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VwGH vom 29.04.2011, 2010/02/0256

VwGH vom 29.04.2011, 2010/02/0256

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des O L in H, vertreten durch Ing. Dr. Stefan Krall und Dr. Oliver Kühnl, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Anton Melzer-Straße 9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. uvs-2010/33/1798-2, betreffend Übertretung des FSG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am um 22.53 Uhr an einem näher genannten Ort einen dem Kennzeichen nach näher bestimmten PKW mit einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,25 mg/l gelenkt, obwohl das Lenken von Kraftfahrzeugen nur erlaubt sei, wenn der Alkoholgehalt der Atemluft weniger als 0,25 mg/l betrage.

Er habe dadurch eine Übertretung nach § 37a i.V.m. § 14 Abs. 8 FSG begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe von EUR 90.--

(Ersatzfreiheitsstrafe 9 Tage) verhängt wurde.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird u. a. ausgeführt, der Beschwerdeführer sei der Aufforderung zu einem Vortest nachgekommen und es sei als Ergebnis des Vortestes um 22.45 Uhr ein Atemalkoholgehalt von 0,29 mg/l registriert worden. Aufgrund dieses Ergebnisses sei der Beschwerdeführer zur Atemluftmessung mit dem Alkomaten aufgefordert worden. Dieser Aufforderung sei er nachgekommen und es seien zwei gültige Ergebnisse zustande gekommen, laut Messprotokoll um 23.17 Uhr mit 0,26 mg/l und um 23.18 Uhr und um 23.18 Uhr mit je 0,25 mg/l.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

In der Beschwerde wird u.a. eingewendet, es könne nicht gesichert vom Überschreiten der 0,25 mg/l Grenze ausgegangen werden, weil die Eich- bzw. Verkehrsfehlergrenze zu berücksichtigen seien; es könne mangels Erreichens der 0,4 mg/l keine Blutuntersuchung im Sinne des § 5 Abs. 8 StVO 1960 bei einem Krankenhausarzt verlangt werden. Die Behörde habe sich mit dieser Thematik nicht wirklich beschäftigt. Es finde sich lediglich die nicht überprüfbare Begündungsbehauptung, dass die Messtoleranz bzw. die Verkehrs- und Eichfehlergrenzen bei der Eichung berücksichtigt worden seien.

Es seien weder der Eichschein noch die Zulassung/Kalibrierung/Bedienungsanleitung noch das begehrte messtechnische Gutachten eingeholt worden. Demnach könnten das Ausmaß der Messtoleranz, Eichfehlergrenzen und Verkehrsfehlergrenzen nicht abschließend beurteilt werden. Tatsache sei, dass das gegenständliche Messgerät eine Messtoleranz von 0,01 mg/l und eine Verkehrsfehlergrenze/Eichfehlergrenze von 0,02 mg/l aufweise. Bei Berücksichtigung dieser Umstände sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer das Fahrzeug mit weniger als 0,25 mg/l gelenkt habe.

Gemäß § 14 Abs. 8 FSG darf ein Kraftfahrzeug nur in Betrieb genommen oder gelenkt werden, wenn beim Lenker der Alkoholgehalt des Blutes weniger als 0,5 g/l (0,5 Promille) oder der Alkoholgehalt der Atemluft weniger als 0,25 mg/l beträgt. Bestimmungen, die für den betreffenden Lenker geringere Alkoholgrenzwerte festsetzen, bleiben unberührt.

§ 5 Abs. 1 und 2 StVO 1960 lauten:

"(1) Wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.

(1a) …

(2) Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen,

1. die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, oder

2. bei denen der Verdacht besteht, dass ihr Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht,

auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen."

§ 5 Abs. 8 StVO 1960 lautet:

"Ein bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabender Arzt hat eine Blutabnahme zum Zweck der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes vorzunehmen, wenn eine Person


