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VwGH vom 22.03.2011, 2007/18/0868

VwGH vom 22.03.2011, 2007/18/0868

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des S S, geboren am , vertreten durch Mag. Oliver Ertl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Riemergasse 14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/405.452/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei erstmals mit einem vom bis gültigen Visum nach Österreich eingereist und habe am einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger eines Österreichers, § 49 Abs. 1 FrG" - sein Stiefvater sei österreichischer Staatsbürger - bei der erstinstanzlichen Behörde eingebracht. In der Folge habe er Niederlassungsbewilligungen bis zum erhalten. Nachdem seiner Mutter am die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden sei, sei ihm ein Niederlassungsnachweis mit Gültigkeit bis erteilt worden.

Am sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß "§§ 127, 129 Abs 1 und 2, 130, 146, 129 Abs 1 StGB" (nach Ausweis der in den Verwaltungsakten enthaltenen diesbezüglichen Urteilsausfertigung richtig: wegen des Verbrechens des Diebstahles durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Z. 1 StGB und des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, wovon ein Teil von acht Monaten bedingt nachgesehen worden sei, rechtskräftig verurteilt worden. Der Verurteilung sei zugrunde gelegen, dass er am nach einem Einbruch in einen Lagerplatz mit einem Mittäter 840 kg Kupferkabel im Wert von EUR 1.176,-- gestohlen und am eine Angestellte einer Zulassungsstelle einer Versicherung durch Täuschung über seine Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit bezüglich einer fällig werdenden KFZ-Haftpflichtversicherungsprämie zur Zulassung seines LKW verleitet habe.

Der in § 60 Abs. 2 (Z. 1) FPG normierte Tatbestand sei daher verwirklicht. Das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers beeinträchtige die öffentliche Ordnung und Sicherheit - hier: das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität - in erheblichem Ausmaß, sodass die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der §§ 61 und 66 leg. cit. - (auch) im Grunde des § 60 Abs. 1 leg. cit. erfüllt seien.

Der Beschwerdeführer lebe seit ca. vier Jahren im Bundesgebiet und verfüge hier über familiäre Bindungen zu seiner Mutter und seinem Stiefvater. Es sei daher von einem mit der vorliegenden Maßnahme verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens - dringend geboten und sohin im Grunde des § 66 Abs. 1 FPG zulässig.

Im Rahmen der nach § 66 Abs. 2 FPG vorzunehmenden Interessenabwägung sei darauf Bedacht zu nehmen, dass sich der Beschwerdeführer ungeachtet seines bisherigen inländischen Aufenthaltes nicht mit Erfolg auf eine daraus ableitbare relevante Integration berufen könne, erfahre diese doch durch den Umstand, dass die dafür erforderliche soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten erheblich gemindert werde, eine wesentliche Relativierung. Den - solcherart geschmälerten - privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers stünden die genannten - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen, insbesondere jene an der Einhaltung der strafrechtlichen Normen, gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers (und seiner Familie) wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf die Art und Schwere der ihm zur Last liegenden Straftaten könne sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet auch unter Berücksichtigung seiner familiären Situation im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens nicht in Kauf genommen werden.

Die von der erstinstanzlichen Behörde vorgenommene Befristung des Aufenthaltsverbotes erscheine gerechtfertigt. Wer, wie der Beschwerdeführer, einen Einbruchsdiebstahl und einen Betrug verübe, lasse seine offenbare Negierung maßgeblicher zum Schutz von Rechtsgütern aufgestellter Vorschriften erkennen. Vor dem Hintergrund des dargestellten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der erheblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen, insoweit unbestrittenen Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers begegnet die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

1.2. Dieser Verurteilung liegt - insoweit ebenso unbestritten - zugrunde, dass der Beschwerdeführer, wie oben (I. 1.) dargestellt, am in betrügerischer Weise eine Angestellte eines Versicherungsunternehmens zur Zulassung seines LKW verleitet sowie rund zwei Wochen später, am , in einen Lagerplatz eingebrochen und mit einem Komplizen 840 kg Kupferkabel gestohlen hat.

In Anbetracht dieses Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand.

