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VwGH vom 20.03.2014, 2012/08/0194

VwGH vom 20.03.2014, 2012/08/0194

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterin, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des Finanzamtes Wien 1/23 in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-07/A/11/4366/2012-6, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: NG in Wien; weitere Partei:

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom wurde der Mitbeteiligte für schuldig befunden, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1991 zur Vertretung nach außen Berufener der G. OEG in Wien zu verantworten, dass es diese Gesellschaft als Dienstgeberin unterlassen habe, die von ihr am in Wien beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte D.W. vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Der Mitbeteiligte habe § 33 Abs. 2 iVm § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG verletzt, weshalb über ihn gemäß § 111 Abs. 2 erster Strafsatz ASVG iVm § 9 VStG 1991 eine Geldstrafe von EUR 770,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen) verhängt werde. Gemäß § 9 Abs. 7 VStG werde die Haftung der G. OEG ausgesprochen.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde das erstinstanzliche Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.

Der Mitbeteiligte habe in seiner Berufung ausgeführt, er habe alles versucht, um eine ordnungsgemäße Anmeldung zu erwirken. Er habe mit Internet und Callcenter versucht Kontakt (mit dem zuständigen Krankenversicherungsträger) aufzunehmen, was ihm letztlich erst mit einigen Stunden Verzögerung gelungen wäre. Er habe im Rahmen des Parteiengehörs bekräftigt, Stunden in der Warteschleife gehangen zu haben. Er habe am um 20:00 Uhr die Anmeldung vornehmen wollen. Er habe bekräftigt, dass D.W. die Arbeit am um 20:00 Uhr aufgenommen habe. Als er endlich durchgekommen sei, sei ihm vom Callcenter erklärt worden, die Anmeldung gelte ohnedies für den ganzen Tag.

Weder das beschwerdeführende Finanzamt als strafantragstellende Behörde noch die Wiener Gebietskrankenkasse hätten der Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom dahin entsprochen, dass die Einwände des Mitbeteiligten widerlegt worden wären. Der Mitbeteiligte habe jedenfalls hinreichende Versuche glaubhaft gemacht und dies durch das Angebot (der Beischaffung) eines Gesprächsnachweises seines Netzbetreibers untermauert. Der genannten Verfahrensordnung sei nicht Folge geleistet worden. Weder sei der dargelegte Versuch einer Internetanmeldung noch eines Anrufes überprüft oder gar widerlegt worden, noch die Mitarbeiterin des Callcenters benannt worden. Statt der erwarteten Nachweise betreffend die mündliche Aviso-Meldung durch den Mitbeteiligten sei irrtümlich der Anmeldevermerk der nachgereichten Vollmeldung (vom ) vorgelegt worden.

Die belangte Behörde schenke den Angaben des Mitbeteiligten Glauben, dass er sich über mehrere Stunden um eine ordnungsgemäße Anmeldung abgemüht habe. Der Vorwurf der fehlenden Aviso-Meldung im Sinn der Tatumschreibung sei somit nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachweisbar. Erhebungen, die das Vorbringen des Mitbeteiligten hätten widerlegen können, seien durch das beschwerdeführende Finanzamt nicht gepflogen worden. Der Tatvorwurf der fehlenden Vollanmeldung sei durch den Akteninhalt widerlegt. Da der Mitbeteiligte selbst gehandelt habe, sei auch der Einwand des fehlenden Kontrollmechanismus unschlüssig.

Zum Tatbestand der dem Mitbeteiligten zur Last gelegten Verwaltungsübertretung gehöre weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr. Über das für die Strafbarkeit erforderliche Verschulden sei nichts Näheres bestimmt. Es handle sich um ein Ungehorsamsdelikt, für welches gemäß § 5 Abs. 1 VStG Verschulden in Form fahrlässigen Verhaltens zu vermuten sei. Der Mitbeteiligte könne diese Vermutung widerlegen, indem er initiativ alles darlege, was für seine Entlastung spreche. Er habe dem ihm zumutbaren Maß an Sorgfaltspflicht entsprochen, indem er sich bei Arbeitsaufnahme angeschickt habe, die gesetzlich vorgesehene Aviso-Meldung vorzunehmen. Mangels eines Antrages des beschwerdeführenden Finanzamtes auf Beischaffung sei den Ausführungen des Mitbeteiligten Glauben zu schenken gewesen, dass ein diesbezüglicher Anrufnachweis seines Netzbetreibers vorgelegt werden könne. Vor diesem Hintergrund und dem dargelegten Bemühen eines Anmeldeversuches über das Internet bzw. über das Callcenter habe der Mitbeteiligte in genügendem Maße bescheinigt, taugliche Versuche zur Anmeldung unternommen zu haben. Ihn treffe kein Verschulden. Auch seinem Einwand des fehlenden Passwortes sei die beschwerdeführende Finanzamt nicht entgegengetreten. Die betreffende Mitarbeiterin des Callcenters sei weder von der Wiener Gebietskrankenkasse noch vom beschwerdeführenden Finanzamt namhaft gemacht worden.

Eine mehrstündige Warteschleife und ein Nichtfunktionieren eines Internetanschlusses könne nicht ausschließlich im Verantwortungsbereich des Mitbeteiligten gesehen werden. Ihm während dieses Handelns noch eine Faxmitteilung zuzumuten, würde den dem Mitbeteiligten angelegten Sorgfaltsmaßstab überspannen. Der Mitbeteiligte habe vermocht, sein Vorbringen glaubhaft zu machen und entsprechend zu untermauern. Hingegen seien die von der belangten Behörde in der Verfahrensanordnung vom angesprochenen Beweise und Zeugen weder benannt noch stellig gemacht worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie der Mitbeteiligte - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Das beschwerdeführende Finanzamt bringt vor, durch seine Organe sei am gegen 21:00 Uhr in einem Lokal der

G. OEG in Wien festgestellt worden, dass von dieser Gesellschaft als Dienstgeberin eine Dienstnehmerin beschäftigt worden sei, ohne diese vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger zur Sozialversicherung zu melden. D.W. sei bereits seit 20:00 Uhr dieses Tages im Betrieb tätig gewesen.

