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VwGH vom 25.04.2006, 2004/21/0264

VwGH vom 25.04.2006, 2004/21/0264

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde der C, vertreten durch Dr. Karl Mayer, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Wiener Straße 46, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom , Zl. Fr 2736/04, betreffend die Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Rumäniens, ist mit einem von der österreichischen Botschaft Bukarest ausgestellten "Visum C", gültig vom 10. September bis zum , am in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Sie hat am mit dem österreichischen Staatsangehörigen X. die Ehe geschlossen. Die Ehegatten haben unbestritten zumindest drei Monate lang einen gemeinsamen Haushalt geführt. Mit Urteil des Bezirksgerichtes E. vom wurde die Ehe infolge Klage des X. geschieden. Die Beschwerdeführerin (= Beklagte im Scheidungsverfahren) wurde als unbekannt aufhältig angesehen und war durch einen Kurator vertreten. Das die Ehescheidung aussprechende Urteil ist nach der Aktenlage mit in Rechtskraft erwachsen.

Die Beschwerdeführerin hatte am bei der Bezirkshauptmannschaft B. einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung eingebracht. Über diesen Antrag wurde ihr am eine bis gültige Erstniederlassungsbewilligung mit dem Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Österreich, § 49 Abs. 1 FrG" erteilt.

Am beantragte sie bei der Bezirkshauptmannschaft B. die Verlängerung der Niederlassungsbewilligung unter Anführung desselben Aufenthaltszweckes. Sie erklärte, dass die genannte Ehe mit dem österreichischen Staatsbürger X. aufrecht sei, sie mit ihrem Ehegatten "ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK" führe und sich auf diese Ehe berufe.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z. 6 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung (unter anderem) des einleitend wiedergegebenen Sachverhaltes und der Rechtslage im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe am unrichtige Angaben über ihre Familienverhältnisse gemacht, um sich durch das Vortäuschen einer aufrechten Ehe und der Führung eines gemeinsamen Familienlebens mit einem österreichischen Staatsangehörigen den Weiterverbleib und die rechtmäßige Beschäftigung in Österreich zu sichern. Auch wenn sie noch nichts über die bereits erfolgte Scheidung habe wissen können - die Beschwerdeführerin hatte vorgebracht, vom Vorliegen und Inhalt des Ehescheidungsurteils erst am Kenntnis erlangt zu haben - und daher aus ihrer Sicht den Familienstand mit "verheiratet" richtig angegeben habe, habe sie sich auf die Ehe mit X. berufen, obwohl sie mit ihm kein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK geführt habe. Dadurch sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG verwirklicht. Nach Rechtskraft des Scheidungsurteils (mit ) gelte sie als geschieden und sei somit keine begünstigte Drittstaatsangehörige iSd § 49 Abs. 1 FrG mehr. Die in den unrichtigen Angaben liegenden Rechtsverstöße gefährdeten die öffentliche Ordnung und Sicherheit und liefen den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwider.

Bei der Interessenabwägung nach § 37 FrG ging die belangte Behörde davon aus, dass im Hinblick auf die Aufenthaltsdauer, die Ausübung einer legalen Beschäftigung in Österreich sowie die Beziehungen der Beschwerdeführerin zu X. und zu ihrer in Österreich aufhältigen Schwester, wenngleich sie mit diesen kein gemeinsames Familienleben führe, in das Privatleben eingegriffen werde. Der Eingriff sei aber schon dadurch relativiert, dass die übrigen Familienangehörigen der Beschwerdeführerin (Tochter und Vater) in Rumänien lebten. Wegen der nicht nur geringfügigen Missachtung der österreichischen Rechtsordnung sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage des Verwaltungsaktes durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 47 Abs. 2 iVm § 49 Abs. 1 und § 47 Abs. 3 Z. 1 des - bis in Geltung gestandenen und hier noch maßgeblichen - FrG genossen Ehepartner von österreichischen Staatsbürgern Niederlassungsfreiheit; ihnen war eine Niederlassungsbewilligung auszustellen, wenn ihr Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdete. Sie konnten Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland stellen.

Nach der hg. Judikatur schränkte § 8 Abs. 4 FrG in Bezug auf die Erteilung von Aufenthaltstiteln die Sonderbestimmungen für Angehörige von EWR-Bürgern und Österreichern dahin ein, dass Ehegatten, die ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht führten, sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe berufen durften (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/18/0274).

In diesem Zusammenhang ordnete § 34 Abs. 1 Z. 3 FrG zur "Ausweisung Fremder mit Aufenthaltstitel" Folgendes an:

"§ 34. (1) Fremde, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhalten, können mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn

...

3. der Aufenthaltstitel einem Fremden erteilt wurde, weil er sich auf eine Ehe berufen hat, obwohl er ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat."

