VwGH vom 10.09.2014, 2012/08/0155
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des E H in N, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 20, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. BMASK-426872/0001-II/A/3/2011, betreffend Pflichtversicherung nach dem GSVG (mitbeteiligte Partei:
Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum bis der Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG unterlegen ist.
Nach Darlegung des bisherigen Verfahrensganges und der Rechtslage stellte sie begründend fest, dass der Beschwerdeführer unbestritten am Stichtag nach § 3 Abs. 3 GSVG versichert gewesen sei. Im hier streitgegenständlichen Zeitraum des Jahres 2009 sei er geschäftsführender Gesellschafter der E.H. SteuerberatungsgesmbH gewesen. Diese Gesellschaft sei auf seinen Antrag hin mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom aus dem Firmenbuch gelöscht und in ein nicht protokolliertes Einzelunternehmen umgewandelt worden. Der Einkommenssteuerbescheid des Finanzamtes Innsbruck vom weise für das Jahr 2009 Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit von EUR 13.759,07 auf.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, der Begriff "betriebliche Tätigkeit" sei kein eigenständig zu prüfendes Kriterium des § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG, sondern solle lediglich eine Abgrenzung zur (unentgeltlichen) privaten Tätigkeit schaffen und zur Klärung der zeitlichen Dimension der Tätigkeit, als Anknüpfungspunkt für die Feststellung vom Beginn und Ende der Pflichtversicherung dienen.
Die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG richte sich nach der Einkommenssteuerpflicht, sodass bei Vorliegen eines rechtskräftigen Einkommenssteuerbescheides, aus dem die Versicherungsgrenzen übersteigenden Einkünfte der im § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG genannten Art hervorgingen, Versicherungspflicht nach der zuletzt genannten Bestimmung bestehe, sofern auf Grund dieser Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach anderen Bestimmungen des GSVG oder nach einem anderen Bundesgesetz eingetreten sei.
Zum Einwand des Beschwerdeführers, dass die durch die Bestimmungen des Umgründungssteuergesetzes eingeflossenen Einkünfte des Jahres 2009 im Sozialversicherungsrecht nicht zu beachten seien, sei festzuhalten, dass eine Bindung der Sozialversicherungsträger und -behörden an im Einkommenssteuerbescheid festgestellte Einkünfte sehr wohl bestehe. Auch bei der Ermittlung der Beitragsgrundlage bestehe eine Bindung der Sozialversicherung an die Feststellungen im Einkommenssteuerbescheid. Darüber hinaus seien auch die Ausführungen der Vorinstanz hinsichtlich der Anwendung des § 273 Abs. 8 GSVG und der Auskunft durch die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft - wonach der darin normierte Ausnahmetatbestand auf den Beschwerdeführer nicht anzuwenden sei - zutreffend.
Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Dieser hat mit Beschluss vom , B 586/12-4, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
In der auftragsgemäß ergänzten Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch genauso wie die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen bzw. von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG sind selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinn der §§ 22 Z. 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 EStG 1988 erzielen, nach dem GSVG in der Krankenversicherung (und in der Pensionsversicherung) pflichtversichert, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung wiederholt darauf verwiesen, dass sich die Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG grundsätzlich nach der Einkommenssteuerpflicht richtet. Bei Vorliegen eines rechtskräftigen Einkommenssteuerbescheides, aus dem (die Versicherungsgrenzen übersteigende) Einkünfte der im § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG genannten Art hervorgehen, besteht nach dieser Bestimmung Versicherungspflicht, sofern die zugrundeliegende Tätigkeit im betreffenden Zeitraum (weiter) ausgeübt wurde (und auf Grund dieser Tätigkeit nicht bereits die Pflichtversicherung nach anderen Bestimmungen des GSVG oder nach einem anderen Bundesgesetz eingetreten ist). Ob die von der zuständigen Abgabenbehörde getroffene einkommenssteuerrechtliche Beurteilung zutreffend ist, ist im Verfahren betreffend die Pflichtversicherung nach dem GSVG nicht (mehr) zu prüfen (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , 2013/08/0012, sowie vom , 2005/08/0139).
Voraussetzung für die Pflichtversicherung ist, dass im zu beurteilenden Zeitraum eine betriebliche Tätigkeit (noch) vorliegt, und damit auch, dass eine betriebliche Tätigkeit überhaupt aufgenommen wurde.
2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er im verfahrensgegenständlichen Zeitraum geschäftsführender Gesellschafter der E.H. SteuerberatungsgmbH gewesen ist, die am aus dem Firmenbuch gelöscht und in ein nicht protokolliertes Einzelunternehmen umgewandelt wurde. Unstrittig ist weiters, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2009 Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielt hat.
Der Beschwerdeführer will vielmehr darauf hinaus, dass es sich bei den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit ausschließlich um Einkünfte der gelöschten E.H. SteuerberatungsgmbH gehandelt und er selbst in Wahrheit keine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielt habe, weshalb die Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG nicht gegeben seien. Eine Bindung des GSVG an das EStG in diesem Punkt sei weder gesetzlich normiert noch aus der Rechtsprechung des VwGH ableitbar. Lediglich auf Grund einer Bestimmung des Umgründungssteuergesetzes würden im vorliegenden Fall die Einkünfte der E.H. SteuerberatungsgmbH rückwirkend als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit gelten.
