VwGH vom 22.09.2011, 2007/18/0877
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des S P, vertreten durch Dr. Heinrich Vana, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Taborstraße 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 1813/05, betreffend Ausweisung gemäß § 54 FPG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer, ein bosnischer Staatsangehöriger, gemäß § 54 Abs. 1 Z. 1 und 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ausgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei erstmals am polizeilich betreten und festgenommen worden, als er sich nach seinen Behauptungen mit einem griechischen Visum C auf der Durchreise befunden habe. Er habe am eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und darauf gestützt die Erteilung eines Aufenthaltstitels beantragt. Da polizeiliche Ermittlungen den Verdacht des Vorliegens einer Scheinehe zunächst nicht erhärten hätten können, sei dem Beschwerdeführer ein bis zum gültiger Aufenthaltstitel erteilt und dieser bis verlängert worden.
In einem weiteren Verlängerungsverfahren hätten sich (am ) bei den Vernehmungen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau die im Bescheid der Behörde erster Instanz dargelegten, erheblichen Widersprüche ergeben, die zum Inhalt des angefochtenen Bescheides erklärt würden. Die Eheleute hätten über wesentliche, das Privat- und Familienleben des jeweils anderen Ehepartners betreffende Umstände nicht Bescheid gewusst. Weiters hätten sich erhebliche Differenzen hinsichtlich des Ablaufes des den Vernehmungen vorangegangenen Tages, des vorangegangenen Wochenendes und der angeblich erfolgten gegenseitigen Geschenke ergeben. Ebenso habe der Beschwerdeführer nicht gewusst, dass es in der Wohnung seiner Ehefrau kein Festnetztelefon gebe. Der Beschwerdeführer sei nur bis in der Wohnung seiner Ehefrau gemeldet gewesen und seither in seiner Wohnung in W, dem Nebenwohnsitz seiner Ehefrau, gemeldet. Wenn die Eheleute als Begründung für die beiden Wohnungen geltend machten, die Mutter der Ehefrau des Beschwerdeführers werde von dieser gepflegt und eine Wohnung sei daher zu klein, so stehe dies mit der Aktenlage insofern nicht in Übereinstimmung, als die Mutter der Ehefrau am verstorben sei. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer seine Wohnung bereits am angemietet, er sei dort jedoch erst mehr als ein Jahr später zur Anmeldung gelangt.
Der Beschwerdeführer sei somit eine Scheinehe eingegangen, um einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet zu erwirken. Seinem Vorbringen, die aufgezeigten Widersprüche seien mit ständigen Streitigkeiten und zeitweisen Trennungen auf Grund der nahezu ständigen Betreuung der Schwiegermutter durch die Ehefrau zu begründen, sei bereits angesichts des Sterbezeitpunktes der Schwiegermutter kein Glauben zu schenken. Auch die versuchte Relativierung der Widersprüche betreffend das erste Kennenlernen habe misslingen müssen, weil ein (erstmaliges) Kennenlernen bereits begrifflich nur einmal stattfinden könne.
Es sei als erwiesen anzusehen, dass der Beschwerdeführer die ihm erteilten Aufenthaltstitel durch das Eingehen einer Scheinehe, sohin durch rechtsmissbräuchliches Verhalten, erwirkt habe. Die von ihm ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung sei von solchem Gewicht, dass der im § 11 Abs. 2 Z. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG normierte Versagungsgrund verwirklicht sei, der der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels entgegenstehe. Bei Kenntnis dieser Umstände wären dem Beschwerdeführer auch die zuvor erteilten Aufenthaltstitel zu versagen gewesen. Die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung im Grunde des § 54 Abs. 1 FPG lägen daher vor.
Der Beschwerdeführer sei verheiratet und habe keine Sorgepflichten, familiäre Bindungen bestünden zu einem Bruder, der als Asylwerber in Österreich aufhältig und in der Wohnung des Beschwerdeführers gemeldet sei. Der mit der Ausweisung verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei zulässig, weil er zu Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiete des Fremdenwesens, zur Verhinderung von Scheinehen - dringend geboten sei.
