VwGH vom 22.11.2005, 2005/01/0626
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des T (auch B oder Z oder G) in W, geboren 1957, vertreten durch Mag. Detlev Baumgarten, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Helfersdorferstraße 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom , Zl. 230.288/7-VII/43/03, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages wegen entschiedener Sache (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein georgischer Staatsangehöriger, reiste am (erstmals) in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen (ersten) Asylantrag, den er im Wesentlichen damit begründete, wegen seiner oppositionellen politischen Tätigkeit im Herkunftsstaat von der Polizei verfolgt zu werden.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom , rechtskräftig seit , wegen mangelnder Glaubwürdigkeit der behaupteten Fluchtgründe gemäß § 7 AsylG abgewiesen und es wurde gemäß § 8 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Georgien zulässig sei.
Mit Schriftsatz vom , beim Bundesasylamt eingelangt am , beantragte der Beschwerdeführer neuerlich Asyl. Dazu gab er bei seiner Einvernahme durch das Bundesasylamt am an, nach Beendigung des ersten Asylverfahrens ungefähr im Juli 2002 nach Georgien abgeschoben worden zu sein. Bei seiner Ankunft in Tbilisi sei er mit denselben Problemen konfrontiert gewesen wie vor seiner ersten Ausreise. Er sei von der Polizei bereits erwartet, festgenommen und einen Tag lang in Haft gehalten worden. Seine Verwandten hätten ihn "freikaufen dürfen". Anschließend habe er (wieder) in der Autoreparaturwerkstätte seines Schwagers gearbeitet, die eines Nachts von Unbekannten zerstört worden sei. Zwei angestellte Nachtwächter hätten den Vorfall zwar beobachtet, die Täter aber nicht identifizieren können. Der Beschwerdeführer habe in der Folge Anzeige bei der Bezirkspolizei in Gldani erstattet. Einen Tag später sei er von der Polizei festgenommen worden. Man habe ihn bezichtigt, von seinen Nachtwächtern Schadenersatz verlangt und deshalb mit diesen in eine Auseinandersetzung geraten zu sein. Er habe fünf Tage in Haft verbracht, ehe ihn seine Lebensgefährtin freikaufen habe können. Er habe nachgedacht und sei zu dem Schluss gekommen, dass er in Tbilisi nicht mehr weiter leben könne. Gleichgültig was er gemacht hätte, wäre er wegen jeder Kleinigkeit gleich eingesperrt worden. Er habe wegen seiner politischen Tätigkeit alles verloren und sei einfach müde, dem Regime und der Polizei immer wegzulaufen. Im Falle seiner Rückkehr in das Heimatland befürchte er, es könne ihm dasselbe wie früher widerfahren.
Das Bundesasylamt wies diesen (zweiten) Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.
Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid "im Grunde des § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache" ab.
Nach Wiedergabe des Verfahrensverlaufes und allgemeinen Rechtsausführungen zu § 68 Abs. 1 AVG begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung folgendermaßen:
"Für den unabhängigen Bundesasylsenat ist Sache des gegenständlichen Verfahrens im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG demnach ausschließlich die Frage, ob die erstinstanzliche Behörde den neuerlichen Asylantrag zu Recht gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat. Dies ist nach Auffassung der Berufungsbehörde der Fall, weil der Berufungswerber zu seinem zweiten Asylantrag keinen neuen entscheidungsrelevanten Sachverhalt vorgebracht hat.
Der Berufungswerber berief sich im gegenständlichen Asylverfahren auf die gleichen Fluchtgründe, die er bereits in seinem ersten Asylverfahren vorgebracht hatte. So führte der Berufungswerber in der niederschriftlichen Einvernahme vom aus, dass er gleich bei seiner Ankunft in Georgien im Juli 2002 von der Polizei verhaftet wurde und später noch einmal fünf Tage in Polizeihaft verbracht habe. Beide Male sei er freigekauft worden. Dazu ist festzuhalten, dass der Berufungswerber bereits während seines ersten Asylverfahrens als Fluchtgrund vorgebracht hatte, dass die Polizei unaufhörlich Geld von ihm erpressen wollte, indem sie ihn aus fadenscheinigen Gründen inhaftiere, um danach Geld für seine Freilassung zu kassieren. Daraus ergibt sich aber, dass sich die im gegenständlichen Verfahren vom Berufungswerber dargelegten Fluchtgründe lediglich als eine Fortführung seines Vorbringens darstellen, welches bereits im ersten Verfahren durch einen rechtskräftigen Bescheid als unglaubwürdig erachtet wurde. Dies bestätigt der Berufungswerber auch insofern selbst, als er auf die Frage, worauf er seinen zweiten Asylantrag begründe, ausdrücklich erklärte, dass er bei seiner Rückkehr nach Tbilisi mit den gleichen Problemen konfrontiert gewesen wäre wie vor seiner ersten Ausreise. Gleiches gilt für seine Befürchtung, aus politischen Gründen in Georgien verfolgt zu werden.
Da somit weder in der maßgeblichen Sachlage und zwar weder im Hinblick auf jenen Sachverhalt der in der Sphäre des Berufungswerbers gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen im Hinblick auf eine Entscheidung nach § 7 AsylG zu beurteilen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen scheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden kann."
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde - erwogen hat:
Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer zur Begründung des vorliegenden (zweiten) Asylantrages Verfolgungshandlungen durch die georgischen Polizeibehörden behauptete, die sich erst nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens (und im Anschluss an seine Rückkehr nach Georgien) ereignet haben sollen. Dass diesem Vorbringen - würde es zu Grunde gelegt - schon die grundsätzliche Eignung zur Begründung eines Asylanspruches abzusprechen wäre, kann nicht von vornherein gesagt werden und wurde von der belangten Behörde auch nicht in dieser Weise begründet. Sie argumentierte vielmehr damit, dass die behaupteten Geschehnisse nach der Rückkehr in den Herkunftsstaat lediglich eine Fortführung des Vorbringens im ersten Asylverfahren wären. Dieses Vorbringen sei jedoch bereits durch einen rechtskräftigen Bescheid (des Bundesasylamtes vom ) als unglaubwürdig erkannt worden.
Damit verkennt die belangte Behörde, dass das neue Vorbringen des Beschwerdeführers im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes daraufhin zu überprüfen gewesen wäre, ob es einen "glaubhaften Kern" aufwies oder nicht. Dass das neue Vorbringen in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den im Erstverfahren nicht geglaubten Behauptungen stand, ändert an diesem Umstand nichts. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der behaupteten neuen Tatsachen argumentativ von Bedeutung sein, macht eine Beweiswürdigung des neuen Vorbringens aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar - in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden - unzulässig. Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Bescheid des Bundesasylamtes vom zu Grunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedürfte es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/20/0365, mwN).
Da die belangte Behörde dies nicht erkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Die Zuerkennung der vom Beschwerdeführer verzeichneten Eingabegebühr kam - wegen der diesbezüglich bewilligten Verfahrenshilfe - ebenso wenig in Betracht wie ein gesonderter Zuspruch von Umsatzsteuer, der in den oben genannten Bestimmungen nicht vorgesehen ist.
Wien, am