VwGH vom 09.08.2013, 2012/08/0158
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des TR in W, vertreten durch die Burghofer Rechtsanwalts GmbH in 1060 Wien, Köstlergasse 1/30, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2012-0566-9-000447, betreffend Einstellung des Arbeitslosengeldbezuges, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte am bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien (im Folgenden: AMS) einen Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld. Die Frage, ob er derzeit in Beschäftigung stehe, verneinte er. Zum Zeitpunkt der Antragstellung war er im Firmenbuch als Geschäftsführer der C. GmbH eingetragen. Gesellschafter der C. GmbH waren mit einem Geschäftsanteil von 75 % deren alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer CH. sowie mit einem Geschäftsanteil von 25 % der Beschwerdeführer. Die C. GmbH bestätigte dem AMS mit Schreiben vom , dass der Beschwerdeführer "seit Ende des geringfügigen, freien Dienstverhältnisses am nicht mehr als handelsrechtlicher Geschäftsführer in unserem Unternehmen tätig" sei. Bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am gab der Beschwerdeführer eine gleichlautende Erklärung ab.
Mit Bescheid vom sprach das AMS gemäß § 24 Abs. 1 AlVG aus, dass das Arbeitslosengeld des Beschwerdeführers mangels Arbeitslosigkeit ab dem eingestellt werde. Das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers gelte erst dann als beendet, wenn auch das organschaftliche Verhältnis als Geschäftsführer der C. GmbH beendet sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung mit der Begründung, es gebe "kein bestehendes Arbeitsverhältnis/weiteres Einkommen als handelsrechtlicher Geschäftsführer".
Mit einem umfangreichen Schreiben vom teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass er entgegen seiner niederschriftlichen Ankündigung vom dem AMS die "Beantragung der Löschung Ihrer Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer beim Handelsgericht Wien (Firmenbuchgericht) noch nicht übermittelt" habe. Nach Darlegung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wies die belangte Behörde in einem Nebensatz darauf hin, dass die Beendigung der Geschäftsführertätigkeit nicht erst mit der Löschung im Firmenbuch wirksam werde, sondern entweder mit dem Rücktritt des Geschäftsführers oder mit dem Zugang eines Abrufungsbeschlusses der Gesellschafter.
Mit Schreiben vom nahm der Beschwerdeführer unter anderem wie folgt Stellung:
"Ich habe mich betreffend einer Löschung aus dem Firmenbuch eingehend erkundigt und alles getan was ich konnte. Die von Ihnen aufgezwungene, rückwirkende Löschung ist und bleibt in Österreich jedoch widerrechtlich.
Zurückgetreten bin ich schon lange von meiner Position als Geschäftsführer."
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen.
Das Angestelltenverhältnis des Beschwerdeführers zur C. GmbH habe vom bis zum gedauert. Aus "dem aktuellen Firmenbuchauszug" gehe hervor, dass der Beschwerdeführer Gesellschafter der C. GmbH sei und er die C. GmbH als handelsrechtlicher Geschäftsführer seit gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer oder einem Prokuristen vertrete. Der Beschwerdeführer habe dem AMS "Ihre Beantragung der Löschung Ihrer Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer beim Handelsgericht Wien (Firmenbuchgericht) nicht übermittelt."
Demnach habe zum Zeitpunkt der Einstellung der Notstandshilfe am noch immer seine Hauptleistungspflicht als Geschäftsführer der C. GmbH bestanden. Eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zur C. GmbH liege nicht vor. Der Beschwerdeführer sei nicht im Sinn des § 12 Abs. 1 AlVG arbeitslos.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die Beschwerde bringt vor, die belangte Behörde sei nicht darauf eingegangen, ob der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer zurückgetreten sei oder nicht. Sie gehe unrichtig davon aus, dass Arbeitslosengeld nicht zustehe, wenn man im Firmenbuch als Geschäftsführer eingetragen sei. Auf die Möglichkeit, dass ein Geschäftsführer formlos abberufen werde, ohne dass eine Löschung im Firmenbuch erfolge, habe die belangte Behörde nicht bedacht genommen.
Die Beschwerde ist berechtigt.
Nach der ständigen hg. Rechtsprechung setzt die "Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses" im Sinn des § 12 Abs. 1 AlVG jedenfalls voraus, dass der Vertrag und die beiderseitigen Hauptpflichten aus dem versicherungspflichtigen, anwartschaftsbegründenden Beschäftigungsverhältnis erloschen sind. Der Umstand allein, dass das Anstellungsverhältnis eines Geschäftsführers bei Fortdauer seiner Organstellung endet, bedeutet noch keinen Entfall der Hauptleistungspflicht des Geschäftsführers, gleichgültig, ob er für seine Geschäftsführertätigkeit weiterhin Entgelt erhält oder nicht. Auch auf die tatsächliche Tätigkeit nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses kommt es nicht an (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/08/0199).
Im vorliegenden Fall war von der belangten Behörde zu prüfen, ob und gegebenenfalls wann die Organstellung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer geendet hat.