In seiner Rechtfertigung habe der Mitbeteiligte geltend gemacht, er habe versucht, die Anmeldung telefonisch einzubringen. In seiner Berufung habe er als Glaubhaftmachung angeboten, einen "Telefonauszug" als Beweis beizubringen. Er habe dieses Beweismittel aber letztlich nicht vorgelegt. Die objektive Tatseite sei auch in dieser Berufung außer Streit gestellt worden. Im Berufungsverfahren habe die beschwerdeführende Amtspartei einen Auszug aus dem System ELDA vorgelegt, wonach eine Avisomeldung im Callcenter Linz bezüglich D.W. am um 23:18:14 Uhr erfolgt sei. Die Anmeldung sei als fallweise geringfügig beschäftigte Arbeitskraft erfolgt.

Der Mitbeteiligte habe angegeben, dass er "drei Stunden in der Warteschleife gehangen" habe. Diese Aussage wörtlich interpretiert bedeute, dass der Versuch der telefonischen Anmeldung erst um 20:18 Uhr (drei Stunden vor 23:18:14 Uhr), also nach Beschäftigungsbeginn begonnen worden sei. Dies obwohl vorher der angebliche Versuch der Anmeldung über das Internet gescheitert sei. Es liege also bezogen auf die anmeldungslose Beschäftigung von Frau W. Wissentlichkeit vor. Der Mitbeteiligte habe seine Schuld bestritten, indem er behauptet habe, über mehrere Stunden (wobei der genaue Beginn dieses Bemühens fraglich geblieben sei) erfolglos versucht zu haben, eine telefonische Anmeldung vorzunehmen. Bedeutsam sei der Umstand, dass er selbst zugegeben habe, vorher (konkret erst nach 19:30 Uhr) den Versuch einer elektronischen Anmeldung unternommen zu haben. Diesen Versuch habe er erfolglos beenden müssen, weil er nicht über ein benötigtes Passwort verfügt habe. Dies habe dazu geführt, dass er ab 20:00 Uhr die anmeldungslose Beschäftigung der Dienstnehmerin D.W. wissentlich in Kauf genommen habe. Der Mitbeteiligte habe zum Beweis für seine Schuldlosigkeit "Telefonauszüge" (Datenprotokolle vom Telefonnetzbetreiber) angeboten. Dieser Beweis sei von der belangten Behörde nicht aufgenommen worden. Es lägen Umstände vor, wonach der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedürfe. Die belangte Behörde habe es unter Verletzung seiner Verpflichtung gemäß § 66 Abs. 4 AVG unterlassen, den vom Mitbeteiligten selbst angebotenen Beweis dafür aufzunehmen, dass er alles in seiner Macht stehende unternommen habe, das ihm vorgeworfene Ungehorsamsdelikt nicht zu begehen. Der Amtspartei sei zu Unrecht angelastet worden, diese Beweise nicht erbracht zu haben. Die "gegebenen Fakten" würden nicht ausreichen, um nach deren Würdigung ohne weitere Ermittlungen auf Basis der Behauptungen des Mitbeteiligten allein zur Annahme der Schuldlosigkeit zu gelangen.

2. Die Beschwerde ist nicht berechtigt.

Die sich im Wesentlichen auf die Aussage des Mitbeteiligten stützende Beweiswürdigung der belangten Behörde ist vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner eingeschränkten Prüfbefugnis (§ 41 Abs. 1 VwGG) nicht zu beanstanden. Das beschwerdeführende Finanzamt zeigt keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unschlüssigkeit oder Denkgesetzwidrigkeit der Beweiswürdigung auf. Dass die Beweisergebnisse unter Umständen auch anders hätten gewichtet werden können, macht den angefochtenen Bescheid nicht rechtswidrig.

Was die von der beschwerdeführenden Amtspartei vermissten weiteren Ermittlungen betreffend die "Telefonlisten" betrifft, so ist sie darauf zu verweisen, dass die belangte Behörde in freier, nicht zu beanstandender Beweiswürdigung den Angaben des Mitbeteiligten Glauben geschenkt hat. Es liegt im Wesen der freien Beweiswürdigung der belangten Behörde, dass weitere, die Glaubwürdigkeit von Aussagen betreffende Beweise ("Kontrollbeweise" bzw. "Hilfsbeweise") nicht mehr berücksichtigt werden müssen, wenn sich die Verwaltungsbehörde auf Grund der bisher vorliegenden Beweise ein klares Bild über die maßgeblichen Sachverhaltsmomente machen konnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/08/0026). Von daher war die belangte Behörde nicht verhalten, amtswegig weitere Ermittlungen vorzunehmen. Da auch die beschwerdefrührende Amtspartei weder bestimmte Behauptungen (betreffend die besagten Telefonlisten) aufgestellt noch Beweise angeboten hat, erübrigt es sich auch darauf einzugehen, ob die behaupteten Umstände, wären sie erwiesen, die Beweiskraft der von der belangten Behörde diesbezüglich ihrer Entscheidung zu Grunde gelegten Beweisergebnisse relevant erschüttern könnten (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 2012/08/0026).

3. Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
BAAAE-71471