VwGH vom 19.07.2013, 2012/08/0176
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten sowie den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterin, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde der C P in Wien, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30/3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2012-0566-9- 001116, betreffend Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice W (in Folge: AMS) wurde ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin gemäß § 10 AlVG den Anspruch auf Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 29. Februar bis verloren habe; Nachsicht wurde nicht erteilt. Dies wurde damit begründet, dass die Beschwerdeführerin sich geweigert habe, eine vom AMS zugewiesene, zumutbare Beschäftigung bei Dr. P M anzunehmen. Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen lägen nicht vor.
In der dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, ihr seien am beim AMS anlässlich der Vermittlung von Stellenangeboten drei Angebote übergeben worden, ein Dr. P M sei ihr weder schriftlich noch mündlich zur Kenntnis gebracht worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der Beschwerdeführerin nicht stattgegeben. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin stehe seit in Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Laut der am abgeschlossenen Betreuungsvereinbarung unterstütze sie das AMS bei der Suche nach einer Stelle als Ordinationsgehilfin. Anlässlich einer persönlichen Vorsprache beim AMS seien ihr vier Vermittlungsvorschläge einer Stelle als Ordinationsgehilfin ausgehändigt worden. Bei zwei Stellenangeboten sollte sie die schriftlichen Bewerbungen dem AMS übermitteln, bei Frau Dr. S sollte sie sich telefonisch bewerben und der vierte Vermittlungsvorschlag habe die Stelle als Ordinationsgehilfin in einer Ordination in 1140 Wien (Dr. P M) betroffen. Laut dieser am übermittelten Stellenbeschreibung sollte sie sich persönlich mit ihren Bewerbungsunterlagen beim AMS am bei Herrn G vorstellen. Tatsächlich sei sie am nicht zur Vorauswahl erschienen.
Rechtlich erachtete die belangte Behörde, dass die Beschwerdeführerin am beim AMS niederschriftlich angegeben habe, am nicht zur Bewerbung erschienen zu sein, weil sie nicht wüsste, wo der Vermittlungsvorschlag wäre, die anderen Vermittlungsvorschläge hätte sie noch, nur den einen könne sie nicht finden, wahrscheinlich habe sie ihn verloren. Die Richtigkeit dieser Angaben habe sie mit ihrer Unterschrift bestätigt. Im Gegensatz dazu stünden die Berufungsausführungen, keine zumutbare, zugewiesene Beschäftigung bei Herrn Dr. P M zu kennen. Diesen Widerspruch habe sie in ihrer Stellungnahme nicht aufgeklärt. Dadurch, dass sie zur Vorauswahl nicht erschienen sei, habe sie ein Verhalten gesetzt, das zum Nichtzustandekommen einer vom Arbeitsmarkt zugewiesenen, zumutbaren Beschäftigung geführt habe. Eine allfällige Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 AlVG auf Grund der von der Beschwerdeführerin angeführten Todesfälle liege nicht vor, weil bei allem Verständnis für ihre Situation darin kein Grund gesehen werden könne, zumal sie verpflichtet sei, eine zumutbare Beschäftigung anzunehmen und ebenso mit Vermittlungsvorschlägen sorgsam umzugehen, Termine vorzumerken und auch einzuhalten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte, zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Gemäß § 10 Abs 3 AlVG ist der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 leg. cit. in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.
Diese Bestimmungen sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zugrunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung einer ihn zumutbaren Beschäftigung in den Arbeitsmarkt einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/08/0008).
Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, dass Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen, abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen, somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassung der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/08/0112).
Bei Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinn des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0253).
2. Die Beschwerdeführerin macht in ihrer Beschwerde (sowohl unter dem Beschwerdegrund der Rechtswidrigkeit des Inhalts als auch der Verletzung von Verfahrensvorschriften) geltend, dem angefochtenen Bescheid fehle eine klare Darstellung des Sachverhalts, die belangte Behörde unterscheide nicht zwischen Sachverhalt und rechtlicher Beurteilung. Schon aus diesem Grunde sei der Bescheid mit rechtlicher Unrichtigkeit behaftet.
