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VwGH vom 20.12.2016, Ra 2016/21/0119

VwGH vom 20.12.2016, Ra 2016/21/0119

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Halm-Forsthuber, über die Revision des S D, vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom , VGW-102/013/442/2016-3, betreffend Zurückweisung einer Verhaltensbeschwerde in einer Angelegenheit nach dem Wiener Grundversorgungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40, Stabsstelle Sozialrechtlicher Support, 1030 Wien, Thomas-Klestil-Platz 8), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein iranischer Staatsangehöriger, erhob mit einem am an den Magistrat der Stadt Wien, Abteilung 40 (als belangte Behörde), per Email übermittelten und in der Folge dem Verwaltungsgericht Wien weitergeleiteten Schriftsatz eine "Verhaltensbeschwerde gem. Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG iVm Art. 26 Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2013/33/EU) und Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) ... wegen unionsrechtswidrigem Unterlassen adäquater Unterbringung und Versorgung gem. § 3 Wiener Grundversorgungsgesetz iVm Art. 17 und Art. 18 Aufnahmerichtlinie sowie wegen Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC und Art. 1 GRC".

2 In dieser Beschwerde brachte der Revisionswerber im Wesentlichen vor, er habe nach seiner Einreise in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, wobei das Verfahren durch Aushändigung der Aufenthaltsberechtigungskarte am zugelassen worden sei. Unter einem sei die Zuweisung des Revisionswerbers in die Grundversorgung der "Stadt Wien" erfolgt und er sei anschließend im Notquartier "Ferry-Dusika-Stadion" untergebracht worden. Dort habe er zunächst am Boden auf einer Decke nächtigen müssen; erst am sei ihm ein Notbett im Eingangsbereich zur Verfügung gestellt worden. Der Revisionswerber habe wegen des unbeschränkten Zugangs zum Stadion und wegen der Einrichtung als "Großraumquartier" keine Privatsphäre und auch keine erholsame Nachtruhe, zumal die Beleuchtung während der Nachstunden nicht abgeschaltet werde. Trotz des Wintereinbruchs werde nicht genügend geheizt und dem Revisionswerber sei auch keine ausreichende Bekleidung zur Verfügung gestellt worden. Es bestünde - wie unter Hinweis auf die hohe Belagszahl und die Ausgestaltung der Nassräume näher ausgeführt wurde - keine faktische Möglichkeit zur Körperpflege und Hygiene. Darüber hinaus finde die Essensausgabe nicht regelmäßig statt und es werde nicht immer ausreichend Nahrung zur Verfügung gestellt. Die Gesamtsituation sei für den Revisionswerber sowohl psychisch als auch physisch äußerst belastend. Die belangte Behörde habe es somit bisher unterlassen, dem Revisionswerber eine menschenwürdige und adäquate Unterbringung und Versorgung im Sinne der Aufnahme-RL zu gewähren, wogegen sich die vorliegende Verhaltensbeschwerde mit entsprechenden Feststellungsanträgen richte.

3 Das Vorbringen zur Beschwerdelegitimation lässt sich dahin zusammenfassen, dass das Wiener Grundversorgungsgesetz, LBGl. Nr. 46/2004 idF LGBl. Nr. 56/2010 (WGVG), keine Rechtsschutzmöglichkeiten vorsehe, sodass nach Auffassung des Revisionswerbers gegen "schlichtes nicht-typengebundenes Verwaltungshandeln" in Form der Nichtgewährung adäquater Grundversorgung als wirksamer Rechtsbehelf im Sinne des (unmittelbar anwendbaren) Art. 26 der Aufnahme-RL lediglich die Verhaltensbeschwerde gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG bleibe.

4 Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom wies das Verwaltungsgericht Wien die Verhaltensbeschwerde als unzulässig zurück (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der vom Revisionswerber gestellte Verfahrenshilfeantrag als unbegründet abgewiesen und der Antrag auf Gebührenbefreiung zurückgewiesen (Spruchpunkt II.) Schließlich sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt III.).

