VwGH vom 04.08.2016, Ra 2016/21/0203
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag.a Ortner, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das am mündlich verkündete und am schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, G301 2121953-1/7E, G301 2121954-1/7E und G301 2121955-1/4E, betreffend "Aufenthaltsberechtigungen plus" (mitbeteiligte Parteien: 1. E F, 2. I F, und 3. O F, alle in Rum und vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19/5), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit damit festgestellt wurde, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Aufenthaltsberechtigung plus" nach § 55 Abs. 1 AsylG 2005 vorliegen, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Die Erstmitbeteiligte führt mit dem österreichischen Staatsbürger E. K. eine Lebensgemeinschaft. Dieser Verbindung entstammt der am in Innsbruck geborene gemeinsame Sohn, der ebenfalls österreichischer Staatsbürger ist.
2 Die Erstmitbeteiligte reiste zuletzt gemeinsam mit ihrer volljährigen Tochter (geboren 1995), der Zweitmitbeteiligten, und ihrem minderjährigen Sohn (geboren 2003), dem Drittmitbeteiligten, Anfang Dezember 2014 nach Österreich ein; alle sind albanische Staatsangehörige. Sie stellten in der Folge Anträge auf Gewährung von internationalem Schutz, die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheiden vom zur Gänze abgewiesen wurden. Unter einem sprach das BFA aus, dass den Mitbeteiligten Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 und § 55 AsylG 2005 nicht erteilt werden. Weiters ergingen gegen sie (ohne Gewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise) gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Albanien zulässig sei.
3 Den dagegen erhobenen (verbundenen) Beschwerden, die hinsichtlich der Bekämpfung der Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz wieder zurückgezogen wurden, hat das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen, am mündlich verkündeten und am schriftlich ausgefertigten Erkenntnis stattgegeben und festgestellt, dass (in Bezug auf alle Mitbeteiligten) eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei. "Gleichzeitig" wurde "festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels ‚Aufenthaltsberechtigung plus' nach § 55 Abs. 1 AsylG 2005 vorliegen". Außerdem sprach das BVwG dazu gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Diese Entscheidung wird mit der gegenständlichen (außerordentlichen) Amtsrevision des BFA nur insoweit angefochten, als damit festgestellt wird, die Mitbeteiligten erfüllten die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Aufenthaltsberechtigung plus" nach § 55 Abs. 1 AsylG 2005, "statt ihnen jeweils einen Aufenthaltstitel ‚Aufenthaltsberechtigung' im Sinn des § 54 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 zu erteilen".
5 Im Zuge des vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahrens erstatteten die Mitbeteiligten Revisionsbeantwortungen, in denen sie primär die Zurückweisung der Revision, hilfsweise auch deren Abweisung beantragten.
6 Die Revision ist - wie sich aus dem Weiteren ergibt - entgegen dem gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG nicht bindenden Ausspruch des BVwG unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig und auch berechtigt:
7 Das BVwG ist bei der nach § 9 BFA-VG vorgenommenen Interessenabwägung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen die Mitbeteiligten unverhältnismäßig wäre, und es hat dem entsprechend - von der Amtsrevision unbekämpft - iSd § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei. Das hat gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 zwingend zur Folge, dass den Mitbeteiligten von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 zu erteilen ist (vgl. dazu des Näheren Punkt 3.4. des hg. Erkenntnisses vom , Ra 2015/21/0101). Nur um diese amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 als (zwingende) Folge der festgestellten Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung geht es im vorliegenden Fall (nicht jedoch um die Dokumentation eines in Bezug auf die Erstmitbeteiligte und den Drittmitbeteiligten geltend gemachten unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, sodass die darauf aufbauende Argumentation in der Revisionsbeantwortung dieser Mitbeteiligten ins Leere geht).
8 Diesbezüglich wird in der Amtsrevision in formeller Hinsicht - zu Recht - bemängelt, das BVwG hätte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Spruch seines Erkenntnisses zum Ausdruck bringen müssen, dass es den Aufenthaltstitel selbst in konstitutiver Weise erteilt (vgl. dazu das Erkenntnis vom , Ra 2014/22/0116, und daran anschließend die Erkenntnisse vom , Ra 2015/22/0001, und Ra 2015/22/0020, sowie in Abgrenzung dazu das Erkenntnis vom , Ra 2016/21/0103). Anders als in dem zuletzt genannten Fall lässt sich die vorliegende Entscheidung nicht dahin deuten, dass das BVwG selbst einen Aufenthaltstitel "konstitutiv" erteilen wollte, zumal es sich im Spruch (und auch in der entsprechenden Begründung) darauf beschränkte, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung eines bestimmten Aufenthaltstitels festzustellen. Insoweit ist das BVwG somit von der angeführten Rechtsprechung abgewichen und hat den bekämpften Ausspruch schon deshalb mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Daran ändert - entgegen der Meinung in den Revisionsbeantwortungen - nichts, dass das BFA mittlerweile die Aufenthaltstitel gemäß § 3 AsylG-DV 2005 im Sinne einer bloßen Vollzugshandlung als Karte ausgestellt hat.
