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VwGH vom 30.06.2016, Ra 2016/21/0050

VwGH vom 30.06.2016, Ra 2016/21/0050

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision der D N in S, vertreten durch MMag. Michael Krenn, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neustiftgasse 3/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , G301 2113197-1/4E, betreffend Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Die 1982 geborene Revisionswerberin ist serbische Staatsangehörige. Sie reiste 1991 nach Österreich ein, wo ihr schließlich Aufenthaltstitel, zuletzt im Jahr 2003 ein Niederlassungsnachweis, erteilt wurden.

2 Die Revisionswerberin wurde straffällig. Wegen Verstoßes gegen das SMG wurde sie zunächst im Dezember 2007 zu einer zwölfmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, wovon ein Teil von zehn Monaten bedingt nachgesehen wurde. Nach ihrer Entlassung aus der Haft am setzte die Revisionswerberin jedoch ihre Tätigkeit als Suchtgiftdealerin fort, wobei sie mit einem Mittäter u.a. zwischen April 2008 und Ende 2008 zumindest 750 g höchstwertiges Heroin gewinnbringend verkaufte. Außerdem bestellte sie im Herbst 2008 weitere 1000 g hochwertiges Heroin, das aus Mazedonien nach Österreich eingeführt werden sollte. Zur Finanzierung des geplanten Heroinimports kam sie auf die Idee, ihren früheren Arbeitgeber zu berauben, wozu sie dann weitere Mittäter anstiftete. Insbesondere wegen dieser Tathandlungen wurde die Revisionswerberin in der Folge mit - rechtskräftigem - Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter und sechster Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, des Verbrechens des versuchten Suchtgifthandels nach § 15 StGB, § 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG und des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1 StGB als Bestimmungstäterin (§ 12 zweiter Fall StGB) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt. Außerdem widerrief das Strafgericht die im ersten Strafurteil ausgesprochene bedingte Strafnachsicht. Insgesamt umfasste die Haft damit fünf Jahre, welche die Revisionswerberin zur Gänze verbüßte.

3 Im Hinblick auf das strafbare Verhalten der Revisionswerberin war gegen sie 2009, zumal sie sich im Hinblick auf die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe nicht auf eine Aufenthaltsverfestigung nach dem damaligen § 61 Z 3 FPG berufen konnte, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. In Befolgung desselben reiste sie unmittelbar nach ihrer Haftentlassung am unter Gewährung von Rückkehrhilfe nach Serbien aus.

4 Noch vor ihrer Haftentlassung hatte die Revisionswerberin einen Antrag auf Aufhebung des verhängten Aufenthaltsverbotes gestellt. Diesen Antrag begründete sie im Wesentlichen damit, dass sie die für die begangenen Straftaten verantwortliche Suchtmittelabhängigkeit mittlerweile überwunden habe. Vor allem aber wäre nach der aktuellen Rechtslage (mit Inkrafttreten des FrÄG 2011 am ) eine nunmehr "absolute" Aufenthaltsverfestigung eingetreten und erweise sich das Aufenthaltsverbot - weil ihr vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die österreichische Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können - seither somit als unzulässig.

5 In Erledigung einer Säumnisbeschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) diesen Aufhebungsantrag gemäß § 69 Abs. 2 FPG als unbegründet ab. Außerdem sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Über die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen:

6 Die Revision ist zulässig. Die Revisionswerberin hat sich schon im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht auf eine neu eingetretene Aufenthaltsverfestigung nach dem (nunmehrigen) § 9 Abs. 4 BFA-VG berufen. Dem ist das BVwG im Ergebnis nicht gefolgt, obwohl der Verwaltungsgerichtshof zur entsprechenden Vorgängerbestimmung - zu § 64 Abs. 1 FPG in der vom bis zum geltenden Fassung des FrÄG 2011 - erkannt hat, die Neufassung dieser Aufenthaltsverfestigung müsse bei der Beurteilung, ob es zur Aufhebung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu kommen habe, Beachtung finden (vgl. dazu insbesondere das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/18/0052). Zur Frage, ob das auch am Boden des aktuellen § 9 Abs. 4 BFA-VG zu gelten habe, gibt es noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

7 Der mit an die Stelle des genannten § 64 Abs. 1 FPG tretende § 9 Abs. 4 BFA-VG lautet seit (Inkrafttreten des FrÄG 2015) wie folgt:

"Schutz des Privat- und Familienlebens

§ 9.

