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VwGH vom 26.09.2006, 2004/21/0285

VwGH vom 26.09.2006, 2004/21/0285

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des W, vertreten durch Edward W. Daigneault, Solicitor in 1170 Wien, Hernalser Gürtel 47/4 (im Einvernehmen mit Mag. Dr. Andreas Nödl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Salztorgasse 2/11), gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-01/35/8540/2004/4, betreffend Festnahme und Anhaltung in Schubhaft (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm die Beschwerde wegen behaupteter Rechtswidrigkeit der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit dem ,

20.15 Uhr, als unbegründet abgewiesen und festgestellt wurde, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die an sie gerichtete Beschwerde wegen Festnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft gemäß § 73 Abs. 1, 2 und 4 FrG in Verbindung mit § 67c Abs. 3 AVG ab und stellte fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde - auf das Wesentlichste zusammengefasst - aus, der am geborene Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, sei am illegal nach Österreich eingereist und habe in der Folge Asyl beantragt. Das Asylverfahren sei beendet worden, nachdem er am seine Berufung gegen den abweisenden erstinstanzlichen Asylbescheid zurückgezogen habe.

Bereits mit Bescheid vom habe die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf über ihn gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z. 7 FrG ein bis befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, das unbekämpft in Rechtskraft erwachsen sei.

Am habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsangehörige geheiratet. Am habe er -unter Bezugnahme hierauf - beim Polizeikommissariat Favoriten eine Niederlassungsbewilligung gemäß § 49 Abs. 1 FrG beantragt. Dabei habe ihm die Behörde gemäß § 31 Abs. 4 FrG bestätigt, dass er "bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zum Aufenthalt im Bundesgebiet der Republik Österreich berechtigt" sei.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom sei der Beschwerdeführer wegen § 27 Abs. 1 und 2 Z. 2 erster Fall SMG zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe (davon sieben Monate bedingt nachgesehen) verurteilt worden. Er habe in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider dem X. drei Kugeln Kokain mit einem Bruttogewicht von 1,5 g und einem weiteren unbekannt gebliebenen Suchtgiftabnehmer eine Kugel Kokain mit 0,5 g Bruttogewicht zum Ankauf übergeben sowie im Februar 2004 wiederholt Suchtgift, nämlich Heroin und Kokain, erworben und besessen.

Der Beschwerdeführer habe sich vom 24. Februar bis zum in Untersuchungshaft und im Anschluss daran bis zum in Schubhaft befunden.

Am habe der Beschwerdeführer in einem von der Bundespolizeidirektion Wien eingeleiteten Verfahren zur (neuerlichen) Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eine Stellungnahme abgegeben, in der er auf sein Zusammenleben mit seiner österreichischen Ehefrau, wiederholte Berufstätigkeiten (zuletzt seit mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von EUR 1.337,--), seine soziale Integration und einen Freundeskreis verwiesen habe. Er wäre "bei der WGKK versichert" und würde "Ende dieses Monates" eine Gemeindewohnung bekommen.

Am sei der Beschwerdeführer um 16.05 Uhr in Wien im Zuge des Streifendienstes angehalten und einer Identitätsfeststellung gemäß § 35 Abs. 1 Z. 4 SPG unterzogen worden. Dabei habe eine EKIS-Personenanfrage ergeben, dass gegen den Beschwerdeführer ein aufrechtes Aufenthaltsverbot "mit Anlass 'öffentliche Sicherheit'" bestehe. Weiters habe der Beschwerdeführer keine Barmittel zum Unterhalt vorweisen können. Er habe, nach Zurückziehung seines Asylantrages, keine Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich bescheinigen können. Aus diesen Gründen sei die Festnahme gemäß § 110 Abs. 3 FrG erfolgt.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom sei über den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FrG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zur Sicherung der Zurückschiebung (§ 55 FrG) und der Abschiebung (§ 56 FrG) angeordnet und noch am selben Tag in Vollzug gesetzt worden. Begründend sei, neben dem Aufenthaltsverbot vom , angeführt worden, dass der Beschwerdeführer über keinen Aufenthaltstitel und keine Aufenthaltsberechtigung verfüge und ohne Nachweis ausreichender Mittel für seinen Unterhalt angetroffen worden sei. Die Verhängung der Schubhaft sei, unter Abstandnahme von der Anwendung gelinderer Mittel, zur Sicherung der fremdenpolizeilichen Verfahren notwendig, weil zu befürchten sei, dass sich der Beschwerdeführer den weiteren fremdenrechtlichen Verfahren bzw. Maßnahmen zu entziehen trachten werde, zumal er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei. Dieser Bescheid sei dem Beschwerdeführer am um 20.15 Uhr zugestellt worden. Seither habe er sich in Schubhaft befunden.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom sei gegen den Beschwerdeführer gemäß § 49 Abs. 1, § 48 Abs. 1 und § 39 Abs. 1 FrG ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Gemäß § 64 Abs. 2 AVG sei die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen und es sei gemäß § 48 Abs. 3 FrG kein Durchsetzungsaufschub gewährt worden, weil die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und nationalen Sicherheit erforderlich sei.