9 Der in Rz 7 angesprochene, mit "Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK" überschriebene § 55 AsylG 2005 und der damit im Zusammenhang stehende § 54 Abs. 1 AsylG 2005, der die Arten und Formen der im 7. Hauptstück des AsylG 2005 geregelten Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen umschreibt, lauten (soweit hier relevant) wie folgt:
"§ 54. (1) Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen werden Drittstaatsangehörigen erteilt als:
1. ‚Aufenthaltsberechtigung plus', die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 berechtigt,
2. ‚Aufenthaltsberechtigung', die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt,
3. ...
(2) Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 sind für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen. Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 Z 1 und 2 sind nicht verlängerbar."
"§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus' zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung' zu erteilen."
10 Nach dem Wortlaut der zuletzt zitierten Bestimmung (arg.: "und") kann es keinem Zweifel unterliegen, dass eine "Aufenthaltsberechtigung plus" nur dann zu erteilen ist, wenn einerseits die in der Z 1 und andererseits die in der Z 2 genannten Voraussetzungen vorliegen. Das ergibt sich auch aus § 55 Abs. 2 AsylG 2005, wonach bei bloßem Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 nur eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen ist (siehe idS das hg. Erkenntnis vom , Ra 2016/21/0165, Rz 20; vgl. zur Vorgängerregelung des § 41a Abs. 9 NAG idF vor dem FNG-AnpassungsG auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/22/0249).
11 Eine solche "Aufenthaltsberechtigung" unterscheidet sich von der "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 54 Abs. 1 AsylG 2005 nur in Bezug auf die Berechtigung zur Ausübung von Erwerbstätigkeiten, und zwar dahin, dass die "Aufenthaltsberechtigung" insoweit weniger Rechte einräumt. Statt wie bei der "Aufenthaltsberechtigung plus", die einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt iSd § 17 AuslBG vermittelt, besteht nämlich für die Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit das Erfordernis einer Berechtigung nach dem AuslBG.
12 Im vorliegenden Fall ist auch das BVwG davon ausgegangen, dass für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" die Voraussetzungen nach der Z 1 und der Z 2 des § 55 Abs. 1 AsylG 2005 kumulativ vorliegen müssen und es hat daher nicht nur geprüft, ob die Erteilung von Aufenthaltstiteln für die Mitbeteiligten zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist, sondern auch ob die - nicht erwerbstätigen - Mitbeteiligten das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt haben. Für die Beurteilung der letztgenannten Voraussetzung wären die in den folgenden Rz dargestellten Bestimmungen maßgeblich gewesen.
13 Der mit "Integrationsvereinbarung" überschriebene § 14 NAG und der das "Modul 1 der Integrationsvereinbarung" betreffende § 14a NAG, auf den in der Z 2 des § 55 Abs. 1 AsylG 2005 Bezug genommen wird, lauten (auszugsweise):
"§ 14. (1) Die Integrationsvereinbarung dient der Integration rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassener Drittstaatsangehöriger (§ 2 Abs. 2). Sie bezweckt den Erwerb von vertieften Kenntnissen der deutschen Sprache, um den Drittstaatsangehörigen zur Teilnahme am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich zu befähigen.
(2) Die Integrationsvereinbarung besteht aus zwei aufeinander aufbauenden Modulen:
1. das Modul 1 dient dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur vertieften elementaren Sprachverwendung;
2. das Modul 2 dient dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur selbständigen Sprachverwendung.
(3) Die näheren Bestimmungen zu den Inhalten der Module 1 und 2 der Integrationsvereinbarung hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen."
"§ 14a. (1) Drittstaatsangehörige sind mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet. Diese Pflicht ist dem Drittstaatsangehörigen nachweislich zur Kenntnis zu bringen.
