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VwGH vom 24.05.2012, 2010/03/0030

VwGH vom 24.05.2012, 2010/03/0030

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, über die Beschwerde der F GesmbH in S, vertreten durch Mag. Günther Eybl, Rechtsanwalt in 4810 Gmunden, Schlagenstraße 17, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom , Zl. BMVIT- 220.101/0002-IV/SCH2/2010, betreffend Feststellung nach § 11 EisbG (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde S, vertreten durch Dr. Hans Kaser, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 22), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei in Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Beim Bezirksgericht Enns ist ein Zivilprozess anhängig, in dem die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligte Partei (Mitbeteiligte) als Klägerin von der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beschwerdeführenden Partei (Beschwerdeführerin) als Beklagte (ua) die Beseitigung bestimmter Anlagen auf im Eigentum der Mitbeteiligten stehenden Grundstücken begehrt.

Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde auf Grund eines Antrages des Bezirksgerichtes Enns nach § 11 EisbG dahin, dass es sich bei den antragsgegenständlichen (näher bezeichneten) Grundstücken und den darauf befindlichen Anlagen nicht um Eisenbahnanlagen handle (Spruchpunkt I.), wies den Antrag auf Feststellung, dass durch die im Spruchpunkt I. genannten Einrichtungen der Beschwerdeführerin keine erhebliche Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Benutzung von Grundstücken der Mitbeteiligten im Sinne § 18c EisbG erfolge, ab (Spruchpunkt II.), und stellte fest, dass auf den gegenständlichen Grundstücken keine Beförderungseinrichtung vorhanden sei, die als Eisenbahn zu gelten habe (Spruchpunkt III.).

Begründend traf die belangte Behörde - nach einer Wiedergabe des Verfahrensgangs und einer Darlegung der maßgebenden Bestimmungen des EisbG - folgende Feststellungen:

Mit Konzessionsurkunde vom sei die eisenbahnrechtliche Konzession für die "Lokalbahn vom Marktplatz in E nach S" erteilt, mit Erlass des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom die Lokalbahn zur Straßenbahn erklärt, und mit Bescheid des Bundesministers für Verkehr vom gemäß § 29 Abs 1 EisbG die dauernde Einstellung des ganzen Verkehrs der Straßenbahnlinie bewilligt und gemäß § 29 Abs 2 EisbG die Konzession aus dem Jahr 1912 für erloschen erklärt worden. In diesem Bescheid sei auch angeordnet worden, dass bestimmte Eisenbahnanlagen abzutragen seien, während weitere Eisenbahnanlagen derzeit nicht abgetragen werden müssten. Die ehemaligen Trassengrundstücke seien, weil sie nicht mehr dem Betrieb der Eisenbahn zu dienen hätten, aus dem Eisenbahnbuch in das allgemeine Grundbuch übertragen worden.

Nach der Einstellung des Verkehrs sei eine Liquidation der Konzessionsinhaberin erfolgt, in weiterer Folge auf der Schienentrasse der ehemaligen Straßenbahn ein "Museumsbahnbetrieb" durchgeführt worden. Danach sei ein "unmittelbarer Übergang" an den "Club F" zur weiteren Durchführung des Museumsbahnbetriebs erfolgt.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom sei der Beschwerdeführerin gemäß § 51 Abs 1 EisbG die Genehmigung zum Bau und Betrieb einer nicht-öffentlichen Anschlussbahn im Sinne des § 7 Z 1 EisbG von E nach S, abzweigend von der Straßenbahnlinie 2 der L AG in km 3,03, unter Zugrundelegung vorgelegter Unterlagen unter der Voraussetzung der Einhaltung näher angeführter Bedingungen und Auflagen erteilt worden. Gemäß Spruchpunkt III. dieses Bescheides sei um die Erteilung der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung und Betriebsbewilligung sowie der erforderlichen weiteren eisenbahnrechtlichen Genehmigungen bei der zuständigen Eisenbahnbehörde gesondert anzusuchen.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung legte die belangte Behörde zunächst dar, dass auf Grund des anhängigen Zivilverfahrens, in dem die Entscheidung von der Klärung der Vorfrage, ob die strittige Anlage als Eisenbahnanlage im Sinne des § 10 EisbG zu gelten habe, abhänge, die Legitimation zur Stellung des gegenständlichen Antrags im Sinne des § 11 EisbG gegeben sei.

Gemäß § 10 EisbG seien Eisenbahnanlagen Bauten, ortsfeste eisenbahnsicherungstechnische Einrichtungen und Grundstücke, die ganz oder teilweise, unmittelbar oder mittelbar der Abwicklung oder Sicherung des Betriebs einer Eisenbahn, des Betriebs von Schienenfahrzeugen auf einer Eisenbahn oder des Verkehrs auf einer Eisenbahn dienen; ein räumlicher Zusammenhang mit der Schieneninfrastruktur ist nicht erforderlich.

