VwGH vom 09.10.2013, 2012/08/0186
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde des Dr. A K in B, vertreten durch Dr. Viktor Wolczik, Dr. Alexander Knotek und Mag. Florian Knotek, Rechtsanwälte in 2500 Baden, Pergerstraße 12, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. GS5-A-1534/126-2012, betreffend Beitragszuschlag gemäß § 113 ASVG (mitbeteiligte Partei:
Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 3), zu Recht erkannt:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Der Spruch des angefochtenen Bescheides wird dahin abgeändert, dass er zu lauten hat: "Der Einspruch wird zurückgewiesen".
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit - an den Beschwerdeführer als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der S. GmbH adressiertem - Bescheid vom schrieb die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse der S. GmbH gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG einen Beitragszuschlag in der Höhe von EUR 1.800,-- vor, weil für zwei namentlich bezeichnete, zumindest am versicherte Personen die Anmeldungen durch die Dienstgeberin nicht vor Arbeitsantritt erstattet worden seien.
Gegen diesen Bescheid (dem Beschwerdeführer als Masseverwalter zugestellt am ) erhob der Beschwerdeführer "in (s)einer Eigenschaft als Masseverwalter" mit Schriftsatz vom , zur Post gegeben am , Einspruch an die belangte Behörde. Er begründete den Einspruch im Wesentlichen damit, dass die Gemeinschuldnerin die Dienstnehmer entgegen seiner Anweisung und ohne seine Kenntnis beschäftigt habe und ihn an diesem Vorgang kein Verschulden treffe.
Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus, dass dem Einspruch keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt werde.
Begründend führte sie aus, die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe dem Beschwerdeführer "in seiner Funktion als Masseverwalter" im Konkurs über das Vermögen der S. GmbH einen Beitragszuschlag vorgeschrieben. Es stelle sich die Frage, ob der Beschwerdeführer als "sonstige meldepflichtige Person (Stelle)" im Sinn des § 113 Abs. 1 iVm § 111 Abs. 1 ASVG für das Meldevergehen herangezogen werden könne. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes träfen den Masseverwalter als Vertreter die Pflichten des Gemeinschuldners. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei der Masseverwalter weiters zwar nicht schlechthin gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners, soweit die Befugnisse des Gemeinschuldners jedoch beschränkt seien, erhalte die Konkursmasse ein ex lege vertretungsberechtigtes und vertretungsverpflichtetes Organ in der Person des Masseverwalters, der Kraft seiner Bestellung alle Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen, die der Gemeinschuldner nicht vornehmen könne, mit Wirkung für die Masse und für die Konkursgläubiger vorzunehmen habe. Wenn sich der Masseverwalter zur Erfüllung einer ihm obliegenden gesetzlichen Verpflichtung der Hilfe eines Dritten bediene, bleibe er dennoch, soweit ihn ein Verschulden treffe, verantwortlich. Würden Aufgaben an Dritte delegiert, so sei es geboten, entsprechende Weisungen zu erteilen, die sicherstellten, dass die gesetzlichen Vorschriften eingehalten würden, und zusätzliche Maßnahmen zu treffen, die geeignet erschienen, die Einhaltung dieser Anordnung zu gewährleisten.
In der Folge bejahte die belangte Behörde mit näherer Begründung insofern ein Verschulden des Beschwerdeführers "im Zusammenhang mit der Feststellung der unangemeldeten Dienstverhältnisse", als er eine wirksame Kontrolle unterlassen habe. Ein "darüber hinausgehendes" Verschulden sei für die Vorschreibung des Beitragszuschlages nicht erforderlich, da es sich um kein Verwaltungsstrafverfahren handle, in dem neben der Schuldfrage general- und spezialpräventive Überlegungen im Vordergrund stünden. Vielmehr gehe es beim Beitragszuschlagsverfahren um die Abgeltung des der Kasse infolge begangener Meldevergehen entstandenen Mehraufwands.
