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VwGH vom 16.06.2011, 2007/18/0949

VwGH vom 16.06.2011, 2007/18/0949

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des YÖ in W, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/52.657/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer über ein von der österreichischen Botschaft in Ankara ausgestelltes und vom bis zum gültiges Visum D verfügt habe. In weiterer Folge habe er ab dem (laut Verwaltungsakten richtig: ab ) eine mehrfach verlängerte Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums erhalten.

Nachdem der Beschwerdeführer am eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet habe, habe er mehrfach von seiner Ehefrau abgeleitete Niederlassungsbewilligungen zum Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" erhalten. (Nach Ausweis der Verwaltungsakten wurde dem Beschwerdeführer eine vom bis gültige Erstniederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" erteilt, die mit Gültigkeit vom bis verlängert wurde.)

Nach Vorhalt der (seinen Aussagen) zum Teil widersprechenden Angaben der unmittelbar vor ihm vernommenen Ehefrau habe der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am das Vorliegen einer Scheinehe ausdrücklich eingestanden. Er habe seit Bestehen der Ehe insgesamt nicht einmal drei Monate mit der Ehefrau zusammengelebt; damit habe er bezweckt, dass das "Zusammenwohnen" für das Umfeld nach außen hin als normale Ehe wirken hätte sollen. Er habe keine Ahnung, wo seine Ehefrau seit Juli 2006 gelebt habe bzw. wo sie erreichbar sei.

Diese Aussagen - so die belangte Behörde - deckten sich zwar nicht vollständig, aber doch im Wesentlichen mit den Angaben der Ehefrau, die angegeben habe, den Beschwerdeführer "seit August 2005" nicht mehr gesehen und mit ihm keinen Kontakt mehr zu haben. (Die Niederschrift vom enthält auch die Aussage der Ehefrau, dass sie sich "im August 2006" ohne Wissen des Beschwerdeführers oder einer anderen Person aus der Wohnung (des Vaters des Beschwerdeführers) abgesetzt habe.) Auch im Zuge zweier Hauserhebungen am und am hätten keine Hinweise dafür gefunden werden können, dass der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau tatsächlich an der damaligen Meldeadresse gewohnt habe.

Auf die Frage, ob er seiner Ehefrau Geld für die Hochzeit bezahlt habe, habe der Beschwerdeführer ausgeführt, dass er für die Hochzeit selbst seiner Ehefrau kein Geld zugewendet habe. Es sei aber ausgemacht worden, dass sie von ihm jederzeit Geld bekomme, wenn sie in Geldnot sei. In der Folge habe er bis zum Vernehmungszeitpunkt ca. EUR 3.500,-- an die Ehefrau bezahlt.

Laut einem Aktenvermerk des zuständigen Referenten vom über eine telefonische Rücksprache mit dem Arbeitgeber des Beschwerdeführers habe sich dieser darüber informiert gezeigt, dass der Beschwerdeführer eine Scheinehe eingegangen sei. In einem per E-Mail übermittelten Schreiben habe der Arbeitgeber ausgeführt, dass der Beschwerdeführer ein besonders zuverlässiger, fleißiger, sehr gewissenhaft arbeitender und gegenüber den Kunden sehr zuvorkommender Arbeitnehmer sei, und um wohlwollende Bearbeitung des anhängigen Aufenthaltsverbotsverfahrens ersucht.

In der Berufung habe der Beschwerdeführer die behördlichen Feststellungen über sein Geständnis, eine Scheinehe eingegangen zu sein, nicht ausdrücklich bekämpft. Vielmehr habe er geltend gemacht, dass er nicht ca. EUR 3.500,-- für die Eheschließung bezahlt habe; die übergebenen Geldbeträge seien vielmehr im Rahmen der ihn treffenden Unterhaltspflicht geleistet worden.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, insbesondere auf Grund der Hauserhebungen und der eigenen Angaben des Beschwerdeführers bestehe kein Zweifel, dass dieser mit einer österreichischen Staatsbürgerin eine Aufenthalts- bzw. Scheinehe eingegangen sei und mehrere Monate nur "zum Schein" mit seiner Ehefrau an einer gemeinsamen Wohnadresse aufhältig gewesen sei. Die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin habe ihm das weitere Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet sowie den freien Zugang zum Arbeitsmarkt gesichert. Der Beschwerdeführer habe die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt. Es möge in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob die an seine Ehefrau wiederholt geleisteten Zahlungen in der Höhe von insgesamt EUR 3.500,-- als Vermögensvorteilszuwendungen für die Eheschließung anzusehen seien, zumal dieser Umstand seit Inkrafttreten des FPG keine Tatbestandsvoraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei.

Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 60 Abs. 1 FPG rechtfertige.

Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers lebten im Bundesgebiet sein Vater, seine Mutter, der Bruder, Onkeln und Tanten sowie weitere Familienangehörige. Der daher mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in sein Privat- und Familienleben sei aber - so die belangte Behörde - zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - dringend geboten.

Die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes sei auch im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 2 FPG gebotenen Interessenabwägung zu bejahen. Nur auf Grund der durch seine Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz habe der Beschwerdeführer eine unselbständige Beschäftigung eingehen können. Die durch den Aufenthalt im Bundesgebiet erzielte Integration des Beschwerdeführers werde durch die Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens auf Grund seines Eingehens einer Scheinehe wesentlich gemindert. Seine persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet wögen keinesfalls schwerer als das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Der offenbar vorliegenden beruflichen Integration des Beschwerdeführers könne kein entscheidendes Gewicht zukommen, habe er den rechtmäßigen Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt doch erst durch das Eingehen der Scheinehe erlangt.