(2) Der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 haben Drittstaatsangehörige binnen zwei Jahren ab erstmaliger Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 nachzukommen. Unter Bedachtnahme auf die persönlichen Lebensumstände des Drittstaatsangehörigen kann der Zeitraum der Erfüllungspflicht auf Antrag mit Bescheid verlängert werden. Diese Verlängerung darf die Dauer von jeweils zwölf Monaten nicht überschreiten; sie hemmt den Lauf der Fristen nach § 15.
(3) Für die Dauer von fünf Jahren ab Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 werden bereits konsumierte Zeiten der Erfüllungspflicht auf den Zeitraum der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 2 angerechnet.
(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1. einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt,
2. einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 vorlegt,
Tabelle in neuem Fenster öffnen
3. | ... |
4. | ... |
Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 14b) beinhaltet das Modul 1. |
(5) ...
(6) Nähere Bestimmungen über die Durchführung von Deutsch-Integrationskursen und den Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch Integrationskurses gemäß Abs. 4 Z 1 sowie über die Nachweise gemäß Abs. 4 Z 2 hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen."
14 Die (u.a.) aufgrund der Ermächtigungen in § 14 Abs. 3 NAG und in § 14a Abs. 6 NAG erlassene Integrationsvereinbarungs-Verordnung, IV-V, BGBl. II Nr. 449/2005, bestimmt in ihren §§ 7 und 9 samt Überschriften Folgendes:
"Deutsch-Integrationskurs (Modul 1)
§ 7. (1) Ziel des Deutsch-Integrationskurses (Modul 1 der Integrationsvereinbarung) ist die Erreichung des A2-Niveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, wie im Rahmencurriculum für Deutsch-Integrationskurse (Anlage A) beschrieben.
(2) Den Abschluss des Deutsch-Integrationskurses bildet eine Abschlussprüfung, zumindest auf dem A2-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, durch den ÖIF."
"Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse
§ 9. (1) Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse im Sinne des § 14a Abs. 4 Z 2 und § 14b Abs. 2 Z 2 NAG gelten allgemein anerkannte Sprachdiplome oder Kurszeugnisse, insbesondere von folgenden Einrichtungen:
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1. | Österreichisches Sprachdiplom Deutsch; |
2. | Goethe-Institut e.V.; |
3. | Telc GmbH. |
(2) Jede Einrichtung hat in dem von ihr auszustellenden Sprachdiplom oder Kurszeugnis gemäß Abs. 1 schriftlich zu bestätigen, dass der betreffende Fremde über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest
1. auf A2-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen oder
2. auf B1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen verfügt.
(3) Fehlt eine Bestätigung nach Abs. 2, gilt der Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse auf der entsprechenden Niveaustufe als nicht erbracht.
(4) Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß §§ 14a Abs. 4 Z 2 oder 14b Abs. 2 Z 1 gelten Zeugnisse des ÖIF nach erfolgreichem Abschluss einer Prüfung auf A2-Niveau oder B1- Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Das Zeugnis hat dem Muster der Anlage B zu entsprechen."
15 Das BVwG ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass alle Mitbeteiligten - wie in § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 alternativ zu einer Erwerbstätigkeit mit ausreichendem Einkommen gefordert - "das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG" erfüllt haben. Dazu traf es auf Seite 5 des angefochtenen Erkenntnisses folgende Feststellungen (BF1 = Erstmitbeteiligte, usw):
"Die BF2 hat einen A2-Deutschkurs erfolgreich mit einer Prüfung abgeschlossen und verfügt über gute Deutschkenntnisse, ebenso wie der BF3. Die BF1 hat einen A1-Deutschkurs besucht, diesen auf Grund der damaligen Schwangerschaft bislang aber nicht mit einer Prüfung abgeschlossen. Die BF1 verfügt über Deutschkenntnisse, die ihr eine Kommunikation im Alltag ermöglichen."
Unter dem Titel "Beweiswürdigung" wurde - offenbar auch dazu -
allgemein auf die Aktenlage und die glaubhaften Angaben der Erst- und der Zweimitbeteiligten in der mündlichen Verhandlung verwiesen und konkret nur ausgeführt, die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen der Mitbeteiligten beruhe "überdies auf der eigenen Wahrnehmung des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung".
An die zitierten Feststellungen knüpft folgende rechtliche Beurteilung des BVwG auf Seite 10 des angefochtenen Erkenntnisses an:
"Die BF2 und der BF3 haben einen Nachweis über die Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG vorgelegt (z.B. Abschluss eines Deutsch-Integrationskurses oder allgemein anerkannter Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse zumindest auf dem A2-Sprachniveau). Die BF1 verfügt über Deutschkenntnisse auf dem A1-Niveau und beabsichtigt, in nächster Zeit einen weiteren Deutschkurs zur Erreichung des A2-Niveaus zu absolvieren.