Die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration des Beschwerdeführers wiege gering, stützten sich sein Aufenthalt und allfällige Beschäftigungsverhältnisse doch ausschließlich auf das dargestellte Fehlverhalten. Die familiären Bindungen zum Bruder würden insofern relativiert, als dieser lediglich auf Grund eines gestellten Asylantrages zum vorläufigen Aufenthalt berechtigt und -wie der Beschwerdeführer - längst volljährig sei. Die Auswirkungen der Ausweisung auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen keinesfalls schwerer als das in seinem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse an seinem Verlassen des Bundesgebietes. Die Erlassung der Ausweisung erweise sich daher auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG als zulässig.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Es kann hier - mit Blick auf die vom Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom , Zl. EU 2011/0004 bis 0008, aufgeworfenen unionsrechtlichen Fragen -
dahingestellt bleiben, ob die gegenständliche Ausweisung auf § 54 Abs. 1 FPG oder § 86 Abs. 2 FPG zu stützen war, weil jenes Verhalten, von dem die belangte Behörde ausgeht, nämlich das Eingehen einer Aufenthaltsehe, grundsätzlich die Annahme einer solchen Gefährdung, die durch den in § 86 Abs. 2 FPG enthaltenen Verweis auf § 55 Abs. 1 NAG gefordert wird, rechtfertigt. Im Fall des Vorliegens einer Aufenthaltsehe ist aber auch davon auszugehen, dass ein Versagungsgrund im Sinn des § 54 Abs. 1 FPG gegeben ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0753, sowie ausführlich das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0011, auf dessen Entscheidungsgründe insoweit gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird).
2.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Beurteilung der belangten Behörde, er sei eine Scheinehe eingegangen, und verweist hinsichtlich der von der belangten Behörde aufgezeigten Widersprüche in den Aussagen der Eheleute auf die von ihm gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung. Ferner habe seine Ehefrau das Vorliegen einer "normalen" Ehe behauptet.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, das Ergebnis der behördlichen Beweiswürdigung in Frage zu stellen.
Zunächst ist zum bloßen Verweis des Beschwerdeführers auf die von ihm gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung festzuhalten, dass die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, in der Beschwerde selbst auszuführen sind; der Verweis auf Schriftsätze in anderen Verfahren - wie etwa dem Verwaltungsverfahren - ist nicht ausreichend (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/07/0035, mwN).
Dessen ungeachtet bleibt der Beschwerdeführer eine nachvollziehbare Erklärung dafür schuldig, weshalb die geltend gemachte ständige Betreuung der Schwiegermutter durch seine Ehefrau und die - wie behauptet - daraus entstandenen Streitigkeiten und zeitweisen Trennungen zu Widersprüchen in den Aussagen der Eheleute hinsichtlich der Familienverhältnisse, des den Vernehmungen vorangegangenen Wochenendes und der von den Eheleuten bei der Anreise zur niederschriftlichen Vernehmung gewählten Wegroute geführt haben. Aber auch das übrige, mit der Betreuung seiner Schwiegermutter begründete Beschwerdebzw. Berufungsvorbringen vermag nicht zu überzeugen, weil der Beschwerdeführer den behördlichen Feststellungen, dass die Mutter seiner Ehefrau bereits im November 2004 verstorben sei, nicht entgegentritt.
Überdies erweist sich das Vorbringen, die Eheleute hätten einander tatsächlich erstmals in einem Zug gesehen und miteinander gesprochen, jedoch erst in einem W Lokal "richtig kennengelernt", als nicht geeignet, die bei den Vernehmungen in diesem Zusammenhang aufgetretenen Widersprüche nachvollziehbar zu erklären. Der Beschwerdeführer hatte bei seiner Vernehmung nämlich angegeben, seine Ehefrau im Jahr 2001 in einem Zug in Jugoslawien kennengelernt und mit ihr "telefonisch Kontakt gehalten" zu haben. Als er 2003 nach Österreich gekommen sei, habe man beschlossen zu heiraten. Seine Ehefrau hatte hingegen ausgesagt, den Beschwerdeführer im Jahr 2003 kennengelernt zu haben. Dieser habe sie in einem W Lokal angesprochen und man sei "so einfach ins Gespräch gekommen". Er habe ihr schon von Beginn an optisch gefallen.
Die von der belangten Behörde aufgezeigten Widersprüche in den Aussagen der Eheleute betreffen Umstände, hinsichtlich derer bei einem tatsächlich geführten Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK übereinstimmende Aussagen zu erwarten wären. Der Beschwerdeführer hat auch keine Beweisanträge gestellt, die sein Vorbringen untermauern hätten können.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beweiswürdigung der belangten Behörde als schlüssig und nachvollziehbar.
2.2. Der Beschwerdeführer hat somit eine Ehe geschlossen und sich für die Erteilung und die Verlängerung seines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen, obwohl er mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat, weshalb nach dem oben Gesagten sich die darauf gegründete Ausweisung als zulässig erweist.
3. Auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG durchgeführten Interessenabwägung, dem die Beschwerde inhaltlich nicht entgegentritt, ist aus den im angefochtenen Bescheid dargelegten Erwägungen nicht zu beanstanden.
4. Da sich die Beschwerde nach dem Gesagten als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
UAAAE-71281