VwGH vom 21.10.2011, 2010/03/0067

VwGH vom 21.10.2011, 2010/03/0067

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des O F in D, vertreten durch Dr. Manfred Puchner, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Leusbündtweg 49a, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom , Zl E1/18035/09, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Mandatsbescheid vom erließ die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn (BH Dornbirn) gegen den Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs 1 Waffengesetz 1996 (WaffG) ein Waffenverbot. Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Vorstellung.

Mit Bescheid vom bestätigte die erstinstanzliche Behörde den Mandatsbescheid. Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge.

Begründend führte sie (unter anderem) aus, der Beschwerdeführer sei dringend verdächtig, am gegen 21.00 Uhr in einem näher bezeichneten Lokal in S eine "weitere Person" mit den Worten "Ich reiße dir den Kopf runter bzw. ich blase dir den Kopf weg, da ich eine STG77 und eine Pistole im Auto habe" bedroht zu haben. Er sei weiters dringend verdächtig, dieser Person durch mehrere Faustschläge im Gesicht und im Bereich des Oberkörpers leichte Verletzungen zugefügt zu haben; er selbst sei bei dem Vorfall ebenfalls verletzt worden und habe deshalb eine polizeiliche Anzeige erstattet. Im Zuge einer folgenden freiwilligen Nachschau seien im Fahrzeug des Beschwerdeführers unter der hinteren Fußmatte versteckt verbotene Waffenteile (ein präparierter Pistolenlauf und ein Schalldämpfer mit einem auf den Pistolenlauf passenden Gewinde) vorgefunden worden. Der Beschwerdeführer habe die einschreitenden Beamten anfangs noch angelogen, indem er behauptet habe, es handle sich bei diesen Teilen um eine Taschenlampe. In Folge seien die angeführten Gegenstände gemäß § 13 Abs 1 WaffG von den einschreitenden Polizeibeamten sichergestellt und ein vorläufiges Waffenverbot verhängt worden.

Zwar hätten sich die Zeugen bei ihrer - mehrere Tage später stattgefundenen - Vernehmung nicht mehr an die Drohung des Beschwerdeführers mit der Waffe erinnern können. Völlig zu Recht habe die Behörde erster Instanz aber die im Sachverhalt angeführte Drohung "als zugrunde liegend in Betracht" gezogen. Aus nachvollziehbaren Gründen sei den Aussagen der Zeugen vor Ort mehr Gewicht beizumessen als jenen, die die Betroffenen mehrere Tage später bei ihrer förmlichen Vernehmung getätigt hätten. Warum sie ihre Aussagen abgeschwächt hätten, sei nicht nachvollziehbar. Für die Richtigkeit ihrer ersten Angaben spreche aber, dass die Polizei von der angeblichen Aufbewahrung einer Schusswaffe im Fahrzeug des Beschwerdeführers nichts wissen hätte können, wenn nicht zumindest einer der Zeugen bei der Erstbefragung einen entsprechenden Hinweis gegeben hätte. Die Behörde erster Instanz habe in ihrem Bescheid gerade diesen Umstand entsprechend gewürdigt und deshalb den Denkgesetzen folgend schlüssig argumentiert, dass die Drohung des Beschwerdeführer mit Hinweis auf Schusswaffen gefallen sei.

Der Einwand des Beschwerdeführers, die erstinstanzliche Behörde habe kein Ermittlungsverfahren geführt, treffe nicht zu. Nach Einbringung der Vorstellung habe die Behörde erster Instanz ein förmliches Ermittlungsverfahren durchgeführt. Der Sachverhalt sei aufgrund der vorliegenden polizeilichen Strafanzeige "mehr als nur nachvollziehbar feststehend".

Dem Beschwerdeführer sei auch Parteiengehör gegeben worden. Er habe durch die Einbringung der Vorstellung die Möglichkeit gehabt, alle Punkte vorzubringen, die er für sachverhalts- und entscheidungsrelevant halte. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheids vom Akteneinsicht genommen und eine umfassende Berufung gegen diesen Bescheid eingebracht, die ein allfälliges nicht ausreichend gewährtes Parteiengehör auf jeden Fall saniert habe.

