis hingewiesen (vgl. daran anschließend für den auch hier gegebenen Fall einer Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 4 FPG den hg. Beschluss vom , Ra 2016/21/0209).

25 Es wird nicht verkannt, dass das vorliegende Verfahren aus behördlicher Sicht im Hinblick auf die vom Revisionswerber begangenen Straftaten zur Durchsetzung öffentlicher Interessen das primäre Ziel hat, möglichst rasch den (rechtmäßigen) Aufenthalt des Revisionswerbers in Österreich durch Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu beenden und ihn durch das befristete Einreiseverbot für einen bestimmten Zeitraum von einer Rückkehr abzuhalten. Dem scheint das in den vorstehenden Überlegungen gewonnene Ergebnis, auch in solchen Fällen sei - wenn keine bindende (negative) Entscheidung betreffend Asyl und subsidiären Schutz vorliegt und kein solches Verfahren anhängig ist bzw. gemacht wird - (als Vorfrage) für die Zulässigkeit einer Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des § 50 FPG zu prüfen und gegebenenfalls habe eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot zu unterbleiben, abträglich zu sein. Das ist aber nur die vom Gesetzgeber offenbar in Kauf genommene Folge der Anordnung, mit einer Rückkehrentscheidung sei - außer im Ausnahmefall des letzten Halbsatzes - immer eine Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG zu verbinden, woraus folgt, dass ohne eine solche "positive" Feststellung auch keine Rückkehrentscheidung ergehen darf. Zum selben Ergebnis (Entfall der Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes) kommt es gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 im Übrigen aber auch bei Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz durch einen rechtmäßig aufhältigen Fremden und Vorliegen eines Aberkennungsgrundes nach § 9 Abs. 2 AsylG 2005 (u.a. bei rechtskräftiger Verurteilung wegen eines Verbrechens), wenn die Abschiebung (insbesondere) im Hinblick auf Art. 3 EMRK unzulässig ist.

26 Ergeben die Ermittlungen, dass eine Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat iSd § 50 FPG unzulässig ist, stellt § 52 Abs. 9 FPG allerdings keine Grundlage dafür dar, darüber hinaus auch noch eine in diesem Sinn ausdrückliche "negative" Feststellung zu treffen. Es wurde nämlich bereits oben in der Rz 11 darauf hingewiesen, durch den Wortlaut der genannten Bestimmung sei nicht gedeckt, dass gegebenenfalls auch die Feststellung zu treffen wäre, die Abschiebung in einen bestimmten Staat sei nicht zulässig. Eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung ist jedenfalls dann, wenn es um die Abschiebung in den Herkunftsstaat geht, nicht geboten, weil dem Fremden insoweit die Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz unbenommen bleibt (vgl. in diesem Sinn auch noch die in der Rz 12 wiedergegebenen ErläutRV, wonach "der Fremde stets die Möglichkeit (hat), ein Vorbringen der Unzulässigkeit (der Abschiebung) in seinen Herkunftsstaat aufgrund Verstoßes gegen Art. 3 EMRK mit einem Antrag auf internationalen Schutz geltend zu machen"). Angesichts dessen bedarf es der ausdrücklichen Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat auch nicht, um gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 FPG eine Duldung des Aufenthalts zu erlangen. Schließlich ist eine solche Feststellung auch nicht aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich, weil diesfalls - siehe Rz 24 und 25 - schon die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu unterbleiben hat, sodass deren Durchsetzung in Form einer Abschiebung von vornherein nicht in Betracht kommt. An diesem Ergebnis ändert auch nichts, dass im Hinblick auf die Frage der (jedenfalls ohne Rückkehrentscheidung zu treffenden) Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen vom Herkunftsstaat verschiedenen "Drittstaat" wegen der in der Rz 12 dargestellten Änderung im Abs. 1 des § 51 FPG - danach ist ein Feststellungsantrag gemäß dieser Bestimmung während eines Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht mehr möglich - unter Umständen eine andere Sichtweise geboten sein könnte.

27 Im Sinne der obigen Darlegungen hätte sich das BVwG daher mit der vom Revisionswerber behaupteten Verfolgung in seinem Heimatstaat im Detail auseinandersetzen und dazu zwecks weiterer Sachverhaltsklärung auch die in der Beschwerde beantragte mündliche Verhandlung durchführen müssen. Auf deren Basis wird im fortgesetzten Verfahren - wenn die Abschiebung des Revisionswerbers in den Kosovo entgegen seinen Behauptungen doch zulässig sein sollte - auch eine aktuelle Neubewertung der Gefährdungsprognose und eine die dann gegebenen Verhältnisse umfassend berücksichtigende Interessenabwägung am Maßstab des § 9 BFA-VG vorzunehmen sein.

28 Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass es in einem Fall wie dem vorliegenden keine Rechtsgrundlage dafür gibt, aus Anlass der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen und darüber im Bescheid abzusprechen. Demnach hätte das BVwG schon aus diesem Grund den diesbezüglichen Ausspruch des BFA nicht bestätigen dürfen.

29 Aus all dem folgt, dass das angefochtene Erkenntnis zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

30 Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am