Die Qualifikation als Eisenbahnanlage ergebe sich somit aus der Zweckbestimmung und der speziellen Funktion von Anlagen.

Mit der Bewilligung der dauernden und gänzlichen Einstellung des Betriebs durch den Bescheid vom , mit dem auch gemäß § 29 Abs 2 EisbG die Konzession für erloschen erklärt wurde, sei der Inhaber von seiner Betriebspflicht entbunden worden und habe die Eigenschaft als Eisenbahnanlage geendet (Hinweis auf das hg Erkenntnis vom , Zl 2005/03/0219). Die erloschene Eigenschaft als Eisenbahnanlage sei auch durch die Erteilung der Genehmigung gemäß § 51 Abs 1 EisbG durch Bescheid vom nicht wieder aufgelebt, sei doch - gemäß Spruchpunkt III. dieses Bescheids - um die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung und Betriebsbewilligung gesondert anzusuchen gewesen.

Die gegenständlichen Grundstücke seien daher derzeit weder notwendig, um den Eisenbahnbetrieb oder -verkehr aufzunehmen, noch um ihn aufrechterhalten zu können. Für eine allfällige künftige Nutzung habe die Beschwerdeführerin den Erwerb der erforderlichen Rechte nachzuweisen und um die erforderlichen Genehmigungen (Bau- und Betriebsbewilligung) anzusuchen. Der zwischenzeitlich erfolgte, nunmehr aber auch eingestellte "Museumsbahnbetrieb" stelle keinen Betrieb nach dem EisbG dar.

Mangels Qualifikation als Eisenbahnanlage sei auch eine Prüfung im Sinne des § 11 lit e EisbG, ob (durch eine bestehende Eisenbahnanlage) eine erhebliche Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Benützung eines Grundes im Sinne des § 18c erfolgen würde, nicht vorzunehmen. Zudem fielen die auf den gegenständlichen Grundstücken befindlichen Einrichtungen selbst bei hypothetischer Annahme des Vorliegens von Eisenbahnbetrieb und Eisenbahnverkehr nicht unter die in § 18c EisbG genannten Bagatellfälle.

Mangels Qualifikation als Eisenbahnanlage stellten die vorhandenen Einrichtungen schließlich auch keine Beförderungseinrichtung dar, die als Eisenbahn zu gelten habe (Spruchpunkt III.).

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde und die Mitbeteiligte - die Beschwerdeführerin hat zudem einen weiteren Schriftsatz erstattet - erwogen:

1. Gemäß § 11 EisbG (idF der Novelle BGBl I Nr 125/2006) ist die Entscheidung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie einzuholen, wenn die Entscheidung eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde von der Klärung der Vorfrage abhängig ist, ob eine Beförderungseinrichtung als Eisenbahn (§ 1) zu gelten hat (lit a), ob eine Anlage als Eisenbahnanlage (§ 10) zu gelten hat (lit d), oder ob eine erhebliche Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Benützung eines Grundes oder Gebäudes im Sinne des § 18c erfolgen würde (lit e).

Gemäß § 10 EisbG sind Eisenbahnanlagen Bauten, ortsfeste eisenbahnsicherungstechnische Einrichtungen und Grundstücke, die ganz oder teilweise, unmittelbar oder mittelbar der Abwicklung oder Sicherung des Betriebes einer Eisenbahn, des Betriebes von Schienenfahrzeugen auf einer Eisenbahn oder des Verkehrs auf einer Eisenbahn dienen. Ein räumlicher Zusammenhang mit der Schieneninfrastruktur ist nicht erforderlich.

Gemäß § 18c EisbG ist das Eisenbahnunternehmen berechtigt, von den Eigentümern von Grundstücken und Baulichkeiten die Duldung bestimmter für den Betrieb einer Eisenbahn, für den Betrieb von Schienenfahrzeugen auf einer Eisenbahn sowie für den Verkehr auf einer Eisenbahn erforderlichen Maßnahmen bzw Einrichtungen zu verlangen, soweit hiedurch nicht die bestimmungsgemäße Benützung des Grundstücks oder des Gebäudes erheblich beeinträchtigt wird.

2.1. Nach den Feststellungen der belangten Behörde wurde mit Bescheid vom gemäß § 29 Abs 1 EisbG (Stammfassung) die dauernde Einstellung des ganzen Verkehrs der bestehenden Straßenbahnlinie E - S bewilligt und gemäß § 29 Abs 2 EisbG die Konzession für erloschen erklärt.