Gemäß § 60 AVG, der gemäß § 67 AVG für Berufungsbescheide gilt, sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (§§ 37 ff AVG), die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.
Aus der Begründung eines Bescheides müssen die wesentlichen Ergebnisse des Beweisverfahrens, die bei der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen und die darauf gestützte Lösung der Rechtsfrage ersichtlich sein (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S 1042 in E 2 zu § 60 AVG angeführte hg. Judikatur).
Im angefochtenen Bescheid gibt die belangte Behörde zunächst das Verwaltungsgeschehen wieder. Sie trifft Feststellungen, in denen sie die von ihr verwendeten Beweismittel (Niederschrift, Angaben des Betreuers, Stellungnahme) anführt und darstellt, welche Schlüsse sie aus diesen Beweismitteln gezogen hat. Schließlich führt sie in ihren rechtlichen Erwägungen aus, unter welche Normen der festgestellte Sachverhalt zu subsumieren ist und welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben.
Die Begründung des angefochtenen Bescheides erfüllt damit die Anforderungen des § 60 AVG und ermöglicht die Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof.
3. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, den Vorauswahltermin am 29. Februar nicht wahrgenommen zu haben.
Ausgehend von dem festgestellten Sachverhalt im angefochtenen Bescheid, wurden der Beschwerdeführerin am vier Vermittlungsvorschläge ausgehändigt. Die Behörde sah es als erwiesen an, dass ihr dabei auch der Vermittlungsvorschlag bezüglich der Stelle als Ordinationsgehilfin in 1140 Wien übergeben wurde, wenn gleich der Name des Arztes, Dr. P M, nicht genannt war.
Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, ein konkretes Stellenangebot sei nicht vorgelegen, um die Rechtsfolgen des § 10 AlVG auslösen zu können, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.
Soweit sie die Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpft, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Beweiswürdigung ein Denkprozess ist, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053). Die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung begegnet im Beschwerdefall keinen Bedenken.
Davon ausgehend erweist sich die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde frei von Rechtsirrtum. Der Beschwerdeführerin ist vorzuwerfen, dass sie trotz Erhalt des Vermittlungsschreibens den Vorauswahltermin beim AMS für die zugewiesene Beschäftigung versäumt hat, weshalb die weiteren Stufen des Bewerbungsprozesses gar nicht erreicht werden konnten. Ein zumindest bedingt vorsätzliches Vorgehen ist damit evident. Somit besteht am Vorliegen einer - für das Nichtzustandekommen der Beschäftigung kausalen -Vereitelungshandlung kein Zweifel.
Letztlich führt die Beschwerdeführerin aus, es fehle an Feststellungen bezüglich der Ablehnung der Anwendung des § 10 Abs. 3 AlVG.
Die grundsätzlich gebotene amtswegige Prüfung des Sachverhalts unter dem Gesichtspunkt des § 10 Abs. 3 AlVG hat sich auf Gründe zu beziehen, die der Arbeitslose bekannt gibt oder für die es sonstige Hinweise in den Akten gibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/08/0072). Solche Gründe wurden nicht behauptet bzw. sind aus den Verwaltungsakten auch nicht ersichtlich. Während die Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren das Nichterscheinen beim Vorstellungstermin mit dem aufgrund eines familiären Todesfalls in Verstoss geratenen Vermittlungsvorschlages erklärte, wurde dies im Berufungsverfahren nicht mehr aufrecht gehalten. Vielmehr behauptete sie darin, persönlich (vor dem AMS) nicht bekanntgegeben zu haben, den Vermittlungsvorschlag aufgrund von Todesfällen verloren zu haben. Auch in der Beschwerde wird kein Grund für die zugestandene Versäumung des Termins am genannt.
Zurecht hat die belangte Behörde daher das Vorliegen eines berücksichtigungswürdigen Grundes nach § 10 Abs. 3 AlVG verneint.
Die Beschwerde war im gesamten gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
TAAAE-71413