Suchen Hilfe
VwGH 11.11.2016, Ra 2016/20/0208

VwGH 11.11.2016, Ra 2016/20/0208

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
AsylG 2005 §28 Abs1;
BFA-VG 2014 §21 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
RS 1
Die rechtsrichtige Anwendung des § 21 Abs. 3 BFA-VG 2014 setzt nach seinem insoweit unmissverständlichen Wortlaut eine "Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren" voraus. Auf die Frage, ob die Verwaltungsbehörde irrtümlich davon ausgegangen ist, dass der Antrag auf internationalen Schutz nicht zurückzuweisen ist, kommt es bei der Beurteilung nach § 21 Abs. 3 BFA-VG 2014 nicht an. Dies bringt schon § 28 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 zum Ausdruck, wonach die Zulassung einer späteren Zurückweisung nicht entgegensteht. Darauf, dass es maßgeblich wäre, aus welchen Gründen die Zulassung erfolgt wäre, stelle diese Bestimmung nicht ab (Hinweis E vom , Ra 2016/19/0208).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2016/01/0189 E RS 1 (hier: ohne den letzten Satz)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, der gegen den als Erkenntnis bezeichneten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W185 2129749- 1/4E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 erhobenen Revision (mitbeteiligte Partei: M), die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

Begründung

Mit Bescheid vom wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) den vom Mitbeteiligten gestellten Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück, sprach aus, dass gemäß Art. 13 Abs. 1 iVm. Art. 22 Abs. 7 der Dublin III-Verordnung Kroatien für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, ordnete gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung an und erklärte seine Abschiebung gemäß § 61 Abs. 2 FPG für zulässig.

Mit der vom BFA in Revision gezogenen Entscheidung gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG statt und behob den bekämpften Bescheid.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Amtsrevision des BFA, mit welcher ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden wurde. Zur unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der von ihr zu vertretenden öffentlichen Interessen macht die Behörde geltend, nach Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist, die während des Revisionsverfahrens einzutreten drohe, werde der um Aufnahme ersuchende Mitgliedstaat (hier: Österreich) für die Führung des Asylverfahrens nach der Dublin III-Verordnung zuständig werden. Diese Frist gelte nur dann nicht, wenn der Revision die aufschiebende Wirkung zuerkannt werde. Es bestehe daher die Gefahr, dass durch Ablauf dieser Frist der Revision jegliche Effektivität genommen werde. Rechtliche Interessen des Mitbeteiligten seien nicht berührt, weil dieser sich weiterhin im - m vorliegenden Fall - zugelassenen Asylverfahren befinde und daher über ein Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 verfüge.

Gemäß § 30 Abs. 1 erster Satz VwGG hat die Revision keine aufschiebende Wirkung. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch gemäß § 30 Abs. 2 VwGG auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Die mitbeteiligte Partei hat sich zum Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht geäußert.

Es ist nicht zu sehen, dass zwingende öffentliche Interessen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstünden. Es gibt aber auch keinen Hinweis dafür, dass im Rahmen der nach § 30 Abs. 2 VwGG vorzunehmenden Interessenabwägung von der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung Abstand zu nehmen wäre, weshalb dem Antrag der revisionswerbenden Behörde stattzugeben war.

Wien, am 

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungsdatum:

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin MMag.a Ortner, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in Wien, gegen den als Erkenntnis bezeichneten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W185 2129749-1/4E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei: M S B in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Im Rahmen seiner Erstbefragung am gab er zu seiner Fluchtroute an, über den Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich gereist zu sein. Bis auf den Iran und die Türkei habe er in allen durchreisten Ländern Behördenkontakt gehabt und er sei gut behandelt worden.

2 Den im Akt erliegenden Speicherauszügen aus dem Zentralen Fremdenregister zufolge wurde dem Mitbeteiligten am vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eine "Aufenthaltsberechtigungskarte weiß (§ 51 AsylG)" ausgestellt und auf diese Weise gemäß § 28 Abs. 1 zweiter Satz AsylG 2005 sein Asylverfahren zugelassen.