In Übereinstimmung mit der Behörde erster Instanz gehe auch die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer über ein entsprechend hohes Aggressionspotential verfüge, verbale Drohungen unter Inaussichtnahme von Schusswaffen ausgesprochen und sich aggressiv und uneinsichtig verhalten habe, weshalb zu befürchten sei, er werde durch die missbräuchliche Verwendung von Waffen Leben, Gesundheit, Freiheit und fremdes Eigentum gefährden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die "Rechtswidrigkeit aufgrund von Mangelhaftigkeit des vorangegangenen Verfahrens" und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß 12 Abs 1 WaffG, BGBl I Nr 12/1997, hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen, Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

Die Verhängung eines Waffenverbotes dient der Verhütung von Gefährdungen der im § 12 Abs 1 WaffG bezeichneten Art und setzt nicht voraus, dass es schon zu einem missbräuchlichen Verwenden von Waffen durch den Betroffenen gekommen ist. Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger Gebrauch gemacht werden könnte. Hierbei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs 1 WaffG setzt lediglich voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen zu befürchten ist (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , Zl 2008/03/0114, mwN).

2. In der Verfahrensrüge macht die Beschwerde geltend, die von der belangten Behörde festgestellten Verdachtsmomente gegen den Beschwerdeführer hätten nur auf der polizeilichen Anzeige beruht. In der - noch vor Erlassung des angefochtenen Bescheids erfolgten - Hauptverhandlung vom vor dem Landesgericht Innsbruck hätten sämtliche Beteiligten eindeutig bestätigt, dass die gefährlichen Drohungen nicht ausgesprochen worden seien. Der Beschwerdeführer sei dementsprechend vom Strafgericht von diesem Faktum auch frei gesprochen worden. Schon daraus ergebe sich, dass die belangte Behörde aufgrund eines bloßen Verdachts, der sich in der Folge als nicht haltbar herausgestellt habe, ein Waffenverbot ausgesprochen habe (weitere Anklagepunkte betreffend die Vergehen der Körperverletzung und des Besitzes verbotener Waffen seien diversionell erledigt worden). Dies nur damit abzutun, Äußerungen von Betroffenen unmittelbar nach der Tat gegenüber der Polizei hätten mehr Gewicht als spätere, sei zu wenig, hätten die Bestimmungen im AVG über die Durchführung eines Ermittlungsverfahrens sonst wenig Sinn. Der Beschwerdeführer sei von der Verwaltungsbehörde nie zu den Vorwürfen und Verdachtsmomenten einvernommen worden. Die Feststellungen im angefochtenen Bescheid seien daher eine eklatante Verletzung von Art 6 EMRK über das faire Verfahren.

3. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde im Ergebnis relevante Verfahrensmängel auf.

Schon in der Vorstellung hatte der Beschwerdeführer den ihm angelasteten Sachverhalt bestritten und zum Beweis des Gegenteils (unter anderem) seine Einvernahme beantragt. Eine solche Einvernahme, die als mögliches Beweismittel dienen kann (§ 51 AVG) und vom Parteiengehör nach § 45 Abs 3 AVG zu unterscheiden ist, fand jedoch im gesamten weiteren Verfahren nicht statt. Eine nachvollziehbare Begründung für das Übergehen dieses Beweisantrags findet sich im angefochtenen Bescheid nicht. Es kann auch nicht erkannt werden, dass die beantragte Beweisaufnahme im gegenständlichen Fall, in dem der Beschwerdeführer die Drohung abgestritten und die Zeugen des umstrittenen Vorfalls im Laufe des Verfahrens widersprüchliche Angaben gemacht hatten, nicht geeignet sein konnte, zu einer anderen Entscheidung zu führen, zumal nicht auszuschließen ist, dass dem persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer hier besondere Bedeutung zugekommen wäre. Schon deshalb vermag der angefochtene Bescheid keinen Bestand zu haben.

Hinzu kommt, dass nach der Aktenlage nicht nachvollzogen werden kann, warum die belangte Behörde vor Erlassung des angefochtenen Bescheids keine Ermittlungen über den Stand des Strafverfahrens angestellt und die Beweisergebnisse des mittlerweile durchgeführten Strafverfahrens vor dem Landesgericht Innsbruck in ihre Entscheidung daher auch nicht einbezogen hat. Auch insoweit lässt sich - trotz gegenteiliger Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift - nicht von vornherein ausschließen, dass bei Berücksichtigung der Ergebnisse des Strafverfahrens ein anderes Verfahrensergebnis erzielt werden hätte können. Es ist zwar richtig, dass die Waffenbehörde den maßgeblichen Sachverhalt selbständig zu beurteilen hat und an den Freispruch des Strafgerichts nicht gebunden ist. Eine vollständige Beweiswürdigung hätte aber die Berücksichtigung sämtlicher Beweisergebnisse (also auch jener im Strafverfahren) erfordert. Jedenfalls wäre dann das behördliche Argument der Uneinsichtigkeit des Beschwerdeführers in sein Fehlverhalten angesichts der erfolgreichen Diversion nicht mehr ohne Weiteres aufrecht zu erhalten gewesen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am