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VwGH vom 12.04.2011, 2007/18/0951

VwGH vom 12.04.2011, 2007/18/0951

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des D Z in W, vertreten durch Dr. Gerald Burgstaller, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Teinfaltstrasse 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 1661/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei mit einem Visum D am in das Bundesgebiet eingereist, nachdem er am in seiner Heimat eine österreichische Staatsbürgerin (G.) geheiratet habe. Wenig später habe er die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt.

Am sei bei polizeilichen Erhebungen an der angeblichen ehelichen Wohnanschrift (des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin G.) ein Hausbewohner angetroffen worden, der angegeben habe, dass hier G. mit ihrem Gatten (gemeint: P., von dem sie drei Tage vor der Eheschließung mit dem Beschwerdeführer in "J" geschieden worden sei) zusammenwohne. Den Beschwerdeführer habe dieser Hausbewohner unter Vorhalt eines Fotos nicht gekannt. Die Wohnung sei von G. geöffnet worden, wo sich P. nur mit einem Pyjama bekleidet hinter der Kastentür des Schlafzimmers zu verstecken versucht habe. Diese Wohnung bestehe lediglich aus Zimmer und Küche und biete nur eine Schlafmöglichkeit für zwei Personen. G. habe, auf das Vorliegen einer Scheinehe angesprochen, diese zwar nicht geleugnet, jedoch auch nicht direkt zugegeben. P. habe dem Beamten gegenüber auszuloten versucht, welche Konsequenzen es für den Beschwerdeführer geben könnte. Beide (G. und P.) hätten angegeben, dass der Beschwerdeführer die meiste Zeit bei seinem Bruder und seiner Mutter verbringe. Deren Anschriften hätten sie jedoch nicht mitteilen können.

Bei ihrer Befragung wenig später durch die erstinstanzliche Behörde habe G. versucht, die Ehe mit dem Beschwerdeführer als "Liebesheirat" und ihren geschiedenen Ehegatten (P.) als Alkoholiker darzustellen.

Nach Wiedergabe des Inhaltes der Aussage der Ehegattin des Beschwerdeführers bei deren Vernehmung am vor der erstinstanzlichen Behörde und des Ergebnisses der von der belangten Behörde am an der angeblichen ehelichen Wohnanschrift durchgeführten Erhebungen sowie der Angaben der dabei angetroffenen Hausbesitzerin zur Familie P. (gemeint: G. und P. sowie deren Sohn) führte die belangte Behörde aus, dass der Bericht über die Erhebungen vom zwar dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht worden sei, dieser jedoch dazu keine Stellungnahme abgegeben habe.

Im weiteren Verfahren habe der Beschwerdeführer in der Stellungnahme vom das Vorliegen einer Scheinehe bestritten und seinen Bruder sowie sechs weitere Personen angeführt, die bezeugen könnten, dass es sich um keine Scheinehe handle. Deren Vernehmung sei jedoch entbehrlich gewesen, weil nicht erkennbar sei, zu welchem Beweisthema diese Personen konkret hätten befragt werden sollen. Die rechtliche Wertung, ob eine Ehe eine Scheinehe darstelle, stehe hingegen einem Zeugen nicht zu. Welche Wahrnehmungen diese Zeugen gemacht hätten, über die sie Zeugnis hätten ablegen können, sei nicht ersichtlich gewesen.

Solcherart habe die erstinstanzliche Behörde zu Recht festgestellt, dass der Beschwerdeführer eine Scheinehe eingegangen sei, um einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet zu erwirken.