5 Gegen diesen Beschluss - angesichts des geltend gemachten Revisionspunktes und des an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Abänderungsantrages der Sache nach jedoch nur gegen Spruchpunkt I. - richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision. Darüber hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Einleitung des Vorverfahrens, in dessen Rahmen die belangte Behörde (Magistrat der Stadt Wien) eine Revisionsbeantwortung erstattete, erwogen:

6 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, die Frage, ob die unterlassene Umsetzung von Art. 26 der Aufnahme-RL durch den Wiener Landesgesetzgeber dem Betroffenen die Möglichkeit eröffne, wegen unzureichender Gewährung von Grundversorgungsleistungen Rechtsschutz im Wege einer Verhaltensbeschwerde iSd Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG zu erlangen, sei bisher in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht behandelt worden. Das trifft zu, sodass sich die Revision - entgegen dem gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG nicht bindenden Ausspruch des Verwaltungsgerichtes - wegen Vorliegens einer grundsätzlichen Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG als zulässig erweist.

7 Das Verwaltungsgericht Wien begründete die Zurückweisung der Verhaltensbeschwerde, für die es im WGVG keine gesetzliche Grundlage gebe, in tragender Weise damit, dass ein Asylwerber bei faktischer Vorenthaltung der Grundversorgung eine Klage nach Art. 137 B-VG beim Verfassungsgerichtshof erheben könne, solange und insoweit die Entziehung der Grundversorgung noch nicht durch Bescheid verfügt worden sei. Mit dieser Argumentation folgt das Verwaltungsgericht Wien den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Beschluss vom , B 2024/07, VfSlg. 18.447 (Punkt III.2. der Entscheidungsgründe). Da der Revisionswerber im gegenständlichen Fall nicht behauptet habe, die Grundversorgung sei ihm bescheidmäßig aberkannt oder eingeschränkt worden, sei ihm eine angemessene Versorgung weiterhin zu gewähren. Soweit ihm die Grundversorgung dennoch faktisch gar nicht oder nur unzureichend gewährt werde, stehe ihm die Klage gemäß Art. 137 B-VG zur Verfügung. Entgegen der Annahme des Revisionswerbers existiere somit ein ausreichender, den unionsrechtlichen Vorgaben entsprechender Rechtsschutz. Die Verhaltensbeschwerde sei daher als unzulässig zurückzuweisen.

8 Dass dem Revisionswerber die Klage nach Art. 137 B-VG offen stehe, trifft indes nicht zu.

9 Der Verfassungsgerichtshof hat nämlich in seinem Beschluss vom , A 15/2015, dargelegt, dass die dem Beschluss VfSlg 18.447 zugrundeliegende Auffassung zur möglichen Klagsführung nach Art. 137 B-VG bei Vorenthaltung von Grundversorgungsleistungen nicht mehr vertreten werde. Dazu führte der Verfassungsgerichtshof in diesem Beschluss vom , mit dem eine auf Art. 137 B-VG gestützte Klage auf Leistung von Ersatzansprüchen durch das beklagte Land Oberösterreich wegen (faktisch) nicht gewährter Grundversorgungsleistungen zurückgewiesen wurde, Folgendes aus:

"3.1. In VfSlg. 18.447/2008 hat der Verfassungsgerichtshof für Fälle der Einschränkung oder des Entzugs von schon gewährten Grundversorgungsleistungen solange, bis ein entsprechender Bescheid ergeht, den Rechtsweg nach Art. 137 B-VG für eröffnet gesehen. Der Asylwerber könnte ‚bei faktischer Vorenthaltung der Grundversorgung eine Klage nach Art. 137 B-VG erheben, solange und insoweit die Entziehung der Grundversorgung noch nicht durch Bescheid verfügt wurde'. In VfSlg. 18.525/2008 hat der Gerichtshof demgegenüber in den Fallkonstellationen, in denen Grundversorgungsleistungen (mangels Vorliegens von Voraussetzungen) von vorneherein nicht gewährt (also verweigert) werden, den Asylwerber auf den Rechtsweg der Bekämpfung des den Anspruch auf Grundversorgungsleistung abweisenden Bescheids verwiesen (vgl. auch schon VfSlg.17.985/2006). Auch der Verwaltungsgerichtshof vertritt zum GVG-B die Auffassung, dass ein Asylwerber bei unzureichender Gewährung von Grundversorgung durch das Stellen eines entsprechenden Antrags einen Bescheid (des BFA auf Grund des GVG-B) zu erwirken und diesen gegebenenfalls (nach § 9 Abs. 2 GVG-B) mit Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht anzufechten hat ().