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1.
zu diesem Zweck zu ihm gebracht wurde oder
2.
dies verlangt und angibt, bei ihr habe eine Untersuchung nach Abs. 2 eine Alkoholbeeinträchtigung ergeben.
Der Arzt hat die Blutprobe der nächstgelegenen Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu übermitteln und dieser im Fall der Z 2 Namen, Geburtsdatum und Adresse des Probanden sowie den Zeitpunkt der Blutabnahme bekanntzugeben. Weiters hat der Arzt eine Blutabnahme vorzunehmen, wenn eine Person zu diesem Zweck zu ihm gebracht wurde, weil bei einer Untersuchung (Abs. 9) eine Beeinträchtigung festgestellt wurde, die auf eine Suchtgifteinnahme schließen lässt; die Blutprobe ist der nächstgelegenen Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu übermitteln. Übermittelte Blutproben sind durch ein Institut für gerichtliche Medizin oder eine gleichwertige Einrichtung zu untersuchen. Die Blutprobe darf nicht durch den Probanden selbst übermittelt werden."
Der Wortlaut des § 5 Abs. 8 Z. 2 StVO 1960 schränkt entgegen den Beschwerdebehauptungen nicht darauf ein, dass diese Bestimmung nur bei einer Übertretung im Sinne des § 5 Abs. 1 leg. cit. (also bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber) anzuwenden wäre. Vielmehr ist nach § 5 Abs. 8 Z. 2 StVO 1960 lediglich erforderlich, dass die betreffende Person angibt, dass eine Untersuchung nach § 5 Abs. 2 StVO 1960 eine Alkoholbeeinträchtigung ergeben hat.
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass auch bei einer Alkoholisierung im Bereich zwischen 0,5 und 0,8 Promille Blutalkoholgehalt eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit bei Lenkern auftritt, weshalb ein entsprechendes Verbot des Lenkens und Inbetriebnehmens von Kraftfahrzeugen in § 14 Abs. 8 FSG verfügt wurde. Unter den Begriff einer "Alkoholbeeinträchtigung" im Sinne des § 5 Abs. 8 Z. 2 StVO 1960 können daher auch jene Fälle subsumiert werden, in denen beim Lenker eine Alkoholisierung nach § 14 Abs. 8 FSG festgestellt wurde. Dies zeigt sich auch schon dadurch, dass § 5 Abs. 2 und 2a StVO 1960 unter anderem sogar auf Begleiter von Ausbildungsfahrten gemäß § 19 Abs. 3 und 6 FSG anzuwenden ist (vgl. § 5 Abs. 2b Z. 2 StVO 1960); umso mehr muss dies für einen Lenker (auch ohne Begleiter) selbst gelten.
Gerade weil der Proband - wie soeben dargelegt - auch im Falle einer Übertretung des § 14 Abs. 8 FSG die Möglichkeit hat, bei vermuteten "Messungenauigkeiten" (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/02/0235) eine Blutabnahme zu veranlassen (vgl. § 5 Abs. 8 Z. 2 StVO) und damit den Gegenbeweis zum gemessenen Atemluftalkoholgehalt zu erbringen, geben auch Rechtsschutzüberlegungen keinen Anlass, einen "Abzug von Fehlergrenzen" für erforderlich zu erachten (vgl. das zu einer Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960 ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/02/0142).
Es gehen daher die Beschwerdeausführungen, soweit sie sich mit dem Abzug einer Messtoleranz bzw. von Eich- und Verkehrsfehlergrenzen befassen, ins Leere. Ferner bedurfte es angesichts der dargelegten möglichen Widerlegung des Messergebnisses durch eine Blutalkoholuntersuchung im Sinne des § 5 Abs. 8 StVO 1960 entgegen den Beschwerdebehauptungen keiner Einholung eines messtechnischen Gutachtens etwa zur Frage eines Programmfehlers bei der Aufrundung des Messergebnisses im dritten Kommabereich. Angesichts des möglichen Gegenbeweises durch eine Blutalkoholuntersuchung im Sinne des § 5 Abs. 8 StVO 1960 bedurfte es entgegen den Beschwerdebehauptungen ferner keiner Berücksichtigung von "wissenschaftlich fundierten Konversionsfaktoren" bzw. einer "wissenschaftlich nachgewiesenen Resorption".
Der Einwand der Beschwerde, eine gesetzeskonforme Eichung des zur Atemalkoholuntersuchung verwendeten Geräts sei im Verwaltungsstrafverfahren nicht nachgewiesen worden, führt die Beschwerde aber zum Erfolg. Es ist es im Interesse der Verlässlichkeit eines zu einem Tatvorwurf führenden Messergebnisses unerlässlich, dass die Messung mit einem geeichten Gerät erfolgt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/03/0287, m.w.N.). Damit setzt eine Bestrafung in einem Fall wie dem vorliegenden voraus, dass kein Zweifel daran besteht, dass das zur Kontrolle der Atemluft verwendete Gerät dem Gesetz entsprechend geeicht war. Dazu enthält der angefochtene Bescheid aber keine Feststellungen, sondern lediglich den Hinweis, dass es sich bei der vom Beschwerdeführer begehrten Einholung des Eichscheines bzw. der Bestätigung der Kalibrierung um unzulässige Erkundungsbeweise handle. Eine Eichung oder eine eichamtliche Bestätigung darüber, dass der verwendete Alkomat im Tatzeitpunkt die erforderliche Eichung aufgewiesen hätte, ist auch in den Verwaltungsstrafakten nicht enthalten. In den vorgelegten Verwaltungsakten befindet sich vielmehr lediglich (in der Anzeige) die Angabe "nächste Überprüfung: 04/10".
Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben. Es erübrigt sich daher auch, auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil mit dem Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand auch die Umsatzsteuer abgegolten wird.
Wien, am

Fundstelle(n):
YAAAE-71300