VwGH vom 29.06.2010, 2007/18/0915
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde des ZV in W, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/464.403/2007, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei am mit einem für einen neunzehntägigen Aufenthalt gültigen Visum C nach Österreich eingereist. Er habe zu keiner Zeit über einen Aufenthaltstitel oder eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfügt. Nach Ablauf seines Visums sei er in Österreich verblieben. Er halte sich seither unrechtmäßig im Bundesgebiet auf, sodass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG vorlägen. In einem solchen Fall könnten Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn dem nicht die Bestimmung des § 66 Abs. 1 FPG entgegenstehe.
Der Beschwerdeführer halte sich seit mehr als einem Jahr in Österreich auf und verfüge im Inland über familiäre Bindungen zu seiner Ehegattin, die er aber erst am geehelicht habe, sowie zu seinen Eltern - der Vater sei österreichischer Staatsbürger - und seinen beiden Brüdern. Der daher mit der vorliegenden Maßnahme verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers erweise sich jedoch als dringend geboten, weil der Befolgung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zukomme.
Diese Regelungen seien vom Beschwerdeführer angesichts seines bereits mehr als einjährigen unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet in gravierender Weise missachtet worden. Dabei könne auch der Versuch, seinen Aufenthalt durch einen sogenannten "Inlandsantrag" auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu legalisieren, nicht positiv gewertet werden, weil ein Aufenthaltstitel gemäß § 21 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG nur vom Ausland aus erwirkt werden könne. Der Beschwerdeführer habe sich somit über die für ihn maßgebenden fremdenrechtlichen Normen hinweggesetzt.
Die damit bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten und familiären Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Dem genannten öffentlichen Interesse laufe es grob zuwider, wenn ein Fremder bloß auf Grund von Tatsachen, die von ihm geschaffen worden seien (Nichtausreise trotz des Ablaufes des Visums), den tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer erzwingen könnte.
Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf das Fehlen besonderer zugunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände könne sein weiterer Aufenthalt auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bzw. wegen Verletzung subjektiver Rechte aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen - und in der Beschwerde nicht bekämpften - Feststellungen, dass sich der am nach Österreich eingereiste Beschwerdeführer seit dem Ablauf seines für einen neunzehntägigen Aufenthalt gültigen Visums C unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken. Auch der im Inland gestellte Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels kann seinen Aufenthalt nicht legalisieren (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0657, mwN).
2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid unter dem Blickwinkel des § 66 Abs. 1 FPG und bringt vor, dass die Erlassung einer Ausweisung keinesfalls "dringend" geboten sein könne, solange für den Beschwerdeführer die Möglichkeit bestehe, dass ihm ein Aufenthaltstitel, sei es auch aus humanitären Gründen, erteilt werden könne. Solange das Verfahren hinsichtlich des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels noch anhängig sei, sei die Erlassung einer Ausweisung keinesfalls gerechtfertigt. Es lägen tatsächlich humanitäre Gründe vor.
Die belangte Behörde habe keine gesetzmäßige Interessenabwägung vorgenommen und die familiäre Situation des Beschwerdeführers nicht ausreichend berücksichtigt. Der Beschwerdeführer, der für zwei minderjährige Kinder sorgepflichtig sei, weise enge familiäre Bindungen in Österreich auf. Sämtliche Familienmitglieder, der österreichische Vater, die Ehegattin, Geschwister und zwei minderjährige Kinder lebten in Österreich. Der Beschwerdeführer sei sozial integriert und unbescholten, sodass die mit der Erlassung einer Ausweisung verbundenen Auswirkungen auf das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers wesentlich schwerer wögen als die öffentlichen Interessen einer Abstandnahme. Auch in diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels eingebracht habe und das diesbezügliche Verfahren noch anhängig sei.
2.2. Zutreffend hat die belangte Behörde bei ihrer Beurteilung gemäß § 66 FPG unter anderem dem - seit Ablauf des lediglich für 19 Tage erteilten Visums C - bereits mehr als ein Jahr dauernden, fast ausschließlich unberechtigten inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers große Bedeutung zugemessen.
Zu Recht ist die belangte Behörde im Ergebnis davon ausgegangen, dass dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0503, mwN). Dieses große öffentliche Interesse hat der Beschwerdeführer durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt maßgeblich beeinträchtigt.
Ferner hat die belangte Behörde bei ihrer Abwägung die im Inland bestehenden familiären Bindungen des Beschwerdeführers zu seiner Ehegattin, seinen Eltern und seinen Brüdern sowie die österreichische Staatsbürgerschaft des Vaters berücksichtigt. Sie hat in diesem Zusammenhang die - unbekämpfte - Feststellung getroffen, dass der Beschwerdeführer seine Ehegattin, bei der es sich nach den Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid ebenfalls um eine serbische Staatsangehörige handelt, erst am , somit ca. neun Monate nach seiner Einreise in Österreich geheiratet habe. Die Eheschließung erfolgte daher während des illegalen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet.