3.2. Es stellt sich daher die Frage, ob ein Asylwerber bis zur Erlassung eines Leistungen aus der Grundversorgung verweigernden, einschränkenden oder entziehenden Bescheids den ihm kraft Gesetzes zustehenden Anspruch auf solche Leistungen, werden sie ihm faktisch vorenthalten oder begehrt der Asylwerber Ersatz für entfallene oder mangelhafte Leistungen, im Wege einer Klage nach Art. 137 B-VG oder im Wege der Bekämpfung des jedenfalls notwendigen Bescheids durchzusetzen hat:

Art. 26 Abs. 1 der Aufnahme-RL sieht vor, dass dem Asylwerber gegen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Gewährung, dem Entzug oder der Einschränkung von Grundversorgungsleistungen ein Rechtsbehelf nach dem im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Verfahren, letztlich eine gerichtliche Überprüfung offenstehen muss. Die Aufnahme-RL verweist also - nach Maßgabe des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes (vgl. zB C- 326/96, Levez , Rz 18; Öhlinger/Potacs , EU-Recht und staatliches Recht5, 2014, 103 ff.) - auf die im innerstaatlichen Recht vorgesehenen, letztlich gerichtsförmigen Rechtsschutzverfahren, die denjenigen in vergleichbaren innerstaatlichen Rechtssachen in ihrer Wirksamkeit gleichkommen müssen (lässt aber zunächst die Entscheidung durch eine administrative Instanz damit ausdrücklich zu, siehe dazu schon ).

Aus der Sicht des Asylwerbers und der unionsrechtlichen Vorgaben für den Rechtsschutz, insbesondere auch des Art. 47 GRC, ist für den Asylwerber entscheidend, dass er im Regelfall seinen bestehenden (Ersatz )Leistungsanspruch wirksam durchsetzen kann. In diesem Zusammenhang ist, worauf der Verfassungsgerichtshof schon in VfSlg. 18.525/2008 und auch der Verwaltungsgerichtshof (in seiner Entscheidung vom , Ra 2015/21/0190) hingewiesen haben, zu betonen, dass § 73 AVG vorsieht, dass die Behörde ‚ohne unnötigen Aufschub' zu entscheiden hat. Gerade in Fällen der Grundversorgung ist von einer Behörde zu erwarten, dass sie das Ermittlungsverfahren möglichst rasch abschließt und sofort einen Bescheid erlässt, schon um im Falle schuldhafter Säumnis eine Rechtswidrigkeit zu vermeiden, die zu einer Amtshaftung führen würde (siehe mwN VfSlg. 18.525/2008). Angesichts dieser Verpflichtung und der Sachnähe der für die Vollziehung hier des Oö. GVG im Anwendungsbereich der Aufnahme-RL zuständigen Behörde (die Leistungen der Grundversorgung mit Bescheid zu verweigern, einzuschränken oder zu entziehen hat) sowie des bloß subsidiären Charakters einer Klage nach Art. 137 B-VG (siehe dazu VfSlg. 3287/1957, 11.395/1987; A 7/2015, uva.) ist der gebotene Rechtsschutz gewährleistet, wenn der Asylwerber in jedem Fall, also sowohl für die Durchsetzung als auch für die Geltendmachung von (Ersatz )Ansprüchen bei faktischer Verweigerung der Grundversorgungsleistungen auf den Verwaltungs(gerichts)weg verwiesen ist.