3 Am richtete das BFA ein auf Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Aufnahmeersuchen an Kroatien. Mit Schreiben vom teilte das BFA der kroatischen Behörde mit, dass Kroatien gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO aufgrund Verfristung hinsichtlich der Beantwortung des Aufnahmeersuchens zur Führung des Asylverfahrens verpflichtet sei.

4 Mit Bescheid vom wies das BFA den vom Mitbeteiligten gestellten Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und stellte fest, dass Kroatien für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I). Unter einem erließ es gegenüber dem Mitbeteiligten gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz (FPG) eine Anordnung zur Außerlandesbringung und stellte fest, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung des Mitbeteiligten nach Kroatien zulässig sei.

5 Mit der (als Erkenntnis bezeichneten) Entscheidung vom gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde statt und hob diesen gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG auf. Die Erhebung einer Revision wurde nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt. Begründend führte das BVwG zusammengefasst aus, das Verfahren des Mitbeteiligten sei am zugelassen worden. Dem Mitbeteiligten sei entgegen der ausdrücklichen Vorschrift des § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 nicht mit Verfahrensanordnung mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen. Es sei vor Erlassung des angefochtenen Bescheides überhaupt keine Rechtsberatung erfolgt, die jedoch, entsprechend den Bestimmungen des § 29 Abs. 4 AsylG 2005 sowie des § 49 Abs. 2 BFA-VG, in einem 24 Stunden nicht zu unterschreitenden Zeitraum ab Mitteilung nach § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 stattzufinden gehabt hätte. Aufgrund unzureichenden Parteiengehörs liege ein mangelhaftes Verfahren vor, der Sachverhalt sei so mangelhaft ermittelt worden, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheine.

6 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des BFA, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit (unter anderem) ausführt, das Asylverfahren des Mitbeteiligten sei durch Ausfolgung der Aufenthaltsberechtigungskarte vor Bescheiderlassung zugelassen worden. Das BVwG habe dennoch die Bestimmung des § 21 Abs. 3 BFA-VG angewandt, obwohl es sich um keine Entscheidung im Zulassungsverfahren gehandelt habe. Das BVwG sei somit von der (in der Zulässigkeitsbegründung der Revision näher zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die erhobene außerordentliche Revision nach Vorlage derselben sowie der Verfahrensakten durch das BVwG und nach Einleitung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung durch den Mitbeteiligten wurde nicht erstattet - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) gebildeten Senat erwogen:

8 Die Revision ist zulässig und auch begründet. 9 Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , Ra 2016/19/0208, ausgesprochen, dass eine rechtsrichtige Anwendung des § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG nach seinem insoweit unmissverständlichen Wortlaut das Vorliegen einer "Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren" voraussetzt. Auf die Frage, ob die Verwaltungsbehörde irrtümlich davon ausgegangen ist, dass der Antrag auf internationalen Schutz nicht zurückzuweisen sei, kommt es bei der Beurteilung nach § 21 Abs. 3 BFA-VG nicht an. Das bringt schon § 28 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 zum Ausdruck, wonach die Zulassung einer späteren zurückweisenden Entscheidung nicht entgegensteht. Darauf, dass es maßgeblich wäre, aus welchen Gründen die Zulassung erfolgt wäre, stellt diese Bestimmung nicht ab.

10 Auch im hier vorliegenden Fall wurde das Verfahren vor Bescheiderlassung zugelassen; die angefochtene Entscheidung gleicht in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht in den entscheidungsrelevanten Punkten jener, über die vom Verwaltungsgerichtshof mit dem zitierten Erkenntnis vom , Ra 2016/19/0208, entschieden wurde. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses verwiesen.

Die angefochtene Entscheidung war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
32013R0604 Dublin-III Art13 Abs1;
32013R0604 Dublin-III Art22 Abs7;
AsylG 2005 §13;
AsylG 2005 §5 Abs1;
BFA-VG 2014 §21 Abs3;
FrPolG 2005 §61 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §61 Abs2;
VwGG §30 Abs2;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016200208.L00.1
Datenquelle

Fundstelle(n):
SAAAE-71260