...

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist."

8 Gemäß ihrem Einleitungssatz bezieht sich die zitierte Bestimmung lediglich auf Drittstaatsangehörige, also auf Fremde, die nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind (§ 2 Abs. 1 Z 20b AsylG 2005 iVm § 2 Abs. 2 BFA-VG). Demzufolge wird dann auch als einzige aufenthaltsbeendende Maßnahme, die in den Fällen der Z 1 und 2 nicht erlassen werden darf, eine Rückkehrentscheidung angesprochen. Dessen ungeachtet kann es aber zur Vermeidung von sonst nicht auflösbaren Wertungswidersprüchen nicht zweifelhaft sein, dass § 9 Abs. 4 BFA-VG über seinen Wortlaut hinaus - entsprechend modifiziert verstanden (im Einzelnen muss hier aber nicht näher darauf eingegangen werden) - auch jenen Personenkreis umfasst, gegen den eine Ausweisung nach § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot nach § 67 FPG in Betracht käme (also EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige; siehe in diesem Sinn Punkt 7.3. der Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom , Zl. 2011/22/0264).

9 § 9 Abs. 4 BFA-VG normiert demnach allgemein, wann trotz einer von einem Fremden ausgehenden Gefährdung eine aufenthaltsbeendende Maßnahme keinesfalls erlassen werden darf. In ihrer aktuellen Fassung stellt diese Bestimmung den - vorläufigen -

Schlusspunkt einer Entwicklung dar, die durch den Wechsel zwischen absolut und relativ gefassten Aufenthaltsverfestigungstatbeständen (relativ in dem Sinn, dass es ergänzend noch darauf ankommt, dass dem Fremden keine spezifische Gefährdungen anzulasten sind) gekennzeichnet ist. Im vorliegenden Zusammenhang ist ihre - relative - Ausgestaltung in der Stammfassung des FPG, in dessen damaligem § 61, von Bedeutung. So hieß es im § 61 Z 3 und 4 FPG bis zum Inkrafttreten des FrÄG 2011 am wie nachstehend:

"Unzulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes

§ 61. Ein Aufenthaltsverbot darf nicht erlassen werden, wenn

...

3. dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mindestens einer unbedingten einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden oder er würde einen der in § 60 Abs. 2 Z 12 bis 14 bezeichneten Tatbestände verwirklichen;

4. der Fremde von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als einer unbedingten zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden oder würde einen der in § 60 Abs. 2 Z 12 bis 14 bezeichneten Tatbestände verwirklichen."

10 Anders als nach dem nunmehrigen § 9 Abs. 4 BFA-VG stand die Verhängung von eine bestimmte Dauer übersteigenden Freiheitsstrafen also einer Aufenthaltsverfestigung entgegen.

11 Regelungen über die Aufhebung aufenthaltsbeendender Maßnahmen enthält das FPG im - nunmehrigen - § 60 und im § 69. Im vorliegenden Fall geht es um ein im Jahr 2009 nach dem - damaligen - § 60 FPG erlassenes (unbefristetes) Aufenthaltsverbot. Bezüglich solcher Aufenthaltsverbote sieht die Übergangsbestimmung des § 125 Abs. 16 FPG vor, dass sie bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig bleiben. Sie können aber nach § 69 Abs. 2 FPG aufgehoben werden (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/21/0159).

12 Die Frage nach der Aufhebung des gegen die Revisionswerberin verhängten Aufenthaltsverbotes ist somit auf Grundlage des § 69 Abs. 2 FPG zu beantworten. Diese Vorschrift (in der Fassung des am in Kraft getretenen FNG) sieht vor:

"Gegenstandslosigkeit und Aufhebung

§ 69.

...

(2) Ein Aufenthaltsverbot ist auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind."