Damit ist nämlich sichergestellt, dass über (alle) Ansprüche auf Leistungen aus der Grundversorgung (zunächst) jene Behörde entscheidet, der die Konkretisierung der dem einzelnen Asylwerber jeweils in einer bestimmten Situation zustehenden Leistungen aus der Grundversorgung im Rahmen der Vollziehung des Gesetzes zukommt. Angesichts der bestehenden gesetzlichen Verpflichtung, einem Asylwerber ab Antragstellung auf internationalen Schutz solange Grundversorgung zu gewährleisten, bis dieser Anspruch durch bescheidförmige Entscheidung (sei es im Asylverfahren, sei es in einem Verfahren nach dem einschlägigen Grundversorgungsgesetz) verweigert, eingeschränkt oder entzogen wird, ist im Lichte des Art. 18 B-VG auch davon auszugehen, dass Fälle, in denen dieser Anspruch bloß faktisch vorenthalten wird, wenn überhaupt dann eine Ausnahme bilden, sodass die notwendige verwaltungsbehördliche Entscheidung in diesen Fällen auch entsprechend rasch ergehen kann (für außergewöhnliche Situationen trifft Art. 18 Abs. 9 Aufnahme-RL Vorsorge).

3.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom , Ra 2015/21/0190, mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass diese Konstruktion des Rechtsschutzes mit den Anforderungen des Unionsrechts, insbesondere mit Art. 26 der Aufnahme-RL in Verbindung mit Art. 47 GRC und auch mit dem Effektivitätsgrundsatz im Einklang steht (weshalb der Verwaltungsgerichtshof auch keinen Anlass gesehen hat, gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen). Insbesondere hat der Verwaltungsgerichtshof in dieser Entscheidung auch darauf hingewiesen, dass im Zuge der Beantragung eines entsprechenden Bescheids auch ein auf das Unionsrecht gestützter Antrag auf einstweilige Anordnung mit der Behauptung in Betracht kommt, die unzureichende Gewährung von Grundversorgung, mithin die faktische Vorenthaltung der Leistungen, auf die der Asylwerber bis zur Erlassung eines rechtsgestaltenden Bescheids einen gesetzlichen Anspruch hat, widerspreche der Aufnahme-RL. Dabei geht es, so der Verwaltungsgerichtshof (unter Hinweis auf die Begründung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Fr 2015/21/0012), ‚darum, vorläufigen Rechtsschutz einzuräumen, um die Effektivität des in der Hauptsache erhobenen Rechtsbehelfs sicherzustellen. (...) Dass ein derartiger Antrag (verbunden mit dem Antrag in der Hauptsache) an das BFA zu richten ist, das darüber - selbstredend: unverzüglich - zu entscheiden hat, beeinträchtigt nicht die Effektivität des Rechtsschutzes, sondern ermöglicht im Gegenteil der zuständigen Behörde eine sofortige Reaktion - dies freilich unter der nachprüfenden Kontrolle des mit Beschwerde anrufbaren und ebenfalls zur unverzüglichen Entscheidung verpflichteten Verwaltungsgerichtes'.

4. Der Verwaltungsrechtsweg ist damit aber auch für jene Konstellationen wie die hier vorliegende eröffnet, in der die Klägerin, der nunmehr Grundversorgungsleistungen gewährt werden, Ersatz dafür beansprucht, dass ihr vordem (ihrer Meinung nach zu Unrecht) Grundversorgungsleistungen faktisch vorenthalten wurden. Gleiches gilt im Übrigen für jene Fallkonstellationen, in denen ein Asylwerber die (bloß faktische) Einschränkung ihm zustehender Grundversorgungsleistungen im Sinne einer mangelhaften Grundversorgung behauptet und dafür einen entsprechenden Ersatz begehrt. Auch in diesen Fällen bleibt der Asylwerber darauf verwiesen, einen Bescheid zu beantragen, weil wegen des Sachzusammenhangs auch die Entscheidung über allfällige Ersatzansprüche dem Rechtsweg in der Hauptsache der Entscheidung über die Leistung selbst folgt. Der Asylwerber ist damit gehalten, bei faktischer Verweigerung oder Einschränkung der Grundversorgung jedenfalls einen Bescheid zu beantragen."