Es war daher gleichzeitig festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels ‚Aufenthaltsberechtigung plus' gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 vorliegen."
16 Diese Schlussfolgerungen werden in der Amtsrevision des BFA zusammengefasst vor allem unter dem Gesichtspunkt kritisiert, dass die Mitbeteiligten den nach § 14a Abs. 4 Z 2 NAG iVm § 9 IV-V erforderlichen Nachweis über den Erwerb der deutschen Sprache auf dem Niveau A2 in der dort vorgeschriebenen formalisierten Form nicht erbracht hätten. Jedenfalls befänden sich im Akt keine solchen Nachweise, sodass die Feststellungen betreffend die Zweitmitbeteiligte und den Drittmitbeteiligten über deren Vorlage aktenwidrig bzw. nicht nachvollziehbar begründet seien. Die Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses auf A1-Niveau durch die Erstmitbeteiligte reiche schon von vornherein nicht für den Nachweis der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung.
17 Dem ist (nur) in Bezug auf die Erstmitbeteiligte und den Drittmitbeteiligten beizupflichten:
18 Vorauszuschicken ist, dass den Mitbeteiligten eine "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 nur zu erteilen gewesen wäre, wenn sie im Entscheidungszeitpunkt das "Modul 1" der Integrationsvereinbarung bereits erfüllt hätten (vgl. demgegenüber § 14a NAG, der als Voraussetzung für die Erteilung der im Abs. 1 angeführten Aufenthaltstitel auf die Verpflichtung zur Erfüllung des Moduls 1 innerhalb der sich aus den nachfolgenden Absätzen ergebenden Fristen abstellt). Die Erfüllung des genannten Moduls setzt nach § 14 Abs. 2 Z 1 NAG den Erwerb von "Kenntnissen der deutschen Sprache zur vertieften elementaren Sprachverwendung" voraus. Das bedeutet gemäß § 7 Abs. 1 IV-V "die Erreichung des A2-Niveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, wie im Rahmencurriculum für Deutsch-Integrationskurse (Anlage A) beschrieben", und erfordert überdies die Vorlage von - soweit fallbezogen relevant - entsprechenden Nachweisen iSd Z 1 oder Z 2 des § 14a Abs. 4 NAG, deren näherer Inhalt sich aus § 9 IV-V ergibt (vgl. in diesem Sinn zum damaligen "Modul 2" das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/01/0030, Punkt 3.3. der Entscheidungsgründe).
19 Nach der Aktenlage wurden derartige Nachweise betreffend den Erwerb der deutschen Sprache (zumindest) auf dem Niveau A2 für die Erstmitbeteiligte und den Drittmitbeteiligten nicht vorgelegt; die im Akt befindlichen Nachweise beziehen sich nur auf den Besuch von Kursen für den Erwerb der deutschen Sprache auf dem - darunter liegenden - Niveau A1 (vgl. § 21a Abs. 1 NAG iVm § 9b Abs. 1 NAG-DV: "Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau"; siehe dazu auch das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/22/0039). Gegenteiliges wird in der Revisionsbeantwortung der Erstmitbeteiligten und des Drittmitbeteiligten auch nicht behauptet. Ohne solche Nachweise würden zwar auch die vom BVwG offenbar als glaubwürdig beurteilte Aussage der Zweitmitbeteiligten in der Verhandlung am , sie habe "einen A2-Kurs erfolgreich mit Prüfung abgeschlossen" und eine dem entsprechende Feststellung nicht genügen. Im Verwaltungsakt befindet sich jedoch betreffend die Zweitmitbeteiligte ein diesbezüglicher Nachweis gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 IV-V vom , wonach sie "die Prüfung ÖSD Zertifikat A2" am Prüfungszentrum der VHS Innsbruck "gut bestanden" hat (AS 232 iVm 237). Darauf wird in der Revisionsbeantwortung zu Recht hingewiesen. Hinsichtlich der Erstmitbeteiligten und des Drittmitbeteiligten hätte das BVwG jedoch seiner Entscheidung nicht zugrunde legen dürfen, sie hätten iSd § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 "das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG" und damit die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" erfüllt.
20 Das angefochtene Erkenntnis war somit - in Bezug auf die Zweitmitbeteiligte allerdings nur aus den in Rz 8 angeführten Gründen - im bekämpften Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am