13 Nach der - unverändert aufrechtzuerhaltenden - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Antrag nach § 69 Abs. 2 FPG auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung der Maßnahme eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Entscheidung über die Aufhebung einer solchen Maßnahme kann die Rechtmäßigkeit jenes Bescheides (Erkenntnisses), mit dem diese Maßnahme erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden. Eine Änderung der Rechtslage kann allerdings den Wegfall eines Grundes für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes darstellen und ist demnach bei der Prüfung der Zulässigkeit der Aufrechterhaltung eines Aufenthaltsverbotes zu berücksichtigen. Das heißt jedoch nicht, dass die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes schon dann zu erfolgen habe, wenn seine Erlassung bei fiktiver Geltung der aktuellen Rechtslage nicht möglich gewesen wäre (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/18/0267, Punkt 4.2. der Entscheidungsgründe).

14 Bei einer Entscheidung nach § 69 Abs. 2 FPG kommt es nach dem Gesagten auf Veränderungen der maßgebenden Umstände (zu Gunsten oder zu Lasten des Fremden) - einschließlich der Rechtslage - an. Stellt sich die Situation im Entscheidungszeitpunkt so dar, dass nunmehr in Anbetracht der aktuellen Verhältnisse keine - dem seinerzeitigen Aufenthaltsverbot entsprechende - aufenthaltsbeendende Maßnahme mehr erlassen werden dürfte, liegen also gegenwärtig die Voraussetzungen für die Verhängung einer entsprechenden aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht mehr vor, so wäre einem Aufhebungsantrag nach § 69 Abs. 2 FPG stattzugeben. Erbrächte die aktuelle Beurteilung dagegen das Ergebnis, es hätte auch aus derzeitiger Sicht eine aufenthaltsbeendende Maßnahme zu ergehen, müsste das Aufhebungsbegehren abgewiesen werden. (Naturgemäß hat es auch in der zweiten Konstellation nicht zur Erlassung einer neuen aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu kommen, die der jetzigen Systematik des Gesetzes gerecht wird.)

15 Vor diesem Hintergrund ist also in einem Fall wie dem vorliegenden zu fragen, ob gegen einen von einem "alten" Aufenthaltsverbot betroffenen Drittstaatsangehörigen ungeachtet aller seit Erlassung dieses Aufenthaltsverbotes eingetretenen Veränderungen aktuell eine Rückkehrentscheidung (samt Einreiseverbot) ergehen dürfte. In diese Beurteilung ist abstrakt betrachtet zwar auch § 9 Abs. 4 BFA-VG miteinzubeziehen, der zuletzt mit dem FrÄG 2015 zwar - zum Teil - verschärft wurde, der im Verhältnis zur korrespondierenden Regelung vor dem FrÄG 2011 (§ 61 Z 3 und 4 FPG in der Stammfassung) aber jedenfalls eine für Fremde günstigere Regelung trifft; die Verhängung von Freiheitsstrafen in bestimmter Dauer schließt die Anwendbarkeit dieser Aufenthaltsverfestigungsbestimmung nämlich nicht mehr aus. Das einleitende Tatbestandsmerkmal, dass sich der Drittstaatsangehörige auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, kann allerdings bei gesetzeskonformem Vollzug nie erfüllt sein, hatte das aufrechte Aufenthaltsverbot doch die Ungültigkeit eines allenfalls davor Bestand habenden Aufenthaltstitels zur Folge (§ 10 Abs. 1 NAG). Im Ergebnis kann sich daher ein von einem "alten" Aufenthaltsverbot betroffener Drittstaatsangehöriger im Aufhebungsverfahren nicht mit Erfolg auf die Verfestigungstatbestände des § 9 Abs. 4 BFA-VG - weil es insofern gegenüber den bei Erlassung des Aufenthaltsverbots geltenden Regelungen zu einer aus seiner Sicht günstigen Änderung der Rechtslage gekommen sei - berufen. Das liefe nämlich in Anbetracht der genannten, für die Anwendung der Verfestigungstatbestände erforderlichen Voraussetzung, dass sich der Drittstaatsangehörige auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, auf die Prüfung hinaus, ob das Aufenthaltsverbot bei fiktiver Geltung der gegenwärtigen Rechtslage hätte erlassen werden dürfen. Dieses Konzept liegt § 69 Abs. 2 FPG, wie schon oben ausgeführt, allerdings nicht zu Grunde (siehe demgegenüber die Regelung des seinerzeitigen § 114 Abs. 3 zweiter Satz Fremdengesetz 1997, wonach noch gültige "alte" Aufenthaltsverbote auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben waren, wenn sie nach den Bestimmungen des am in Kraft getretenen Fremdengesetzes 1997 nicht hätten erlassen werden können; zur gegenüber § 44 Fremdengesetz 1997 - entspricht im Wesentlichen dem nunmehrigen § 69 Abs. 2 FPG - unterschiedlichen Zielrichtung dieser Bestimmung siehe etwa das schon im Aufhebungsantrag der Revisionswerberin angeführte hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/18/0306, mit Hinweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 98/18/0408).