Mit dieser Argumentation vermag die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen:
Die Kriterien der "neuen Selbständigkeit" werden im § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG damit umschrieben, dass es sich 1. um selbständig erwerbstätige Personen handelt, die 2. auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit 3. bestimmte Arten von Einkünften im Sinn des EStG 1988 beziehen.
Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die Feststellungen der belangten Behörde, sondern vielmehr gegen ihre Beurteilung, dass er selbst Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit bezogen hat.
3. Unstrittig war der Beschwerdeführer bis zur Umwandung der GmbH in das nicht protokollierte Einzelunternehmen als geschäftsführender Gesellschafter der GmbH tätig.
Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass der Beschwerdeführer (als Steuerberater) im Jahr 2009 Mitglied der Kammer der Wirtschaftstreuhänder war. Damit fällt eine allfällige Pflichtversicherung der Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter nach § 2 Abs. 1 Z. 3 GSVG aus, zumal die Mitgliedschaft der Kammern der gewerblichen Wirtschaft Voraussetzung für die Begründung der Versicherungspflicht nach dieser gesetzlichen Bestimmung wäre.
Nach § 65 Abs. 3 Wirtschaftstreuhandberufsgesetz hat die Geschäftsführung und die Vertretung nach außen durch Berufsberechtigte, die zur selbständigen Ausübung ihrer Berufsbefugnis berechtigt sind, zu erfolgen. Schon unter diesem Gesichtspunkt war der Beschwerdeführer als Steuerberater und geschäftsführender Gesellschafter der GmbH selbständig erwerbstätig. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch schon mehrfach ausgesprochen, dass Geschäftsführer einer GmbH als "selbständig erwerbstätig" (auch im Sinn des § 12 AlVG) gelten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2010/08/0036, mwN). Damit zählt er zu dem in § 2 Abs. 1 Z 4 leg. cit. genannten Personenkreis.
Nach der Umwandlung der GmbH und deren Löschung war der Beschwerdeführer als nicht protokollierter Einzelunternehmer selbständig erwerbstätig.
Folglich gilt der Beschwerdeführer im gesamten Jahr 2009 als selbständig erwerbstätig.
Wenn der Beschwerdeführer darauf hinaus will, dass es sich bei den aus dem rechtskräftigen Einkommenssteuerbescheid ableitbaren Einkünften aus selbständiger Tätigkeit in Wahrheit nicht um seine sondern jene der gelöschten E.H. SteuerberatungsgmbH handle, ist ihm entgegenzuhalten, dass die mit dem rechtskräftigen Einkommenssteuerbescheid getroffene Zuordnung der Einkünfte zu den Einkunftsarten gemäß § 2 Abs. 3 EStG 1988 auch die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt bindet (vgl. das Erkenntnis vom , 2003/08/0146). Als Einkünfte aus einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit gelten auch die Einkünfte als Geschäftsführer und die Einkünfte des zu einem Geschäftsführer bestellten Gesellschafters der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2011/08/0051).
Zusammengefasst war somit der Beurteilung der belangten Behörde, die Versicherungspflicht des Beschwerdeführers für das gesamte Jahr 2009 nach § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG anzunehmen, nicht entgegenzutreten.
Soweit der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde habe die Bestimmung des § 273 Abs. 8 GSVG falsch angewendet und er somit unter den Ausnahmetatbestand zu subsumieren wäre, ist Folgendes auszuführen:
§ 273 Abs. 8 GSVG lautet:
"Von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 4 sind Personen ausgenommen, die am das Anfallsalter für eine vorzeitige Alterspension wegen Erwerbsunfähigkeit (geminderter Arbeitsfähigkeit) erreicht haben. Das gilt nicht für Personen, die am gemäß § 3 Abs. 3 oder § 4 Abs. 3 ASVG in der am geltenden Fassung versichert waren".
Die Feststellung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer am Stichtag nach § 3 Abs. 3 GSVG versichert war, blieb unbekämpft. Dem Wortlaut der zitierten Bestimmung folgend gilt aber der Ausnahmetatbestand des § 273 Abs. 8 GSVG für die zuletzt genannte Personengruppe nicht. Davon ausgehend hat die Behörde die angezogene Bestimmung richtig angewendet. Vielmehr wirft der Beschwerdeführer verfassungsrechtliche Bedenken auf, die bereits der Verfassungsgerichtshof nicht geteilt hat.
Wenn der Beschwerdeführer zuletzt moniert, er hätte die rückwirkende Einbringung der GmbH in sein protokolliertes Einzelunternehmen unterlassen, wenn er zuvor vom Sozialversicherungsträger eine rechtsrichtige Auskunft erhalten hätte, nämlich dahingehend, dass er dem Ausnahmetatbestand des § 273 Abs. 8 GSVG nicht unterliege und die falsche Beauskunftung ursächlich für die Beitragsnachzahlungspflicht des Beschwerdeführers sei, ist ihm zu entgegnen, dass im Falle von Fehlauskünften durch staatliche Organe, die zum Eintritt eines Schadens geführt haben, derartiges lediglich im Wege der Amtshaftung geltend gemacht werden könnte.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am