Das Gewicht der in der Beschwerde - unter anderem mit dem Vorbringen, für zwei in Österreich lebende minderjährige Kinder sorgepflichtig zu sein - geltend gemachten familiären Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich wird auch aufgrund nachstehender Erwägungen gemindert:
Nach Ausweis der Aktenunterlagen findet sich in einer im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens zur behördlichen "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" abgegebenen Stellungnahme des Beschwerdeführers vom - in einer punktuellen Aufzählung - unter anderem die Formulierung:
"verheiratet, 2 Kinder; gesamte Familie in Österreich". Der erstinstanzliche Bescheid vom enthält dazu die - an den Beschwerdeführer gerichteten - Ausführungen, dass "Ihre Gattin und Ihr gemeinsames Kind (...) ebenfalls illegal im Bundesgebiet aufhältig" seien.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid Bindungen des Beschwerdeführers zu seinen Kindern nicht ausdrücklich erwähnt, jedoch einleitend darauf hingewiesen, dass die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides im Ergebnis auch für die Berufungsentscheidung maßgebend gewesen seien. Eine Veranlassung, über diesen Hinweis hinausgehende Ausführungen betreffend die minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers in dessen Sinne zu treffen, bestand für die belangte Behörde nicht, zumal der Beschwerdeführer in seiner gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung zwar auf gravierende Bindungen in Österreich verwiesen, dabei jedoch lediglich seinen Vater, seine Mutter und seine beiden Brüder, jedoch weder seine Ehegattin noch seine Kinder erwähnt hatte und den im erstinstanzlichen Bescheid enthaltenen Ausführungen betreffend den illegalen Aufenthalt der Ehegattin und eines gemeinsamen Kindes nicht entgegengetreten war.
In der Beschwerde wird nun - im Gegensatz zu den erwähnten Berufungsausführungen - ausgeführt, dass zwei minderjährige Kinder des Beschwerdeführers in Österreich lebten bzw. in Wien die Schule besuchten und dass der Beschwerdeführer für sie sorgepflichtig sei. Ein Vorbringen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Ehegattin und den beiden Kindern im gemeinsamen Haushalt lebe, wird nicht erstattet. Ebenso wenig tritt die Beschwerde den behördlichen Feststellungen entgegen, dass sich die Ehegattin des Beschwerdeführers und - jedenfalls - eines seiner Kinder in Österreich illegal aufhielten.
Auch den Angaben in seinem mit der Beschwerde gestellten Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe bzw. dem Inhalt seines dazu vorgelegten Vermögensbekenntnisses, wonach er bei seinem Vater wohne, von diesem Unterhaltszahlungen erhalte, von seiner Familie unterstützt werde, aber keine Unterhaltspflichten gegenüber ehelichen und unehelichen Kindern habe, ist kein Hinweis für die Annahme eines gemeinsamen Haushaltes des Beschwerdeführers mit seiner Ehegattin und den beiden minderjährigen Kindern sowie dafür zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer seiner - in der Beschwerde erwähnten - Sorgepflicht gegenüber den Kindern tatsächlich nachkommt.
Der Beschwerdeführer durfte ferner zu keinem Zeitpunkt seines inländischen Aufenthaltes auf einen rechtmäßigen Verbleib in Österreich vertrauen. Zum Zeitpunkt der Einbringung seiner Beschwerde ging er keiner Beschäftigung nach.
Vor dem Hintergrund seiner aus den dargestellten Gründen relativierten privaten bzw. familiären Bindungen im Bundesgebiet zeigt das Beschwerdevorbringen auch dann keine Gesetzwidrigkeit der von der belangten Behörde durchgeführten Interessenabwägung auf, wenn man die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und eine in der Beschwerde geltend gemachte, jedoch nicht näher konkretisierte soziale Integration berücksichtigt.
Entgegen der Beschwerde führt auch die Anhängigkeit eines Verfahrens auf Erteilung eines Aufenthaltstitels (aus humanitären Gründen) zu keiner Einschränkung der behördlichen Ermächtigung zur Erlassung einer Ausweisung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0231, mwN).
Die angeführten persönlichen Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich stellen - bei der dargestellten Sachlage - keine besonderen Umstände im Sinne des Art. 8 EMRK dar, die es ihm unzumutbar machen würden, für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens auszureisen.
Die Ansicht der belangten Behörde, dass § 66 FPG der Erlassung der vorliegenden Ausweisung des Beschwerdeführers nicht entgegensteht, begegnet daher keinem Einwand.
3. In diesem Zusammenhang zeigt auch das Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, zumal die Beschwerde nicht ausführt, welche Umstände der familiären Situation des Beschwerdeführers oder seines sozialen Umfeldes die belangte Behörde bei ihrer Beurteilung nicht berücksichtigt und mit welchen Berufungsausführungen sie sich nicht auseinandergesetzt habe bzw. zu welchem anderen Ergebnis die belangte Behörde dadurch gekommen wäre.
4. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
5. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
TAAAE-71371