VwGH vom 19.12.2012, 2012/08/0165
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der A KG in S, vertreten durch Dr. Rainer Mutenthaler, Rechtsanwalt in 3370 Ybbs/Donau, Unterauerstraße 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. GS5-A-948/1244-2011, betreffend Verhängung eines Beitragszuschlages (mitbeteiligte Partei: Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 3), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der beschwerdeführenden Partei ein Beitragszuschlag in Höhe von EUR 1.300,-- vorgeschrieben. Im Rahmen einer am erfolgten Kontrolle durch Organe des Finanzamtes L./Team KIAB, sei festgestellt worden, dass für die zumindest am pflichtversicherte B B. die Anmeldung nicht vor Arbeitsantritt erstattet worden sei.
B B. habe zum Zeitpunkt der Kontrolle Aushilfsarbeiten (Tragen von Fleisch aus dem Kühlraum in die Küche) in der Pizzeria L. der beschwerdeführenden KG, deren persönlich haftender Gesellschafter Y A. sei, verrichtet. Es habe sich bereits um die sechste oder siebente derartige Aushilfe gehandelt. Das Fehlen einer Entlohnung sei unbeachtlich, zumal dem Küchenpersonal in einer Pizzeria ein Mindestlohn nach dem Kollektivvertrag für das Gastgewerbe als Anspruchslohn zustehe. Ein (Motiv für einen unentgeltlich verrichteten) Gefälligkeitsdienst iSd Judikatur der Gerichte liege nicht vor. Es stehe insgesamt fest, dass B B. zum Zeitpunkt der Kontrolle durch die Finanzpolizei am Dienstnehmerin der beschwerdeführenden Partei iSd § 4 Abs. 2 ASVG gewesen sei. Der Beitragszuschlag sei dem Grunde nach zu Recht vorgeschrieben worden. Eine Herabsetzung des Beitragszuschlages sei nicht möglich, weil B B. nicht einmal nachträglich zur Sozialversicherung gemeldet worden sei und es sich auch nicht um die erstmalige Übertretung handle. Die belangte Behörde habe bereits mit Bescheid vom wegen einer am erfolgten Betretung von Y Y. durch das Finanzamt L./Team KIAB ebenfalls einen Beitragszuschlag in der Höhe von EUR 1.300,-- verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die Beschwerde macht geltend, bei der Kontrolle am sei "die Lebensgefährtin des Cousins von Herrn Y A., Frau B B.," angetroffen worden, wie diese Fleisch aus dem Kühlraum in die Küche getragen habe. B B. sei "bloß kurzfristig, für einige Stunden, gefälligkeitshalber" tätig gewesen. Eine kurzzeitige, freiwillige und unentgeltliche Tätigkeit aus bloßer Gefälligkeit im Freundeskreis sei keine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit. Die Behörde habe von der beantragten Einvernahme von Frau B B. als Zeugin zu Unrecht Abstand genommen. Die Einvernahme hätte ergeben, dass B B. "unentgeltlich tätig war". Die belangte Behörde hätte die B B. "vor allem zur Unentgeltlichkeit befragen müssen". Aus der Angabe von B B. in der Niederschrift der Finanzpolizei vom , "ich habe für meine Tätigkeit bisher kein Geld erhalten", hätte die Behörde nicht "antizipierend" den Schluss ziehen dürfen, dass diese es "für möglich hielt, dass sie noch - wenn auch von ihr weder gefordert noch vereinbart - Geld als Entlohnung erhält". Die belangte Behörde hätte die Entgeltlichkeit der Tätigkeit von B B. nicht als erwiesen annehmen dürfen.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Wird jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen, d.h. arbeitend, unter solchen Umständen angetroffen, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinne auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/08/0270). Spricht also die Vermutung für ein Dienstverhältnis, dann muss die Partei ein ausreichend substantiiertes Vorbringen erstatten, aus dem man anderes ableiten könnte.
Die Beschwerdeführerin verantwortet sich damit, dass B B. einen Gefälligkeitsdienst geleistet habe.
Als Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienste sind kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anzusehen, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsempfänger erbracht werden und die einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhalten (vgl. die zum Ausländerbeschäftigungsgesetz ergangenen hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/09/0285, mwN, und vom , Zl. 2009/09/0276, sowie, auf letzteres Bezug nehmend, das vom , 2009/08/0062).
Für die Abgrenzung zwischen einem Gefälligkeitsdienst und einer Beschäftigung ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Dabei trifft die Partei - unabhängig von der grundsätzlichen Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Erforschung des für die Entscheidung notwendigen Sachverhaltes und über die oben erwähnte Darlegungspflicht hinaus - eine entsprechende Mitwirkungspflicht, zumal es sich bei den zur Beantwortung der Frage, ob ein Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienst vorliegt, maßgeblichen Umständen und Motiven um solche handelt, die zumeist der Privatsphäre der Partei zuzuordnen sind und der Behörde nicht ohne weiteres zur Kenntnis gelangen. Es ist in diesen Fällen daher Sache der Partei, entsprechende konkrete Behauptungen aufzustellen und Beweise anzubieten (vgl. die zum Ausländerbeschäftigungsgesetz ergangenen hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/09/0374, und vom , Zl. 2009/09/0101).