Im Allgemeinen Teil der Erläuterungen zur Regierungsvorlage des FrG wurde das Zusammenspiel dieser Normen (und ergänzend des weiteren - von der belangten Behörde nicht herangezogenen - Aufenthaltsverbotstatbestandes des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG) wie folgt dargestellt (685 BlgNR 20. GP, 54):

"Scheinehenpaket

Das Eingehen einer Ehe lediglich zum Zweck der Erlangung eines Aufenthaltstitels in Österreich ist gesellschafts- und integrationspolitisch unerwünscht; dem Phänomen soll daher durch Maßnahmen im Fremdengesetz entgegengetreten werden. Es soll sich niemand zur Erlangung eines Aufenthaltstitels auf ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK berufen dürfen, der ein solches Familienleben nicht führt (§ 8 Abs. 4). Beruft sich ein Fremder unter Missbrauch der Bestimmung des § 8 Abs. 4 bei der Erteilung eines Aufenthaltstitels auf ein gemeinsames Eheleben im Sinne des Art. 8 EMRK, soll die Behörde die Möglichkeit haben, diesen auszuweisen (§ 34 Abs. 1 Z. 3) oder ein Aufenthaltsverbot über ihn zu verhängen (§ 36 Abs. 1 Z. 9), wenn er einen Vermögensvorteil geleistet hat, um einen aufenthaltsrechtlichen oder beschäftigungsrechtlichen (Befreiungsschein) Titel zu erlangen. ..."

Zu § 34 Abs. 1 Z. 3 FrG - bezüglich § 8 Abs. 4 leg. cit. enthält die Regierungsvorlage keine spezifischen Ausführungen - heißt es in den Erläuterungen (685 BlgNR 20. GP, 74) weiter:

"Z. 3 ist Bestandteil des Lösungspakets zum Problemkreis der Scheinehe und legt fest, dass ein Fremder trotz Besitz eines Aufenthaltstitels aus dem Bundesgebiet ausgewiesen werden kann, weil sich dieser Fremde bei der Erteilung des Aufenthaltstitels auf eine Ehe berufen hat, obwohl er ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat."

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG konnte gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt war, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z. 2).

In § 36 Abs. 2 FrG waren demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. galten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein konnte. Bei der Erstellung der Gefährlichkeitsprognose war das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, war Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hatte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/21/0207, mwN).

Als bestimmte Tatsache im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG galt gemäß Abs. 2 Z. 6, worauf sich die belangte Behörde (allein) gestützt hat, wenn ein Fremder gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hatte, um sich die Einreise- oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 31 Abs. 1 und 3 FrG zu verschaffen.

Die Verwirklichung dieses Tatbestandes erforderte zunächst das Vorliegen einer vorsätzlichen Täuschung durch wissentlich falsche Angaben über die dort genannten Umstände (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 324/99 = VfSlg. 15.640). Da die belangte Behörde jedenfalls nicht ausgeschlossen hat, dass der Beschwerdeführerin das gegen sie (vertreten durch einen Kurator) geführte Ehescheidungsverfahren bei ihrer Antragstellung am noch nicht bekannt gewesen sei, fehlte es in Bezug auf die aufrechte Ehe am Nachweis dieser grundlegenden Voraussetzung für eine Verwirklichung des Tatbestandes nach § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG.

Was das bei der Antragstellung vom erstattete Vorbringen der Beschwerdeführerin über das Vorliegen eines gemeinsamen Familienlebens mit dem österreichischen Staatsangehörigen X. betrifft, kann den Feststellungen der belangten Behörde auch insoweit eine vorsätzliche Täuschung durch die Beschwerdeführerin im Sinn des § 36 Abs. 2 Z. 6 FrG nicht zweifelsfrei entnommen werden:

Feststellungen, aus denen gefolgert werden könnte, dass die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und X. nur zum Schein geschlossen oder (zumindest ab einem bestimmten Zeitpunkt) aufrecht erhalten worden wäre (vgl. zu den Feststellungserfordernissen für derartige Konstellationen etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 99/21/0083, vom , Zl. 2001/19/0023, vom , Zl. 2003/18/0274, und vom , Zl. 2004/21/0135), woraus dann entsprechend dem Inhalt der dargestellten Gesetzesmaterialien die weitere Rechtsfolge ableitbar wäre, dass sich die Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 4 FrG auf die Ehe jedenfalls nicht hätte berufen dürfen, hat die belangte Behörde nicht getroffen. Der alleinige Umstand einer getrennten Wohnungsnahme nach ursprünglicher Ehegemeinschaft reicht dafür allein nicht aus (vgl. neuerlich etwa das vorgenannte hg. Erkenntnis vom ). Dass ein gemeinsames Familienleben iSd § 8 Abs. 4 FrG nur dann vorliegt, wenn ein gemeinsamer Haushalt geführt wird oder ein gemeinsamer Wohnsitz existiert, geht aus dieser Bestimmung nicht hervor (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/19/0126).

Dies hat die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides verkannt, sodass dieser, ohne dass auf die Bestimmung des § 37 FrG eingegangen werden musste, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am

Fundstelle(n):
AAAAE-71266

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