So sei das Ergebnis der Erhebungen vom 12. Februar (gemeint: 2. Dezember) 2004 und 22. (gemeint: 25.) Mai 2007 unwidersprochen geblieben. Demnach sei der Beschwerdeführer einem Hausbewohner wenige Monate nach seinem angeblichen Einzug in der ehelichen Wohnung völlig unbekannt gewesen. Darüber hinaus habe die im Haus wohnhafte Hausbesitzerin angegeben, G. und ihr geschiedener Ehegatte (P.) hätten ihr erzählt, dass die Ehe mit dem Beschwerdeführer nur geschlossen worden sei, weil sie Geld gebraucht hätten. Weiters sei P. bei der polizeilichen Erhebung in der Wohnung im Pyjama angetroffen worden. Die dafür abgegebene Erklärung der Ehegattin des Beschwerdeführers, dass P. alkoholisiert gewesen sei, nicht mehr nach Hause habe gehen können und deshalb im Bett der 22-jährigen Tochter geschlafen habe, erscheine reichlich konstruiert, zumal P. bei diesem polizeilichen Einschreiten zumindest offenbar so weit nüchtern gewesen sei, dass er sich hinter einer Kastentür habe verstecken können und mit den Beamten ein Gespräch geführt habe. Vielmehr rechtfertige dies die Annahme, dass P. mit G. zusammenlebe, was auch den Angaben der befragten Hausparteien entsprochen habe. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer um 17 Jahre jünger als G. sei. Dass sich der Beschwerdeführer und G. beinahe zeitgleich hätten scheiden lassen, um wenige Tage später in "J" zu heiraten, spreche unter den gegebenen Umständen für sich, zumal nicht nachvollziehbar sei, wie unter den damals gegebenen Umständen eine auf Liebe gestützte Beziehung hätte entstehen sollen, die letztlich in einer Eheschließung gemündet habe. Der Beschwerdeführer sei nach der Aktenlage zuvor nie in Österreich aufhältig gewesen, und G. habe ihren ständigen Wohnsitz in Österreich gehabt. Letztlich spreche für das Vorliegen einer Scheinehe auch die Reaktion von G. und P. bei deren Betretung in der Wohnung, als sie die Konsequenzen einer Scheinehe in Erfahrung hätten bringen wollen. Auch sei den Beamten gegenüber dabei angegeben worden, dass der Beschwerdeführer die meiste Zeit bei seinem Bruder oder seiner Mutter verbringe.

Der Beschwerdeführer hingegen habe nicht nur sämtliche Erhebungsergebnisse unwidersprochen gelassen, sondern auch nichts geltend gemacht, was das Vorliegen eines Ehe- und Familienlebens auch nur im weitesten Sinne hätte glaubhaft erscheinen lassen.

Auf Grund dieser Umstände sei die belangte Behörde zur Überzeugung gelangt, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt sei. Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers stelle eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch im Sinn des § 87 leg. cit. (gemeint: iVm § 86 Abs. 1 leg. cit.) verwirklicht seien.

Der Beschwerdeführer sei - wie dargestellt - verheiratet und habe keine Sorgepflichten. Familiäre Bindungen bestünden zu einem Bruder und seiner Mutter. Diese Bindungen seien jedoch insofern zu relativieren, als alle Beteiligten längst volljährig seien und anscheinend nicht im gemeinsamen Haushalt lebten. Die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers ableitbare Integration und sämtliche von ihm seither eingegangenen unselbstständigen Beschäftigungsverhältnisse wögen nicht schwer, gründe sich doch der gesamte Aufenthalt auf das genannte Fehlverhalten. Den insgesamt sohin keinesfalls ausgeprägten privaten Interessen stehe das große öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens und der Verhinderung von Scheinehen entgegen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und zur Verhinderung von Scheinehen - dringend geboten, und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen keinesfalls schwerer als das in seinem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse an seinem Fernbleiben vom Bundesgebiet, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG zulässig sei.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe für die belangte Behörde keine Veranlassung bestanden, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde wendet sich gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer Scheinehe und bringt vor, dass der Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens das Vorliegen einer Scheinehe bestritten habe und mit seiner Ehegattin ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK führe. Tatsache sei, dass es sich bei seiner Heirat mit G. um eine Liebesheirat handle, was G. bei ihrer Vernehmung vor der belangten Behörde bestätigt habe. Auch sei die Feststellung im angefochtenen Bescheid, dass er sämtliche Erhebungsergebnisse unwidersprochen gelassen und nichts geltend gemacht habe, was das Vorliegen eines Ehe- und Familienlebens hätte glaubhaft erscheinen lassen, unrichtig, habe er doch in seiner Stellungnahme vom ausdrücklich festgehalten, dass er den gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehegattin aufrechterhalten wolle und dies seine Ehegattin, sein Bruder und acht weitere in Wien lebende, namentlich bezeichnete Personen bezeugen könnten.

