VwGH vom 25.08.2010, 2010/03/0038
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der P HandelsgmbH in T, vertreten durch Dr. Zsizsik Dr. Prattes Rechtsanwälte OEG in 8600 Bruck an der Mur, Hauptplatz 23, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom , Zl BMVIT- 220.100/0004-IV/SCH2/2010, betreffend Enteignung (mitbeteiligte Partei: Ö AG in Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1. Mit Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom , Zl BMVIT-820.084/0006- IV/SCH2/2007, wurde der mitbeteiligten Partei gemäß den §§ 35 und 36 des Eisenbahngesetzes, BGBl Nr 60/157 idF BGBl I Nr 163/2005 (EisbG), die eisenbahnrechtliche Baubewilligung für die Errichtung der Bahnstrom-Übertragungsanlage Graz-Werndorf, 110 kV-Hochspannungsleitung (Kabel und Freileitung), erteilt. Unter Spruchpunkt 1.V. wurde gemäß § 35 Abs 3 EisbG festgestellt, dass der durch die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung entstehende Vorteil für die Öffentlichkeit größer ist als der Nachteil, der den Parteien durch die Genehmigung des Bauvorhabens erwächst. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.
2. Mit Schreiben vom stellte die mitbeteiligte Partei beim Landeshauptmann von Steiermark den Antrag auf Enteignung ua der von diesem Bauvorhaben als Grundeigentümer betroffenen beschwerdeführenden Partei gemäß § 6 des Hochleistungsstreckengesetzes, BGBl Nr 135/1989 idF BGBl I Nr 112/2003, und zwar insbesondere hinsichtlich der Einräumung von Dienstbarkeiten, nämlich der Servitut "Freileitungsüberspannungsraum" und der Servitut "Masten für permanente elektrische Hochspannungsfreileitung".
Nach Durchführung des Verwaltungsverfahrens (insbesondere einer örtlichen Erhebung und einer mündlichen Verhandlung am ) verfügte der Landeshauptmann von Steiermark mit Bescheid vom antragsgemäß die Enteignung der beschwerdeführenden Partei zu Gunsten der mitbeteiligten Partei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der dagegen gerichteten Berufung der beschwerdeführenden Partei nach § 66 Abs 4 AVG iVm §§ 41 und 42 leg cit sowie §§ 13 und 14 des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes (EisbEG) keine Folge gegeben.
Begründend wurde ua festgehalten, die Enteignungsbehörde sei an den eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsbescheid vom mit der darin enthaltenen Feststellung gebunden, dass das gegenständliche Eisenbahnprojekt den öffentlichen Interessen diene und die entgegenstehenden Interessen überwiege. Daraus folge, dass der Eigentümer der durch den bescheidmäßigen Bau selbst in Anspruch genommenen Liegenschaft im Enteignungsverfahren, wenn der Baugenehmigungsbescheid rechtskräftig geworden sei, nicht mehr einwenden könne, die Inanspruchnahme liege nicht im öffentlichen Interesse bzw sie wäre nicht notwendig, um dem Gebot des allgemeinen Besten zu entsprechen. Über das Vorliegen des allgemeinen Besten (des öffentlichen Interesses an der Verwirklichung des gegenständlichen Bauvorhabens) habe die belangte Behörde bereits mit dem eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsbescheid vom rechtskräftig abgesprochen. Das Vorbringen im Berufungsverfahren zum öffentlichen Interesse, insbesondere betreffend das Erfordernis einer Verkabelung anstelle einer Freileitung im Bereich der beschwerdeführenden Partei, habe daher keinen Gegenstand des Enteignungsverfahrens darstellen können.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Auch die mitbeteiligte Partei begehrte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
4. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegte Bescheid der belangten Behörde vom betreffend eisenbahnrechtliche Baubewilligung und Rodungsbewilligung wurde mit hg Erkenntnis vom , Zl 2007/03/0160, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Gemäß § 42 Abs 3 VwGG tritt die Rechtssache durch die verwaltungsgerichtliche Aufhebung des Bescheides in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des Bescheides befunden hatte. Die in dieser Bestimmung normierte ex tunc-Wirkung bedeutet, dass der Rechtszustand zwischen der Erlassung des Bescheides und seiner Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre. Mit einem derartigen aufhebenden Erkenntnis wird also allen Rechtsakten, die während der Geltung des später aufgehobenen Bescheides auf dessen Grundlage gesetzt wurden, nachträglich die Grundlage entzogen (vgl das hg Erkenntnis vom , Zl 2006/03/0112, mwN).
Auf dem Boden dieser Rechtslage leidet der angefochtene Bescheid wegen der Aufhebung des Bescheides vom an Rechtswidrigkeit seines Inhalts, weshalb er gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455. Der durch die Verordnung pauschaliert festgesetzte Schriftsatzaufwand deckt die anfallende Umsatzsteuer, weshalb das auf deren Ersatz gerichtete Mehrbegehren abzuweisen war.
Wien, am