Rechtlich verwies die belangte Behörde zur Festnahme des Beschwerdeführers vom auf das aufrechte, am von der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf über den Beschwerdeführer verhängte Aufenthaltsverbot. Weiters habe dieser keine Barmittel zum Unterhalt vorweisen können, habe seinen Asylantrag zurückgezogen und auch keine sonstige Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich vorweisen können. Der Beschwerdeführer habe, obwohl er als begünstigter Drittstaatsangehöriger der Sichtvermerkspflicht unterliege, somit am weder einen Einreise- noch einen Aufenthaltstitel gehabt. Er habe sich somit nicht rechtmäßig in Österreich aufgehalten, woran auch der unrichtige Hinweis auf § 31 Abs. 4 FrG (in der Bestätigung seiner Antragstellung bezüglich einer Niederlassungsbewilligung) nichts zu ändern vermöge. Die auf § 110 Abs. 3 FrG gestützte Festnahme sei daher zu Recht erfolgt.

In der Begründung zur Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft verwies die belangte Behörde auf das mit Bescheid vom durchsetzbar verhängte Aufenthaltsverbot. Im Hinblick auf die Verurteilung des Beschwerdeführers nach dem SMG, die große Gefahr einer Wiederholung eines solchen deliktischen Verhaltens und die wiederholt zum Ausdruck gebrachte Ausreiseunwilligkeit lägen ausreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass die Überwachung der Ausreise im Grunde des § 56 Abs. 1 Z. 1 und 3 FrG notwendig sei. Mit der Erlassung eines neuerlichen Aufenthaltsverbotes sei bereits am zu rechnen gewesen, sodass sich die Inschubhaftnahme sowie die Anhaltung des Beschwerdeführers seit diesem Tag als nicht rechtswidrig erweise.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass das mit Bescheid vom über den Beschwerdeführer verhängte - bis befristete - Aufenthaltsverbot unverändert aufrecht war. Die auf § 31 Abs. 4 FrG gestützte Bestätigung des Polizeikommissariates Favoriten vom , dass der Beschwerdeführer bis zum rechtskräftigen Abschluss des damals eingeleiteten Verfahrens zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Aufenthalt im Bundesgebiet der Republik Österreich berechtigt sei, war deshalb und darüber hinaus wegen der erstmaligen Antragstellung unrichtig. Ein rechtsbegründender Abspruch über die Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid ist nach dem klaren Inhalt der Bestätigung vom nicht vorgelegen. Die dargestellte darin enthaltene Auskunft war somit unrichtig und konnte - entgegen der in der Beschwerde mehrfach geäußerten Ansicht - die Wirksamkeit des Aufenthaltsverbotes nicht beenden.

Der aus dem EKIS herrührende Informationsstand der am amtshandelnden Sicherheitsorgane war daher richtig. Auch aus den im Zusammenhalt mit ihren bei der Amtshandlung unmittelbar gewonnenen Wahrnehmungen war die Auffassung vertretbar, der Beschwerdeführer sei einer - nach Beendigung seines Asylverfahrens am schlagend gewordenen - Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen, halte sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf und werde daher bei einer Verwaltungsübertretung nach § 107 Abs. 1 Z. 1 und 4 FrG betreten. Die Vorführung vor die Behörde erwies sich demnach jedenfalls zur näheren Klärung des Sachverhaltes als unerlässlich im Sinn des § 110 Abs. 3 FrG. Die Beschwerde vermag insgesamt nicht begründet aufzuzeigen, warum die einschreitenden Beamten nicht von der Begehung der genannten Verwaltungsübertretung nach dem FrG ausgehen hätten dürfen, sodass sich die auf § 110 Abs. 3 FrG gestützte Festnahme bzw. der darüber ergangene Bescheidabspruch der belangten Behörde als nicht rechtswidrig darstellt (vgl. zum Ganzen etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2000/02/0037, vom , Zl. 2001/02/0022, und vom , Zl. 2003/01/0489).

Anderes gilt für die Beurteilung der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft:

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid - wie oben dargestellt - eine Eingabe des Beschwerdeführers vom referiert, in der er vorgebracht habe, dass er mit seiner österreichischen Ehefrau zusammen wohne, kontinuierlich unselbständig beschäftigt sei und inzwischen viele Freunde gefunden hätte. Da sie sich mit der daraus ableitbaren sozialen Integration des Beschwerdeführers, die eine Abstandnahme von der Schubhaft gemäß § 66 Abs. 1 FrG jedenfalls als möglich erscheinen lässt, nicht auseinander gesetzt hat, leidet der angefochtene Bescheid, der demgegenüber nur die "Ausreiseunwilligkeit" des Beschwerdeführers in den Vordergrund stellt, insoweit an einem Begründungsmangel (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/21/0301, einerseits sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/21/0039, andererseits).

Nach dem Gesagten kann der bekämpfte Bescheid insoweit, als er über die Voraussetzungen der Schubhaft abspricht, keinen Bestand haben. Er war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde hingegen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff, insbesondere auf § 50 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am

Fundstelle(n):
YAAAE-71284