Mangels besonderer zugunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gegen den Beschwerdeführer als Familienangehörigen einer Österreicherin im Sinn des § 87 FPG, die ihr im Gemeinschaftsrecht (Unionsrecht) begründetes Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 86 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind diese Voraussetzungen gegeben, wenn ein Fremder im Sinn des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG eine Ehe geschlossen und sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0840, mwN).

2.1. Die belangte Behörde hat das Ergebnis ihrer Beweiswürdigung schlüssig und nachvollziehbar insbesondere auf das Eingeständnis des Beschwerdeführers, eine Scheinehe eingegangen zu sein, und auf die Ergebnisse der Hauserhebungen gestützt. Demgegenüber erweist sich das Beschwerdevorbringen, es könnten in den Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau keine Widersprüche erkannt werden, zumal sich seine Angabe, mit seiner Ehefrau lediglich einige Monate zusammengelebt zu haben, mit den Ausführungen seiner Ehefrau decke, als nicht geeignet, die behördliche Beweiswürdigung zu erschüttern. Mit dem genannten Vorbringen werden weder die das Eingehen einer Scheinehe eingestehenden Ausführungen des Beschwerdeführers in Abrede gestellt, noch die - ebenfalls auf dessen Aussagen gestützten - behördlichen Feststellungen bestritten, wonach das kurze Zusammenleben der Eheleute lediglich dem Zweck gedient habe, dem Umfeld den Eindruck einer "normalen Ehe" zu vermitteln. Die Beweisergebnisse haben keinen Hinweis dafür gebracht, dass der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau ein einer Ehe entsprechendes Familienleben geführt hätte.

Soweit die Beschwerde rügt, dass der Beschwerdeführer ohne Dolmetscher vernommen worden sei, obwohl er kein österreichischer Staatsbürger sei, macht sie - abgesehen davon, dass dieses Vorbringen in der Beschwerde erstmals erstattet wird und damit auch nicht behauptet wird, dass der Beschwerdeführer der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig sei - bereits deshalb keinen relevanten Verfahrensmangel geltend, weil sie nicht darlegt, welche Angaben des Beschwerdeführers mangels Beiziehung eines Dolmetschers unrichtig protokolliert oder verstanden worden seien.

Vor diesem Hintergrund begegnet die Beweiswürdigung der belangten Behörde im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

2.2. Auf Basis der getroffenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen, aber mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Familienleben nie geführt hat. Die in § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme erweist sich daher als gerechtfertigt. Dem Umstand, dass die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides - anders als in dessen Spruch - das Verhalten des Beschwerdeführers lediglich nach § 60 Abs. 1 FPG (bei gleichzeitiger Betonung, es liege eine "schwerwiegende Gefährdung" der öffentlichen Ordnung vor) und nicht nach § 86 Abs. 1 FPG beurteilt hat, kommt für den Ausgang des Verfahrens keine ausschlaggebende Bedeutung zu, stellt doch das Eingehen einer Aufenthaltsehe nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch eine Gefährdung im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG dar (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0676, mwN).

3.1. Die Beschwerde wendet sich auch gegen die von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG durchgeführte Interessenabwägung und verweist auf den mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers, zumal dessen Vater, dessen Mutter, der Bruder sowie Onkeln, Tanten und weitere Familienangehörige in Österreich lebten. Ferner verweist die Beschwerde auf die berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers. Die belangte Behörde habe es unterlassen, im Detail auszuführen, weshalb den öffentlichen Interessen ein größeres Gewicht beizumessen sei.

3.2. Die in der Beschwerde angesprochenen Aspekte hat die belangte Behörde im Rahmen ihrer Interessenabwägung ausreichend berücksichtigt. Zutreffend hat sie auch dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens eine hohe Bedeutung zugemessen.

Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, keine Feststellungen über die Familienmitglieder und insbesondere über das Familienleben getroffen zu haben, unterlässt er erneut eine Konkretisierung der aus seiner Sicht fehlenden Feststellungen, die die belangte Behörde zu einer anderen Beurteilung führen hätten können, weshalb die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht aufgezeigt wird.

Anders als er in der Beschwerde behauptet, hat der Beschwerdeführer nicht "unentwegt bei derselben Firma" gearbeitet, seit er sich in Österreich aufhält. Laut einem in den Verwaltungsakten aufliegenden Versicherungsdatenauszug "der österreichischen Sozialversicherung" war der Beschwerdeführer zunächst einige Monate selbstversichert und - nach seiner Eheschließung - vom bis bei der H.- GmbH als Arbeiter beschäftigt. Nach einem zwischenzeitigen Arbeitslosengeldbezug ist er seit bei seinem gegenwärtigen Arbeitgeber als Arbeiter tätig. Die von diesem schriftlich bekundete hohe Wertschätzung des Beschwerdeführers spricht zwar für dessen berufliche Integration. Sie ändert aber nichts an dem von der Beschwerde nicht in Abrede gestellten Umstand, dass der Beschwerdeführer den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt erst durch das Eingehen der Scheinehe erlangt hat.

Bei Abwägung der aufgezeigten gegenläufigen Interessen kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten und somit zulässig im Sinne des § 66 FPG sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

4. Entgegen der Beschwerdeansicht ist der belangten Behörde angesichts des dem Beschwerdeführer vorzuwerfenden Fehlverhaltens auch keine fehlerhafte Ermessensausübung vorzuwerfen.

5. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
TAAAE-71452