10 Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich diesen Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes an. Demzufolge lässt sich mit der vom Verwaltungsgericht Wien gewählten Begründung (Verweisung auf eine Klage nach Art. 137 B-VG) die Unzulässigkeit der vom Revisionswerber erhobenen Verhaltensbeschwerde nicht rechtfertigen. Insoweit trifft die in diesem Sinn in der Revision vertretene Auffassung - jedenfalls im Ergebnis - zu.

11 Aus den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im zitierten Beschluss vom , A 15/2015, ergibt sich für die dort in Betracht gezogenen Grundversorgungsgesetze des Landes Oberösterreich und des Bundes, dass ein Asylwerber den ihm kraft Gesetzes zustehenden Anspruch auf Gewährung von Grundversorgungsleistungen bei deren (teilweiser oder gänzlicher) faktischer Vorenthaltung im "Verwaltungs(gerichts)weg" durch Beantragung eines Bescheides durchzusetzen hat, wobei diese Konstruktion des Rechtsschutzes mit den Anforderungen des Unionsrechts, insbesondere mit Art. 26 der Aufnahme-RL in Verbindung mit Art. 47 GRC und auch mit dem Effektivitätsgrundsatz, im Einklang steht.

12 In diesem Zusammenhang führt der Revisionswerber - wie auch schon in der Beschwerde - in der Revision der Sache nach ins Treffen, die Rechtslage nach dem Oö Grundversorgungsgesetz und nach dem GVG-Bund 2005 sei mit dem im vorliegenden Fall anzuwendenden WGVG nicht vergleichbar. Dieses Gesetz "lässt jegliche Normierung zu verfahrensrechtlichen Fragen vermissen", zumal im WGVG nicht geregelt sei, "welche Entscheidungen der Behörde im Bescheidweg zu ergehen hätten" und "in welcher Form Rechtsschutz besteht"; außerdem fehle eine klare "Zuordnung der Materie Grundversorgung an eine Behörde (Magistrat der Stadt Wien oder Wiener Landesregierung)". Angesichts dessen äußerte der Revisionswerber verfassungsrechtliche Bedenken, weil dem "Gebot der präzisen Regelung" in Bezug auf die "zentralen Fragen des Rechtsschutzes im Grundversorgungsrecht" nicht Genüge getan worden sei. Es wurde daher angeregt, der Verwaltungsgerichtshof möge an den Verfassungsgerichtshof den Antrag stellen, das WGVG wegen Verstoßes gegen Art. 18 iVm Art. 83 Abs. 2 B-VG als verfassungswidrig aufzuheben.

13 Dieser Anregung ist nicht näher zu treten, weil der Verfassungsgerichtshof die vorgebrachten Bedenken, die auch an ihn in einer - einen vergleichbaren Fall betreffenden - Beschwerde herangetragen wurden, in seinem Erkenntnis vom ,

E 560/2016 (Punkt III.3. der Entscheidungsgründe), für nicht stichhältig erachtete. Er vermochte unter Bezugnahme auf den oben zitierten Beschluss vom selben Tag, A 15/2015, auch sonst der Argumentation des Revisionswerbers zur Zulässigkeit einer Verhaltensbeschwerde bei (faktischer) Vorenthaltung von nach dem WGVG iVm der Aufnahme-RL zustehenden Grundversorgungsleistungen mit nachstehender (auszugsweise wiedergegebener) Begründung nicht zu folgen:

"II. Rechtslage

...

3. Der Beschwerdeführer stützt seine Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien auf Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG. Diese Bestimmung lautet:

‚Artikel 130.

(1) (...)

(2) Durch Bundes- oder Landesgesetz können sonstige

Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über

1. Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens

einer Verwaltungsbehörde in Vollziehung der Gesetze (...)

2. (...)

3. (...) vorgesehen werden. (...)

