VwGH vom 22.03.2011, 2007/18/0947
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde der D K in W, geboren am , vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/1/30, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/518894/2007, betreffend Ausweisung nach § 53 Abs. 1 FPG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ausgewiesen.
Die Beschwerdeführerin sei auf Grund eines vom 21. Juni bis gültigen Visums C am in Österreich eingereist und seither hier aufhältig. Sie habe nie über einen Aufenthaltstitel verfügt und halte sich spätestens seit , also bereits seit über vier Jahren, unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Die Beschwerdeführerin sei zwar am (dies sei das Datum der gerichtlichen Genehmigung der Adoption) von R. adoptiert worden, doch sei dieser bereits am verstorben, sodass die Beschwerdeführerin die kurzfristig innegehabte Stellung als begünstigte Drittstaatsangehörige verloren habe. Ihr Antrag vom auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sei im Instanzenzug mit Bescheid vom abgewiesen worden. Die gegen diesen Bescheid an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde sei "verworfen" (richtig: mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/18/0705, als unbegründet abgewiesen) worden.
Am habe die Beschwerdeführerin einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck "Schüler" gestellt, über den noch nicht entschieden worden sei. In Ansehung des § 21 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG und des § 63 leg.cit. sei eine Stattgebung des Antrages allerdings kaum vorstellbar. Dem Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin zufolge habe diese auch ein "humanitäres Ansuchen" gemäß § 72 leg.cit. gestellt, worüber noch keine Entscheidung vorliege.
Die Beschwerdeführerin habe im Bundesgebiet keine beruflichen und höchstens mittelstarke familiäre Beziehungen, nämlich zu einer Tante, von der sie - genauso wie von einem Freund - Unterhalt beziehe. Wenn sie in ihrer Berufung - ohne nähere Angaben dazu - vorbringe, dass sie mit ihrer Tochter ein Familienleben führe, so sei davon in der Stellungnahme vom jedenfalls noch keine Rede gewesen.
In rechtlicher Hinsicht erachtete die belangte Behörde die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 FPG für erfüllt und die Erlassung der Ausweisung auch gemäß § 66 Abs. 1 FPG für zulässig. Angesichts des vierjährigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin, "gewisser" familiärer Bindungen und einiger Integrationsmaßnahmen (Besuch von Deutschkursen, gesichertes Wohnrecht u.a.) sei von einem mit dieser Maßnahme einhergehenden Eingriff in ihr Privatleben auszugehen. Die Tatsache, dass sie sich fast ebenso lang unrechtmäßig in Österreich aufgehalten habe, wirke stark interessenmindernd. Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung sowie der geordneten Abwicklung des Fremdenwesens (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Diese Regelungen seien von der Beschwerdeführerin, die sich bereits jahrelang unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und längst hätte ausreisen müssen, in äußerst gravierender Weise missachtet worden. Die vorhandenen gegenläufigen privaten Interessen seien jedenfalls nicht höher zu bewerten als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise der Beschwerdeführerin aus dem Bundesgebiet. Der mit der Ausweisung verbundene Eingriff in ihre familiäre Sphäre (ein Eingriff in berufliche Interessen liege mangels "Arbeitsgenehmigung" nicht vor) werde in seinem Gewicht durch die lange Dauer und die Beharrlichkeit des illegalen Aufenthaltes bei weitem aufgewogen.
Besondere Umstände, die eine Ermessensübung zuließen, hätten nicht erkannt werden können und seien auch nicht vorgebracht worden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass die Beschwerdeführerin bisher noch nie über einen Aufenthaltstitel verfügt habe, und behauptet nicht, dass ihm eine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet zukomme. Im Hinblick darauf begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass sich die Beschwerdeführerin unrechtmäßig in Österreich aufhalte und somit die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 (zweiter Halbsatz) FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.
1.2. Soweit die Beschwerde vorbringt, dass die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck "Schüler", dies verbunden mit einem humanitären Ansuchen gemäß den §§ 72 ff NAG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009, insbesondere um die fehlende Auslandsantragstellung zu "heilen", gestellt habe, dieses humanitäre Ansuchen vom Bundesministerium für Inneres als der zuständigen Behörde überprüft werde und diese Überprüfung nicht der belangten Behörde obliege, ist für den Beschwerdestandpunkt nichts gewonnen. Denn der bloße Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels kann den Aufenthalt im Bundesgebiet nicht legalisieren, und es steht die Anhängigkeit eines Verfahrens über einen solchen Antrag der Erlassung einer Ausweisung nicht entgegen (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0467, mwN).
2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid unter dem Blickwinkel des § 66 Abs. 1 FPG und bringt vor, dass die belangte Behörde im Sinn ihrer Ermittlungsverpflichtung hätte erörtern und im Detail darlegen müssen, welche familiären Bindungen der Beschwerdeführerin bestünden, dass diese von einem Österreicher adoptiert worden sei, den sie jahrelang aufopfernd gepflegt habe und der jedoch bald nach der Adoption verstorben sei, und dass sie nach Absolvierung ihrer Ausbildung in der Krankenbetreuung tätig werden könne, sobald sie einen Aufenthaltstitel erhalte. Weiters hätte die Beschwerdeführerin, wären von der Behörde Ermittlungen durchgeführt wurden, richtigstellen können, dass von ihr mit ihrem Hinweis auf ihre Tochter in ihrer Stellungnahme vom das gemeinsame Familienleben mit einer Tante von ihr gemeint gewesen sei.
2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung nach § 66 Abs. 1 FPG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin seit dem und ihre Bindungen zu einer Tante, von der sie Unterhalt bezieht, berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff im Sinn dieser Gesetzesbestimmung angenommen. Die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes resultierenden persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin sind jedoch an Gewicht insoweit zu relativieren, als dieser Aufenthalt jedenfalls nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des genannten Visums am unrechtmäßig war. Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, dass sie, hätte die belangte Behörde Ermittlungen durchgeführt, hätte richtigstellen können, dass in ihrer Stellungnahme vom das gemeinsame Familienleben mit einer Tante gemeint gewesen sei, so übersieht sie, dass die belangte Behörde - wie dargelegt - ohnehin von der Bindung zu einer Tante ausgegangen ist. Dass die Beschwerdeführerin, wie sie vorbringt, ihren bald nach der Adoption verstorbenen Adoptivvater jahrelang gepflegt habe und nach Absolvierung ihrer Ausbildung und Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Krankenbetreuung tätig werden könne, vermag ihre persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht in relevanter Weise zu stärken.
Den genannten persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass sie nach ihrer Einreise im Bundesgebiet und nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des ihr erteilten Visums im Jahr 2003 zur Gänze unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben ist, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften darstellt, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0258, mwN).
Die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung der Beschwerdeführerin zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten, somit gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig, sei, begegnet daher keinen Bedenken. Hiebei zeigt die Beschwerde keine Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel auf, und es kann auch keine Rede davon sein, dass der angefochtene Bescheid nicht ausreichend begründet sei.
3. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei, haben sich doch keine besonderen Umstände ergeben, die zu einer Ermessensübung nach § 53 Abs. 1 FPG zu Gunsten der Beschwerdeführerin hätten führen müssen.
4. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
YAAAE-71446