1.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Der Beschwerdeführer hat in seiner im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Stellungnahme vom vorgebracht, dass er den gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehegattin G. aufrechterhalten wolle und sowohl G. als auch sein Bruder bestätigen sowie acht weitere (mit Namen und Anschrift näher bezeichnete) Personen bezeugen könnten, dass es sich im vorliegenden Fall um keine Scheinehe handle. Die erstinstanzliche Behörde hat (nach Ausweis der Verwaltungsakten) nach dieser Stellungnahme des Beschwerdeführers keine weiteren Vernehmungen durchgeführt und den Aufenthaltsverbotsbescheid vom erlassen, worin sie unter Würdigung ihrer Ermittlungsergebnisse, so u.a. des polizeilichen Erhebungsberichtes vom , vom Vorliegen einer Scheinehe ausgegangen ist. In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom ist der (anwaltlich vertretene) Beschwerdeführer auf die in seiner Stellungnahme vom gestellten Beweisanträge nicht zurückgekommen und hat insbesondere das Unterbleiben der Vernehmung der genannten Personen als Zeugen nicht als Verfahrensmangel gerügt.

Abgesehen davon, dass Verfahrensmängel bei Überprüfung eines im Instanzenzug ergangenen Bescheides für den Verwaltungsgerichtshof nur beachtlich sind, wenn sie im letztinstanzlichen Verfahren unterlaufen sind (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa die Erkenntnisse vom , Zl. 2003/07/0035, und vom , Zl. 2005/07/0040, mwN), hat der Beschwerdeführer nicht dargelegt, welche konkreten Umstände, von denen auf ein tatsächliches Eheleben geschlossen werden könnte, durch diese Zeugen hätten bewiesen werden können. Dem angefochtenen Bescheid haftet daher der behauptete Verfahrensmangel durch Unterlassung der Vernehmung der genannten Personen nicht an (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0419).

Im Übrigen geht die Beschwerde auf die im angefochtenen Bescheid detailliert angeführten Ergebnisse der polizeilichen Erhebungen an der genannten Wohnanschrift und die Aussagen der Ehegattin des Beschwerdeführers (G.), deren geschiedenen Ehegatten (P.) sowie der Hausbesitzerin nicht ein. Die Beschwerde vermag daher die im angefochtenen Bescheid getroffene Beweiswürdigung nicht zu erschüttern, und diese begegnet im Rahmen der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

1.3. Auf dem Boden der von der belangten Behörde sohin auf Grund unbedenklicher Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen erweist sich die Beurteilung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer eine Scheinehe eingegangen sei, um einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet zu erwirken, und mit seiner Ehegattin kein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt habe, als unbedenklich.

1.4. Im Hinblick darauf, dass der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zukommt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0495, mwN), begegnet die weitere Ansicht der belangten Behörde, dass das Fehlverhalten des Beschwerdeführers eine Gefährdung im Sinn des - im Beschwerdefall gemäß § 87 FPG anzuwendenden - § 86 Abs. 1 (erster und zweiter Satz) leg. cit. darstelle, keinem Einwand.

2. Bei der Prüfung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Dauer von rund drei Jahren und drei Monaten, die von ihm eingegangenen unselbstständigen Beschäftigungsverhältnisse und seine familiären Bindungen zu einem Bruder und seiner Mutter, mit denen er jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in seine persönlichen Interessen angenommen. Diese sind jedoch an Gewicht insoweit zu relativieren, als dieser Aufenthalt und die Aufnahme einer Beschäftigung nur auf Grund des Eingehens der Scheinehe ermöglicht wurden.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht - wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat - das große öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens und der Verhinderung von Scheinehen gegenüber. Bei Abwägung dieser gegenläufigen Interessen begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten sei und § 66 Abs. 1 und 2 FPG der Erlassung dieser Maßnahme nicht entgegenstehe, keinem Einwand.

3. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, dass der belangten Behörde ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei, und es ergeben sich keine besonderen Umstände, die eine Ermessensübung durch die belangte Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers geboten hätten.

4. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
RAAAE-71457