16 Es ist einzuräumen, dass der Verwaltungsgerichtshof im Ergebnis entgegen dem eben Gesagten zur Rechtslage nach dem FrÄG 2011 (mit dem an die Stelle des ursprünglichen § 61 Z 3 und 4 FPG ab dem § 64 Abs. 1 Z 1 und 2 FPG getreten ist, der - ähnlich dem nunmehrigen § 9 Abs. 4 BFA-VG - eine gegenüber dem vorangegangenen Regime günstigere Regelung enthielt) judizierte, das angesprochene Tatbestandselement, "dass sich der Drittstaatsangehörige auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält", sei im Rahmen des § 69 Abs. 2 FPG bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes zu prüfen (so insbesondere das schon genannte Erkenntnis vom , Zl. 2012/18/0052, sowie daran anschließende Folgejudikatur). Das rechtfertigte der Verwaltungsgerichtshof damit, dass andernfalls auch solche Fremde, die der Gesetzgeber nunmehr "absolut" vor einer Aufenthaltsbeendigung schützen wolle, die Außerlandesschaffung in ein Land, das nicht als ihre "Heimat" betrachtet werden kann, drohen würde.

17 Auf die gegenwärtige Rechtslage kann das allerdings nicht übertragen werden. Einerseits ist § 9 Abs. 4 BFA-VG klar gegenwartsbezogen formuliert, sodass hinsichtlich des rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet schon vom Wortlaut der Bestimmung her kaum Raum für eine (auch) auf die Vergangenheit abstellende Betrachtungsweise bleibt. Das wird besonders deutlich, wenn man die unstrittige "Grundkonstellation" des § 9 Abs. 4 BFA-VG, nämlich die (erstmalige) Verhängung einer Rückkehrentscheidung, vor Augen hat. Darauf, ob eine Rückkehrentscheidung (samt Einreiseverbot) aktuell erlassen werden könnte, kommt es aber (siehe oben) auch bei der Prüfung nach § 69 Abs. 2 FPG an, wobei ergänzend anzufügen ist, dass sich diese Frage quasi postwendend für den Fall der Aufhebung eines "alten" Aufenthaltsverbotes neu stellen würde. Andererseits trifft es zwar sicherlich zu, dass der Gesetzgeber nunmehr entsprechend verfestigte Fremde "absolut" (im Fall des § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG mit hier nicht in Betracht kommenden Einschränkungen) vor Aufenthaltsbeendigung schützen will. Ist es allerdings gemäß der alten, bis geltenden Rechtslage zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gekommen, so dürfte der Gesetzgeber wohl ebenso selbstverständlich - jedenfalls im Rahmen des hier zu beurteilenden § 9 Abs. 4 BFA-VG - davon ausgegangen sein, dass es mittlerweile auch zu einem Vollzug dieses Aufenthaltsverbotes gekommen ist. Von daher ist die Außerlandesschaffung in ein faktisch "fremdes" Land, die mit der dargestellten Auslegung des § 64 Abs. 1 in der Fassung des FrÄG 2011 hintangehalten werden sollte, nicht mehr aktuell. Besonderen Konstellationen - etwa einer dennoch eingetretenen Vertiefung der Beziehungen zu Österreich - wäre ohnehin im Rahmen der konkret vorzunehmenden Interessenabwägung nach den ersten Absätzen des § 9 BFA-VG Rechnung zu tragen. Für ein über den Wortlaut des § 9 Abs. 4 BFA-VG hinausgehendes Verständnis dieser Bestimmung besteht daher kein Bedürfnis. Auf die dort normierten Verfestigungstatbestände kann sich daher nur berufen, wer sich "auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält", was auf Drittstaatsangehörige, gegen die ein "altes" Aufenthaltsverbot besteht, in aller Regel nicht zutrifft.