Abschließend führte die belangte Behörde aus, warum sie den Anträgen des Beschwerdeführers auf seine Einvernahme und die Beischaffung des Aktes der Finanzpolizei nicht nähergetreten war.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Gegenschrift erstattet und ebenfalls die Abweisung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdeführer hat sich zur Gegenschrift der belangten Behörde geäußert, worauf diese mit einem weiteren Schriftsatz repliziert hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat den gegenständlichen Beitragszuschlag nach dem Spruch des erstinstanzlichen Bescheides nicht dem Beschwerdeführer, sondern der S. GmbH vorgeschrieben; adressiert und zugestellt wurde der Bescheid allerdings an den Beschwerdeführer "als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der S(…) Ges.m.b.H.". Dies war insofern korrekt, als die S. GmbH jedenfalls nach der - aus der Insolvenzdatei ersichtlichen - Fortführung des über ihr Vermögen eröffneten Sanierungsverfahrens als Konkursverfahren ohne Eigenverwaltung (Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom ) in Angelegenheiten, die - wie die Vorschreibung eines Beitragszuschlags - wirtschaftlich die Konkursmasse und ihre Erträgnisse betreffen, nicht mehr prozessfähig war und die Vertretung insoweit dem Beschwerdeführer als mit Beschluss vom bestelltem Masseverwalter oblag.
Der Beschwerdeführer war als Masseverwalter aber weder selbst Dienstgeber (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/08/0123) noch - mangels Nennung in § 36 ASVG - eine sonstige nach § 36 ASVG meldepflichtige Person oder Stelle, sodass ihn - entgegen der offenbar von der belangten Behörde vertretenen Ansicht - nach § 111 Abs. 1 iVm § 113 ASVG nicht persönlich, sondern nur in Vertretung der Schuldnerin bzw. der Konkursmasse die Verpflichtung zur Zahlung von Beitragszuschlägen treffen konnte (davon zu unterscheiden ist die gegebenenfalls aus § 9 VStG bzw. aus § 112 Abs. 2 (iVm § 58 Abs. 5) ASVG folgende verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Masseverwalters).
Durch die rechtskräftige Aufhebung des Konkurses hört die Vertretungsbefugnis des Masseverwalters auf, der Schuldner - dessen fortbestehende rechtliche Existenz vorausgesetzt - wird wieder selbst verfügungsfähig (vgl. abermals das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/08/0123, mwN). Nach der Aufhebung des Konkurses ist der Masseverwalter somit in Angelegenheiten, die die Masse und nicht eine ihn persönlich treffende Verpflichtung (etwa auf Grund strafrechtlicher Verantwortlichkeit oder einer Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG) betroffen haben, weder als Partei noch als gesetzlicher Vertreter am Verfahren beteiligt und folglich auch nicht zur Erhebung von Rechtsmitteln legitimiert.
2. Aus der Insolvenzdatei geht hervor, dass der Konkurs über das Vermögen der S. GmbH am - mit Rechtskraft der Bestätigung des Sanierungsplans - aufgehoben und der Masseverwalter seines Amtes enthoben wurde. Ab diesem Zeitpunkt war nach dem oben Gesagten ausschließlich die wieder in vollem Umfang verfügungsfähige S. GmbH (vertreten durch ihre satzungsmäßigen Organe) im Beitragszuschlagsverfahren Partei und zur Erhebung eines Einspruchs legitimiert.
Der am zur Post gegebene, vom Beschwerdeführer "als Masseverwalter" erhobene Einspruch war daher unzulässig und wäre von der belangten Behörde zurückzuweisen gewesen. Zu einer Sachentscheidung war die belangte Behörde mangels Erhebung eines wirksamen Rechtsmittels gegen den erstinstanzlichen Bescheid funktionell nicht zuständig.
Die belangte Behörde hat dennoch gegenüber dem Beschwerdeführer eine Sachentscheidung getroffen, die im Übrigen auch insofern rechtswidrig war, als nach ihrem gesamten Inhalt - ungeachtet des den erstinstanzlichen Bescheid nur bestätigenden Spruchs - nicht die Dienstgeberin, sondern der Beschwerdeführer zur Zahlung eines Beitragszuschlags verpflichtet werden sollte. Dadurch wurde der Beschwerdeführer in dem von ihm geltend gemachten Recht auf "Unterbleiben rechtswidriger Vorschreibungen von Beitragszuschlägen gemäß § 113 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 ASVG" verletzt.
3. Der angefochtene Bescheid wäre daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben. Der Verwaltungsgerichtshof hat gemäß § 42 Abs. 3a VwGG von der Ermächtigung Gebrauch gemacht, statt eines bloß aufhebenden Erkenntnisses eine verfahrensbeendende Entscheidung in der Sache selbst zu fällen, und daher auf Zurückweisung des Einspruchs erkannt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das die Eingabengebühr betreffende Mehrbegehren war im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit nach § 110 ASVG abzuweisen.
Wien, am