(3)-(5) (...)'

In den Materialien (RV 1618 BlgNR 24. GP) heißt es zu dieser

Bestimmung:

‚Nach dem vorgeschlagenen Art. 130 Abs. 2 können durch Bundes- oder Landesgesetz sonstige Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte zur Entscheidung über Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit vorgesehen werden. Solche Beschwerden können nur andere als die in Abs. 1 Z 1 bis 4 genannten Beschwerdegegenstände, also nicht typengebundenes Verwaltungshandeln und andere Weisungen als solche nach Art. 81a Abs. 4 B-VG, zum Gegenstand haben. Sie sind jedoch nach der vorgeschlagenen Z 1 auf den Bereich der Hoheitsverwaltung ('Verhalten einer Verwaltungsbehörde in Vollziehung der Gesetze'; vgl. Art. 23 Abs. 1 B-VG) beschränkt. Akte der Gerichtsbarkeit kommen daher ebenso wenig als Beschwerdegegenstand in Betracht wie Akte der sog. Privatwirtschaftsverwaltung oder sog. Verwaltungsrechtliche Verträge. (...)'

4. Die folgende Begründung stützt sich auch auf

§ 107 Wiener Stadtverfassung, LGBl. 28/1968; dieser lautet:

‚Angelegenheiten der Bezirksverwaltung

§ 107. Der Magistrat hat unter Leitung und Verantwortung des Bürgermeisters die Angelegenheiten der Bezirksverwaltung zu besorgen.'

III. Erwägungen

Die - zulässige - Beschwerde ist nicht begründet.

1. Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter rügt, ist ihm Folgendes zu entgegnen:

Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung annimmt, wird das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Entscheidung einer Behörde dann verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983, 11.405/1987).

Im vorliegenden Fall liegt eine einfachgesetzliche Grundlage, die gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien zur Entscheidung über die eingebrachte Verhaltensbeschwerde begründen würde, nicht vor. Das Verwaltungsgericht Wien hat die Beschwerde daher zu Recht zurückgewiesen (siehe dazu auch ).

2. Zur behaupteten Verletzung im verfassungsgesetzlich durch Art. 13 iVm Art. 3 EMRK (bzw. Art. 47 iVm Art. 4 GRC) gewährleisteten Recht auf eine wirksame Beschwerde:

2.1. Das WGVG enthält keine den Rechtsschutz regelnden Bestimmungen. Mit der Umsetzung der Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Wien wurde mit Beschluss des Wiener Gemeinderates der Fonds Soziales Wien betraut (s. Sitzungsprotokoll des Wr. Gemeinderates, 17. GP, 43. Sitzung, 6). Der Fonds Soziales Wien ist mit keinen hoheitlichen Befugnissen ausgestattet (vgl. Satzung des Fonds Soziales Wien bzw. Herwei/Mayr/Wendel , (Autonome) wirtschaftliche Einrichtungen, in: Holoubek/Madner/Pauer (Hrsg.), Recht und Verwaltung in Wien, 2014, 881 (891)). Betrachtet man also die rechtstechnischen Mittel, die der Wiener Landesgesetzgeber zur Verwirklichung der Grundversorgung bereitgestellt hat, und die Tatsache, dass der dafür zuständige Verwaltungsträger - der Fonds Soziales Wien - mit keinen hoheitlichen Befugnissen ausgerüstet wurde, werden Leistungen nach dem Wiener Grundversorgungsgesetz grundsätzlich im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung gewährt (vgl. VfSlg. 3262/1957).

2.2. Im vorliegenden Fall fällt das Wiener Grundversorgungsgesetz in einem Teilbereich - nämlich soweit Personen davon betroffen sind, die einen Antrag auf internationalen Schutz (§ 1 Abs. 3 Z 1 WGVG; § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005) gestellt haben - in den Anwendungsbereich der Aufnahme-RL. Insoweit sind daher die Bestimmungen der Aufnahme-RL zu berücksichtigen und die Bestimmungen des Wiener Grundversorgungsgesetzes im Lichte der Richtlinie auszulegen. ...