18 Auch im vorliegenden Fall erfüllt die Revisionswerberin diese Voraussetzung nicht. Entgegen der in der Revision zentral vertretenen Ansicht kann sie sich mithin nicht mit Erfolg auf § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG stützen.

19 Aber auch sonst sind keine Umstände erkennbar, die die begehrte Aufhebung des Aufenthaltsverbotes tragen könnten. Insbesondere vermag die geltend gemachte Überwindung der Suchtmittelabhängigkeit noch nicht zu einer für die Revisionswerberin günstigen Prognose zu führen. Zutreffend hat das BVwG mit Blick auf den raschen Rückfall nach der ersten Verurteilung aus dem Dezember 2007, den begangenen massiven Suchtgifthandel und die geplante und auf Bereicherung gerichtete Vorgangsweise der Revisionswerberin, der in diesem Zusammenhang überdies die Bestimmung zu einem versuchten Raub anzulasten ist, ausgeführt, die Zeit seit der Entlassung aus der Strafhaft und der Ausreise aus Österreich (November 2013) sei noch als zu kurz anzusehen, um einen Wegfall oder eine entscheidungserhebliche Minderung der von der Revisionswerberin ausgehenden Gefahr annehmen zu können.

20 Was die privaten und familiären Verhältnisse der Revisionswerberin anlangt, so wurde im Aufhebungsantrag zwar darauf verwiesen, dass sich in Österreich die "Kernfamilie" der Revisionswerberin befinde und dass sie bereits als neunjähriges Kind nach Österreich gekommen sei. Mit der "Kernfamilie" hat die unbestritten ledige und kinderlose Revisionswerberin allerdings "nur" ihre Eltern angesprochen. Diese befanden sich allerdings bereits im Zeitpunkt der Erlassung des Aufenthaltsverbotes in Österreich. Insoweit ist es zu keiner Verstärkung der privaten und familiären Beziehungen der Revisionswerberin zu Österreich gekommen. Eine derartige Verdichtung ist auch sonst - zumal angesichts dessen, dass sich die Revisionswerberin seit ihrer Haftentlassung im November 2013 in Serbien befindet - nicht zu sehen. Auch die Revision vermag in diesem Zusammenhang nur mehr Fortbildungsmaßnahmen während der Strafhaft der Revisionswerberin ins Treffen zu führen, die für sich betrachtet (Englischkenntnisse und Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Restaurantfachfrau) aber keine maßgebliche Verstärkung der Anknüpfungspunkte zu Österreich ergeben.

21 Vor diesem Hintergrund geht schließlich auch der Vorwurf fehl, das BVwG hätte im vorliegenden Fall eine Verhandlung durchführen müssen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die von einem Mitarbeiter einer Flüchtlingshilfeorganisation vertretene Revisionswerberin eine derartige Verhandlung gar nicht beantragt hatte. Im Übrigen ist § 9 Abs. 5 FPG einschlägig, wonach eine mündliche Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht unterbleiben kann, wenn der Beschwerdeführer nicht zur Einreise nach Österreich berechtigt ist und wenn der Sachverhalt abschließend feststeht. Beide Voraussetzungen trafen hier zu, weil der Revisionswerberin kein Visum zur Wiedereinreise nach § 26a FPG eingeräumt worden war (sie hatte ein solches offensichtlich auch gar nicht beantragt) und weil (siehe oben) von vornherein keine maßgeblichen "Änderungstatsachen" geltend gemacht worden waren.

22 Zusammenfassend erweist sich die erhobene Revision damit als nicht berechtigt. Sie war sohin, angesichts der neuen Rechtslage ohne dass es der Befassung eines verstärkten Senates bedurft hätte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/16/0072), gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am