Hiebei bestand keine Veranlassung, den Beschwerdeführer als begünstigten Drittstaatsangehörigen im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG zu behandeln, war er doch bei Erlassung des angefochtenen Bescheides (am ) bereits 30 Jahre alt, sodass ihm in Bezug auf den genannten Tatbestand der Umstand, dass er der Sohn einer österreichischen Staatsbürgerin ist, für sich genommen nicht zugutekommt. Wenn er in der Beschwerde vorbringt, dass er "gerade während der Zeit seiner Arbeitslosigkeit sehr wohl von seiner österreichischen Mutter unterhaltsabhängig" gewesen sei, so hat er dies nach Ausweis der Verwaltungsakten im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht, sodass es sich bei dieser erstmals in der Beschwerde aufgestellten Behauptung um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige und daher unbeachtliche Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 erster Satz VwGG) handelt.

Wenn die Beschwerde vorbringt, dass sich der Beschwerdeführer seit Juli 2003 legal in Österreich aufhalte und ihm zuletzt ein bis gültiger Niederlassungsnachweis erteilt worden sei, so führt dies fallbezogen nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Nach den Überleitungsbestimmungen des § 11 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - Durchführungsverordnung, BGBl. II Nr. 451/2005, gilt ein vor dem (am erfolgten) Inkrafttreten des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes erteilter Niederlassungsnachweis bei Familienangehörigen von dauernd in Österreich wohnhaften Zusammenführenden als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - Familienangehöriger" (bei allen anderen: als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG") weiter. Nach dem in diesem Zusammenhang zu beachtenden § 56 Abs. 1 FPG (vgl. in diesem Zusammenhang auch § 61 Z 2 leg. cit) dürfen Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen waren und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" oder "Daueraufenthalt - Familienangehöriger" verfügen, nur mehr ausgewiesen werden, wenn ihr weiterer Aufenthalt eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde. § 56 Abs. 2 leg. cit. nennt - in Bezug auf strafgerichtliche Verurteilungen - Beispielsfälle, bei deren Verwirklichung die im Abs. 1 dieser Bestimmung angeführte Gefährdungsprognose indiziert ist, so etwa, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist. Ein solcher Fall liegt hier vor. Auf Grund der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers (u.a.) wegen eines Verbrechens und des dieser Verurteilung zugrunde liegenden strafbaren Verhaltens sind auch die gegenüber § 60 Abs. 1 FPG strengeren Voraussetzungen des Gefährdungsmaßstabes nach § 56 Abs. 1 leg. cit. erfüllt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0152). Sohin ist der Beschwerdeführer dadurch, dass die belangte Behörde zu ihrer Begründung nur auf den in § 60 Abs. 1 FPG enthaltenen Gefährdungsmaßstab abgestellt hat, im Ergebnis nicht im Recht auf Unterbleiben der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes verletzt.

2. Bei der Interessenabwägung nach § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit Juli 2003, somit in der Dauer von rund vier Jahren und drei Monaten bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides, und seine Bindungen zu seiner Mutter und seinem Stiefvater, die im Bundesgebiet leben, berücksichtigt und zutreffend einen mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verbundenen relevanten Eingriff im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG angenommen. Zu Recht hat sie jedoch darauf hingewiesen dass die aus seinem bisherigen inländischen Aufenthalt resultierende Integration an Gewicht durch die von ihm verübten Straftaten gemindert und relativiert werde. Wie im erstinstanzlichen Bescheid, auf dessen Gründe im angefochtenen Bescheid verwiesen wird, festgestellt und auch vom Beschwerdeführer in seiner dagegen erhobenen Berufung vorgebracht wurde, lebt seine Frau in Bosnien und ist er zuletzt im Mai 2007 von dort kommend in Österreich eingereist.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht die aus seinen Straftaten resultierende Gefährdung der öffentlichen Interessen gegenüber. Von daher ist die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), nicht zu beanstanden.

3. Ferner kann es nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn die belangte Behörde die Auffassung vertreten hat, dass in Anbetracht des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes nicht vor Ablauf der festgesetzten Gültigkeitsdauer erwartet werden könne, und es zeigt die Beschwerde keine Umstände auf, die die Festsetzung einer kürzeren Dauer dieser Maßnahme geboten hätten.

4. Schließlich kann auch keine Rede davon sein, dass der angefochtene Bescheid im Sinne des § 60 AVG nicht ausreichend begründend sei.

5. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

6. Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG konnte von der beantragten Verhandlung Abstand genommen werden.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
UAAAE-71268