2.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof im - ebenfalls die nunmehrige Beschwerdeführerin betreffenden - Erkenntnis vom , Zl 2005/03/0219, ausgeführt hat, wird durch die Bewilligung der dauernden und gänzlichen Einstellung des Betriebs der Inhaber der Eisenbahnanlage von seiner Betriebspflicht nach § 19 Abs 1 EisbG entbunden und endet damit auch die Eigenschaft der Anlage als Eisenbahnanlage (ebenso auch Catharin, Anm. 1 zu § 28 EisbG und Anm. 8 zu § 29 EisbG in Catharin/Gürtlich, Eisenbahngesetz (2007)). Auf die Ausführungen des genannten Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen.

3. Vor dem Hintergrund der (unbekämpft gebliebenen) Feststellung der belangten Behörde, wonach die seinerzeitige (Straßen )Bahnlinie dauernd und zur Gänze eingestellt wurde und die Konzession für erloschen erklärt wurde, ist das Beschwerdevorbringen nicht zielführend:

Die Beschwerde negiert über weite Strecken die eben aufgezeigten Konsequenzen der erfolgten Einstellung nach § 29 EisbG.

Das Beschwerdevorbringen, auf das Weiterbestehen einer Betriebspflicht könne es bei Beurteilung einer Anlage als Eisenbahnanlage nicht ankommen, weil von einer Betriebspflicht nur öffentliche Eisenbahnen im Sinne des § 1 Abs I EisbG (Stammfassung) erfasst seien, geht im Übrigen schon deshalb fehl, weil es sich bei der seinerzeitigen Straßenbahnlinie unstrittig um eine öffentliche Eisenbahn im Sinne des § 1 Abs I EisbG gehandelt hatte und die Konsequenzen der Einstellung deren Betriebs (nicht einer nicht-öffentlichen Eisenbahn) zu beurteilen sind.

Welche Teile der früheren Eisenbahnanlage im Sinne des § 29 Abs 2 zweiter Satz EisbG zu beseitigen sind und welche belassen werden dürfen, war (allein) nach Sicherheitserfordernissen zu beurteilen; das Ausmaß der faktischen Beseitigung der Eisenbahnanlage ist also für die Frage des Weiterbestands der einst erteilten eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung und der Eigenschaft als Eisenbahnanlage nicht entscheidend, wenn gemäß § 29 EisbG die gänzliche und dauernde Einstellung des Betriebs bewilligt und die Konzession für erloschen erklärt wurde (vgl erneut das zitierte Erkenntnis Zl 2005/03/0219).

Der Umstand, dass mit Bescheid der belangten Behörde vom der Beschwerdeführerin gemäß § 51 Abs 1 EisbG die Genehmigung zum Bau und Betrieb einer nicht-öffentlichen Anschlussbahn im Sinn des § 7 Z 1 EisbG erteilt wurde, ändert entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nichts an der Qualifikation der in Rede stehenden Anlagen:

Gemäß § 51 Abs 1 EisbG ist zum Bau und Betrieb einer nichtöffentlichen Eisenbahn die Genehmigung, die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung und die Betriebsbewilligung erforderlich. Die erteilte Genehmigung nach § 51 Abs 1 EisbG (das Pendant zur Konzession bei öffentlichen Eisenbahnen) ersetzt also nicht etwa die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung und ändert insbesondere nichts daran, dass die im Jahr 1912 erteilte Baugenehmigung erloschen ist.

Darauf hat entgegen der Beschwerde auch Spruchpunkt III. des zitierten Bescheids keinen Einfluss. Dieser Spruchpunkt lautet ausdrücklich: "Um die Erteilung der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung und Betriebsbewilligung sowie der erforderlichen weiteren eisenbahnrechtlichen Genehmigungen ist bei der zuständigen Eisenbahnbehörde gesondert anzusuchen." Wenn im Weiteren beispielsweise ("Hiezu kann insbesondere angeführt werden:") Unterlagen und Nachweise genannt werden, die dabei vorzulegen seien, vermag dies die normative Wirkung des genannten Bescheids (Erteilung der Genehmigung nach § 51 Abs 1 EisbG, während die Erteilung der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung und Betriebsbewilligung vorbehalten bleibe) nicht zu berühren. Daran würden im Übrigen auch unzutreffende Vorstellungen über den Weiterbestand der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung aus 1912 ebenso wenig etwas ändern wie eine dem Vorbringen der Beschwerde nach geübte Verwaltungspraxis bei Erteilung von Genehmigungen für nicht öffentliche Eisenbahnen.

Ausgehend von der nicht zu beanstandenden Rechtsansicht der belangten Behörde, dass es sich bei den in Rede stehenden Anlagen nicht um eine Eisenbahnanlage im Sinne des § 10 EisbG handelt (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids), zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit der davon abgeleiteten Beurteilung in den Spruchpunkten II. und III. des angefochtenen Bescheids, wonach auf den gegenständlichen Grundstücken keine Beförderungseinrichtung vorhanden ist, die als Eisenbahn zu gelten habe, bzw eine Entscheidung im Sinne des § 18c EisbG nicht zu erfolgen habe, auf.

4. Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Wien, am