Das Rücktrittsrecht des Geschäftsführers ist seit dem mit in Kraft getretenen Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1997, BGBl. I Nr. 114/1997, in § 16a GmbH-Gesetz geregelt. Die Zurücklegung der Geschäftsführerbefugnis ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Der Rücktritt wird erst nach Ablauf von 14 Tagen wirksam, liegt aber ein wichtiger Grund hiefür vor, kann der Rücktritt mit sofortiger Wirkung erklärt werden. Der Rücktritt ist gegenüber der Generalversammlung, wenn dies in der Tagesordnung angekündigt wurde, oder gegenüber allen Gesellschaftern zu erklären. Das Erlöschen der Vertretungsbefugnis des zurückgetretenen Geschäftsführers ist ohne Verzug zum Firmenbuch anzumelden (§ 17 Abs. 1 erster Satz GmbH-Gesetz). Die Löschung des zurückgetretenen Geschäftsführers im Firmenbuch hat nur deklarative Wirkung (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom , 99/03/0451, und vom , 2000/08/0141).
Die Bestellung zum Geschäftsführer kann gemäß § 16 GmbH-Gesetz durch Beschluss der Gesellschafter jederzeit widerrufen werden. Für eine solche Abberufung sind grundsätzlich nur die Gesellschafter zuständig. Sie fassen ihren Abberufungsbeschluss in Generalversammlungen oder schriftlich im Umlaufweg; daneben kommt auch eine formlose, sogar eine konkludente Beschlussfassung durch alle Gesellschafter in Betracht. Eine besondere Form, etwa die notarielle Beurkundung, ist für den Abberufungsbeschluss nicht vorgeschrieben. Die Gesellschafter beschließen mit einfacher Stimmenmehrheit, sofern der Gesellschaftsvertrag keine größere Mehrheit vorschreibt. Gesellschafter sind bei der Beschlussfassung über ihre eigene Abberufung von der Geschäftsführung stimmberechtigt. Abberufungsbeschlüsse sind in der Regel sofort mit der Beschlussfassung wirksam, auf die bloß deklarativ wirkende Löschung des Geschäftsführers im Firmenbuch kommt es nicht an. Der Abberufungsbeschluss muss aber dem Geschäftsführer gegenüber erklärt werden. Einer besonderen Form bedarf diese Erklärung nicht. Ist der abberufene Geschäftsführer in der Generalversammlung anwesend und wird ihm dort das Beschlussergebnis mitgeteilt, so ist die Abberufung sofort wirksam. Ist er hingegen nicht anwesend, so muss ihm das Beschlussergebnis mitgeteilt werden (vgl. Reich-Rohrwig, GmbH-Recht I2, Rz. 2/599 ff, 2/625 ff).
Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer mit Schreiben vom in einer - insbesondere bei rechtsunkundigen Personen - zu Missverständnissen Anlass gebenden Weise über die Voraussetzungen des Vorliegens von Arbeitslosigkeit bei angestellten Geschäftsführern einer GesmbH unterrichtet. Wie aus der nachfolgenden Stellungnahme des Beschwerdeführers an die belangte Behörde vom hervorgeht, hatte dieser das Schreiben dahin verstanden, von ihm werde die rückwirkende Löschung seiner Eintragung als Geschäftsführer im Firmenbuch verlangt, um eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung erhalten zu können.
Dieses für die belangte Behörde offenkundige Missverständnis und das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei schon lange von seiner Position als Geschäftsführer "zurückgetreten", hätte sie im Hinblick auf die oben dargestellte Rechtslage zum Anlass nehmen müssen, den Beschwerdeführer entsprechend anzuleiten und weitere Ermittlungsschritte zu setzen.
Am legte der Beschwerdeführer in dem dem hg. Verfahren Zl. 2012/08/0290 zu Grunde liegenden Parallelverfahren folgende Bestätigung der beiden Gesellschafter der C. GmbH vom vor:
"Ich, CH. bin Hauptgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der C. GmbH. Ich habe mit heutigem Datum, nämlich per Herrn (Beschwerdeführer) als Geschäftsführer der C. GmbH abberufen, wobei mir als Hauptgesellschafter der GmbH dieses Recht zusteht. Ich habe Herrn (Beschwerdeführer) auch darauf aufmerksam gemacht, daß er keine Tätigkeiten mehr für die C. GmbH erbringen darf.
(Der Beschwerdeführer) ist mit dieser Vorgangsweise einverstanden. Eine formelle Löschung im Firmenbuch erfolgt meinerseits deshalb nicht, weil diese für meine Gesellschaft zu kostspielig sein würde."
Nach der Unterschrift des CH. erklärte der Beschwerdeführer, "der oben angegebene Sachverhalt ist vollständig und richtig
von CH. wiedergegeben."
Diese Bestätigung ist dahin auszulegen, dass sich alle Gesellschafter der C. GmbH darüber einig waren, den Beschwerdeführer aus seiner Funktion als Geschäftsführer abzuberufen. Nach dem Gesagten ist dieser Abberufungsbeschluss mit der Beschlussfassung und der Mitteilung an den Beschwerdeführer sofort wirksam geworden.
Hätte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer auch im vorliegenden Verfahren Gelegenheit gegeben, seine Behauptung, er sei als Geschäftsführer zurückgetreten, näher zu erläutern und unter Beweis zu stellen, so hätte er auch hier ein entsprechendes Vorbringen erstatten bzw. die Bestätigung vom vorlegen und im Hinblick auf die Beendigung des Dienstverhältnisses als Geschäftsführer mit seine Arbeitslosigkeit seit diesem Zeitpunkt nachweisen können.
Da die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen hat, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das auf Ersatz der Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil der durch Verordnung pauschaliert festgesetzte Schriftsatzaufwand auch die anfallende Umsatzsteuer abdeckt.
Wien, am