...

2.3. ... Die Leistungen gemäß der Aufnahme-RL sind den

Asylwerbern bei Vorliegen der Voraussetzungen grundsätzlich unmittelbar, ohne dass es einer weiteren Antragstellung bedarf, zu gewähren. Sofern solche Leistungen nicht gewährt werden, ist es nach dem österreichischen Rechtsschutzsystem erforderlich, dass darüber eine behördliche Entscheidung ergeht, damit die in Art. 26 Aufnahme-RL enthaltenen Anforderungen an den Rechtsschutz in einer dem Effizienzgebot entsprechenden Weise erfüllt werden:

Nach Art. 26 Aufnahme-RL stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass auch gegen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Gewährung, dem Entzug oder der Einschränkung von Vorteilen gemäß der Aufnahme-RL ein Rechtsbehelf nach dem im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Verfahren eingelegt werden kann und zumindest in der letzten Instanz die Möglichkeit einer auf Sach- und Rechtsfragen gerichteten Überprüfung durch eine Justizbehörde vorgesehen ist.

Es hat daher nicht nur, wie der Verfassungsgerichthof bereits in VfSlg. 18.447/2008 ausgesprochen hat, im Falle von Einschränkungen bzw. Entziehung von Leistungen, die von der Aufnahme-RL garantiert werden, eine bescheidmäßige Erledigung zu erfolgen, sondern stets dann, wenn Leistungen nach der Aufnahme-RL nicht oder nicht in dem vom betreffenden Asylwerber begehrten Ausmaß gewährt werden. Sofern eine Person, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, keine oder ihrer Auffassung nach unzureichende Leistungen gemäß der die Aufnahme-RL umsetzenden gesetzlichen Bestimmungen (hier: § 3 WGVG) erhält, hat sie die Möglichkeit, mit einem Antrag derartige Leistungen bzw. solche Leistungen in der von ihr als gesetzmäßig erachteten Weise zu begehren; über diesen Antrag ist mit Bescheid abzusprechen. In der Folge besteht der - Art. 26 Aufnahme-RL entsprechende - Rechtsschutz gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, wonach gegen einen solchen Bescheid die Landesverwaltungsgerichte und anschließend die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts anrufbar sind.

Zuständig zur Erlassung eines derartigen Bescheides ist, da es sich um Landesvollziehung handelt und keine andere Behörde dazu gesetzlich berufen ist, gemäß § 107 Wiener Stadtverfassung der Magistrat als Bezirksverwaltungsbehörde."

14 Die Revision gibt keinen Anlass, dieses vom Verfassungsgerichtshof - in einem mit dem vorliegenden in den wesentlichen Punkten völlig gleichgelagerten Fall - erzielte Ergebnis nicht auch der gegenständlichen Beurteilung zugrunde zu legen. Demnach gilt auch für das WGVG, soweit es in den Anwendungsbereich der Aufnahme-RL fällt, dass ein Asylwerber den ihm nach § 3 des genannten Gesetzes zustehenden Anspruch auf bestimmte Grundversorgungsleistungen bei deren (teilweiser oder gänzlicher) faktischer Vorenthaltung durch Stellung eines Antrags auf deren Gewährung, über den mit - im Rechtsmittelweg durch das Verwaltungsgericht Wien und die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts überprüfbarem - Bescheid vom Magistrat der Stadt Wien abzusprechen ist, durchzusetzen hat. Ein Rückgriff auf die Verhaltensbeschwerde, die - anders als es Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG verlangt - im WGVG nicht vorgesehen ist, ist daher zur Erlangung eines effektiven Rechtsschutzes nicht geboten. Dazu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG (noch einmal) auf das hg. Erkenntnis vom , Ra 2015/21/0190 (insbesondere auf Rz 34 bis 38), verwiesen werden.

15 Im Ergebnis erweist sich daher die vom Verwaltungsgericht Wien vorgenommene Zurückweisung der Verhaltensbeschwerde als zutreffend. Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

16 Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am