Im vorliegenden Fall kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie allein auf Grund der Behauptung, dass es sich bei der Beschäftigten um die Lebensgefährtin eines Cousins des persönlich haftenden Gesellschafters der beschwerdeführenden Partei handelt, keine spezifische Bindung oder Nahebeziehung abgeleitet hat, die ein für die Erbringung von Freundschafts- oder Gefälligkeitsdiensten nachvollziehbares Motiv bilden könnte. Auch von einer Lebensgefährtin eines Cousins ist im Regelfall - ohne das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände - nicht zu erwarten, dass sie im Rahmen eines Gewerbebetriebes Gefälligkeitsdienste für den daraus Gewinn ziehenden Unternehmer leiste (zur Unerheblichkeit gefälligkeitshalber geförderter Interessen Dritter bzw. "indirekter Freundschaftsdienste" vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/09/0286). Andere Motive, die die Erbringung von Freundschafts- oder Gefälligkeitsdiensten in wirtschaftlicher, sozialer und emotionaler Sicht nachvollziehbar erscheinen ließen, hat die beschwerdeführende Partei nicht genannt.
Für das Vorliegen der Entgeltlichkeit kommt es - im Gegensatz zur Auffassung der beschwerdeführenden Partei - nicht darauf an, ob ausdrücklich ein Entgelt (allenfalls in einer bestimmten Höhe) vereinbart wurde oder eine solche Vereinbarung unterblieb. Im Zweifel gilt für die Erbringung von Dienstleistungen ein angemessenes Entgelt als bedungen (vgl. § 1152 ABGB). Wurde die Höhe des Entgelts nicht festgelegt, so ist ein angemessener Lohn zu zahlen. Demnach ist Unentgeltlichkeit der Verwendung nicht schon bei Fehlen einer Entgeltvereinbarung zu vermuten, sondern diese muss ausdrücklich und erwiesenermaßen - wenigstens nach den Umständen konkludent - vereinbart worden sein und einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhalten (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 2007/09/0285).
Die belangte Behörde ist - ausgehend von der oben erwähnten Vermutung des Vorliegens eines Dienstverhältnisses im üblichen Sinn - schon mangels Behauptung der Vereinbarung der Unentgeltlichkeit zutreffend von einer Entgeltlichkeit der Tätigkeit von B B. ausgegangen, ohne die tatsächliche Leistung von Entgelt prüfen zu müssen (vgl. nochmal das Erkenntnis Zl. 2009/09/0286). Der Umstand, dass die belangte Behörde B B. nicht zu dem in der Beschwerde genannten - nach dem Gesagten irrelevanten - Beweisthema, "dass Frau B B. unentgeltlich tätig war" bzw. "dass sie diese Tätigkeit ohne Entlohnung und aus reiner Gefälligkeit verrichtete", als Zeugin vernommen hat, stellt keinen Verfahrensmangel dar, zumal vorliegend schon das behauptete Motiv für eine (vereinbarte) Unentgeltlichkeit nicht nachvollziehbar ist und eine ausdrückliche Vereinbarung der Unentgeltlichkeit, die auf anderen Motiven beruhen könnte, nicht behauptet und erwiesen wurde.
Die belangte Behörde hat das Vorliegen eines Dienstverhältnisses iSd § 4 Abs. 2 ASVG daher zu Recht bejaht. Diesbezüglich wird auch auf das eine ähnliche Tätigkeit einer Mitarbeiterin in einem Restaurantbetrieb der beschwerdeführenden Partei betreffende hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/08/0218, verwiesen.
Im Übrigen bestreitet die Beschwerde nicht, dass die Anmeldung der B B. zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt am erstattet worden ist. Die Meldung war zum Zeitpunkt der Kontrolle durch die KIAB noch nicht nachgeholt. Es liegt das typische Bild eines Meldeverstoßes vor. Von unbedeutenden Folgen iSd § 113 Abs. 2 ASVG kann nicht die Rede sein (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 2010/08/0218). Ferner stellt der Umstand, dass das Beschäftigungsverhältnis nur kurz angedauert hat, keinen Grund dar, der iSd § 113 Abs. 2 ASVG besonders berücksichtigungswürdig wäre. Die belangte Behörde hat daher zu Recht davon Abstand genommen, die Teilbeträge des Beitragszuschlages iSd § 113 Abs. 2 ASVG herabzusetzen oder ganz entfallen zu lassen.
Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am